Fühlen sich die Schenkel nach vier Tagen allemal schon drall an: Im Tech-Takt fangen sie an zu brennen; ich will schnell durch das am dünnsten besiedelte Gebiet im westlichen Deutschland. Dröhnende Wärme staut sich unterm Radhelm, ich passiere Düste, Dreeke und Diepholz. Dann kommt der Dümmer, der See, Kilometer 400. Doch die Lust zu plantschen ist mir vergangen. Badezeug rauswühlen, jemanden bitten, aufzupassen auf Rad plus Gepäck: zu mühsam, zu riskant. Zudem zeigt die Uhr schon 16.27 und mir fehlen noch vierzig Kilometer.
Weiter, weiterfahren, Wiehengebirge, wonnig am Horizont. Doch die Begeisterung fürs erste Hügelein seit Holstein ist hinüber. Heiße Winde und schlechte Radwege zermürben mich. ›ACHTUNG‹, darunter der Zusatz ›Radweg-Schäden‹. Wie oft las ich das heute schon? Wie viele Male hab ich die gute alte Radwegnutzungspflicht umfahren und mich zu den Kraftwagen geschummelt? Immerhin: Hupend gemeckert hat noch keiner.
Hinter Stemshorn schneide ich für einige Minuten NRW an. In Bohmte finde ich eine Infotafel, deren Text von Loriot stammen könnte. Bohmte liegt an der Deutschen Fachwerkstraße und hat das Baudenkmal Hof Wellner. Prächtiges Fachwerk schmückt den Hof, prächtig ist auch der Erklärtext zum Denkmal: ›Verputzte Gefache, Giebel dreimal flach vorkragend über profiliertem Balkenstummel und Schwellbalkenüberstand‹.
Kilometer 423: Ein Hauch von Gebirge
Nurmehr der Mittellandkanal ist zu queren, dann kann ich hinter Bad Essen die Berge stürmen. Obwohl: Viel Saft ist nicht mehr drin in den Muskeln. Bevor die Serpentinen beginnen, kaufe ich mir in Notfallmanier ein koffeinhaltiges Zuckerwasser an einer Bratwurstbude. Sie ahmt Fachwerk mit Kunststoff nach und ist umlagert von Auto- und Motorradfahrern. Ich bin jetzt im südlichsten Zipfel des einstigen Kurfürstentums Hannover, versuche mich im hitzeschlaffen Zustand am Wahlspruch des Fürstentums aufzubauen: Nec aspera terrent, auch Widrigkeiten schrecken nicht. Wenn ich angesichts schlapper 28 Grad Celsius bereits wüsste, was mich auf gleichem Breitengrad in Brandenburgs Luckenwalde bald an Hitze droht, ich würde wohl nur müde lächeln, hier an der Steilstrecke zwischen Bad Essen und Essenerberg. Es geht hinauf ins Wiehengebirge, bescheidene 180 Meter über dem Meeresspiegel, danach steil hinunter nach Oldendorf. Über ein 14-Prozent-Gefälle rausche ich gen Tal, wo ich, kurz vor dem Ziel, sie dann doch noch bekomme: die Radwegschmäh-Vergeltungshupe (weil ich auf der Hauptstraße fahre, nicht nebendran, auf der unwegsamen Radspur). In Sachen Huper oder Huperin tippe ich auf Mann mit Hut und Klorollen-Häkelüberzug. Doch es ist ein Motorradrocker in Lederkluft, Osnabrücker Kennzeichen.
Höhenprofil der vierten Etappe: Mit 120 Kilometern Anlauf gerät selbst das mickrige Bergfinish im Wiehengebirge (im Fahrprofil rechts) zur kleinen Herausforderung.
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