Wir bunkern den Glauben nicht. Es gibt ihn nur frisch in der Gottesbegegnung, nicht aus der Konserve.
Ich bin’s! Das ist der Wendepunkt. An dieser Stelle wird der Unterschied zwischen einer grundsätzlichen Überzeugung hinsichtlich einer allgemein bestehenden Zähmung dieser Welt durch göttliche Mächte einerseits und einem wirklich lebendigen Glauben andererseits offensichtlich: Da gibt es keine richtige Einstellung mehr, ein „Gestell“, das mich halten würde. Nein, hier hält nichts mehr, hier ist kein „Grund“ zu glauben, das Schicksal ist schlechthin nicht mehr zu fassen. Aber das Unfassbare fasst plötzlich mich! Es streckt seine Hand aus und fasst, hält mich. Ich bin gehalten. Es gibt einen Grund in aller Bodenlosigkeit: Der „Ich bin“, der schon im Alten Testament die Väter ansprach, die dann zu Vätern des Glaubens wurden. Er ist der Grund unter meiner Bodenlosigkeit.
Wir sehen unsere geringen Möglichkeiten, unsere Beschränkungen. Und schwupps, liegen wir auf der Nase.
Nicht permanent, auch nicht sofort. Nicht als Programm. Nicht kampagnenfähig. Der Petrus, der neuen Glaubensmut fasst, muss auch erst wieder untergehen, muss dann mit Jesus ins Boot finden, bis sich die Furcht in Ehrfurcht wandelt und der Friede eintritt, der höher ist als alle Vernunft, stärker als alle Todesangst und Zerstörungsmächte, die zu zermalmen drohen. Und es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Petrus fällt. Ja, wir wissen, dass ihm sein größter Fall biographisch noch bevorsteht. Mit Petrus steht uns der exemplarisch Glaubende vor Augen. Mal schauen wir auf Jesus und tun auch Glaubensschritte. Vielleicht denken wir auch: Jetzt hab ich’s! Dann aber sinkt der Blick. Wir sehen unsere geringen Möglichkeiten, unsere Beschränkungen. Und schwupps, liegen wir auf der Nase, zweifeln, fragen uns vielleicht, ob wir je ernsthaft geglaubt haben.
Aber zwischen den anrollenden Wellenbergen, wo man sich mal oben auf, mal ganz unten findet, steht plötzlich Jesus und schenkt mit seiner Anwesenheit die Geborgenheit, die allen Schrecken übertrifft. Denn in seinem Wort ist der wirksam, der die Kompetenz zur Befriedung der Elemente hat. Die Jünger erkennen in ihm den Schöpfer, der am Anfang die Chaosmächte bezwang und den geordneten Kosmos ins Sein ruft. - Er tat dies vor Anfang der Zeit durch sein Wort. Dasselbe Wort ergeht auch auf dem See. Und es ist heute wirksam, wenn der Boden unter den Füßen wankt und Menschen Gott wie damals Petrus um Hilfe anrufen: „Herr, hilf mir!“ Unter Gottes Wort legt sich der Sturm und das Lebensboot nimmt wieder Kurs zum Leben auf. Vermutlich wird es nicht der letzte Sturm gewesen sein. Die nächste Herausforderung kommt bestimmt und das Leben wird nicht leichter - oder gar angenehmer - durch den Glauben.
Aber es entwickelt sich ein Qualitätsbewusstsein dafür, was es bedeutet, einen guten Steuermann mit an Bord zu haben. Er ist da, wenn es drauf ankommt. Er bestimmt die Richtung. Er führt sicher ans Ziel. Seine Gegenwart ist überhaupt lebensentscheidend. Biographisch führt das in der Folge sukzessive zu einem Steuerungswechsel auf der Kommandobrücke. Es wird ein anderes Geschäftsmodell gefahren: Es ist das Ende der Ich-AG nach dem Motto des selbstsicheren Credos „Ich habe ja meinen Glauben“, oder auch in der säkularen Variante: „Ich glaube an mich“. Vergiss es! Beides wird im Sturm des Lebens untergehen. Wer aber Jesus als den „Gott mit uns“ ins Boot holt, wird teil einer GmbH, einer „Gemeinschaft mit einer begründeten Hoffnung“ auf Erreichung des Lebenszieles. Sie segelt unter der Flagge „Fürchtet euch nicht“ - auch, wenn es im Leben zuweilen gespenstisch zugeht.
3. Glaube weiß sich gehalten (Mk 2,1-12)
Als die vier Männer seine Liegeunterlage ergriffen und ihm entschlossen erklärten, sie brächten ihn jetzt zu einem, der ihm helfen kann, wusste der Gelähmte, dass er Freunde hatte, an die er glauben konnte. Und obwohl er in einer Zeit lebte, in der es keinerlei staatliche Sozialsysteme gab, die ihm medizinische Hilfe ermöglichten, hatte er persönlich in seinen Freunden ein „Sozialsystem“, das trug. Das ist Glauben: Wissen, dass mich einer trägt. Das ich gehalten bin und trotz allem Leid nicht ins Bodenlose falle. In solchen Situationen merken wir: Niemand lebt für sich allein. Menschsein bedeutet immer auch, von anderen abhängig zu sein, bedürftig zu sein. Individualismus ist eine Schönwetter-Erscheinung. In der Krise trägt nur die Beziehung. Und dann brauchen wir Menschen, deren Hand wir ergreifen können und die uns, wenn nötig, sogar tragen. Und wir „glauben“ an diejenigen, die unserem Leben merklich Stabilität verleihen, die uns halten, wenn wir fallen oder das Leben uns gar so gelähmt hat, dass wir es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen.
Der Gelähmte glaubt an seine Freunde. Die Freunde wiederum glauben an Jesus. Er kann helfen, sagen sie. Er kann heilen. Er bringt Dinge wieder zurecht. Ob man das glauben kann? - Der erste Eindruck spricht nicht dafür. Die Leute um ihn herum versperren den Weg. Die Gemeinde zeigt sich oft nicht als hilfreich, ja steht im Weg, wo Menschen den Weg zu Jesus suchen. „Wenn das Christsein ist, hoffe ich, es ist nicht ansteckend!“, hörte ich mal einen im Bezug auf eine Gemeindesituation sagen. Bitter, aber manchmal wahr. Zum Glauben einladende Gemeinden sind selten. Drängelnde Interessengemeinschaften im religiösen Postamt Kirche bestimmen leider allzuoft das Bild. Aber was soll’s! Um den Star des Abends zu sehen, muss es halt manchmal Backstage sein. Die Freunde sind zu allem entschlossen. Sie steigen Jesus aufs Dach. Viele Glaubensbiografien wissen von diesen entschlossenen, geradezu penetranten Freunden zu berichten. Und sie werden belohnt: Als sie das Dach aufreißen, öffnet sich auch über der Menge der Himmel. „Liebster Jesus, wir sind vier…“ Die wirkliche Gemeinde ist oft klein. Aber wirksam.
Sie lassen ihren Freund zu Jesus hinab. Es gibt Dinge, die überfordern den Menschen. Wir können eine Wegstrecke lang Begleiter sein und das Schicksal anderer mittragen. Aber Heilung, das Heil, sollte man nicht von uns erwarten: „Ich habe dich geheiratet, damit du mich glücklich machst.“ Ein fataler Satz. Wer so etwas von Menschen erwartet, überlastet sie, ja, macht sie zum Götzen. Man erwartet Gottgleiches von ihnen. Damit hat man die Lizenz zum Unglücklichsein schon in der Tasche. Die vier Jungs sind weiser. Sie kennen ihre Grenzen. Und sie vertrauen auf die grenzenlose Macht des Mannes, zu dessen Füßen die Bahre inzwischen angekommen ist: „Kobra, übernehmen Sie!“
Was lähmt unser Leben? Der Mangel an Mobilität? Der Mangel an Gesundheit? Der Mangel an sonstigen Ressourcen? Jesus sagt: „Nein. Eure Schuld lähmt Euch.“
Jetzt muss Jesus den Gelähmten tragen. Jetzt wird sich erweisen, ob man an ihn glauben kann. Wie das? - Ganz klar: Indem er geheilt wird! Aber was ist Heilung? Wie wird ein Mensch wieder ganz? „Hauptsache gesund?“ - Jesus votiert anders: Deine Sünden sind dir vergeben. First things first! Zuerst müssen die Dinge angegangen werden, die den Kern der Lähmung ausmachen. Was lähmt unser Leben? Der Mangel an Mobilität? Der Mangel an Gesundheit? Der Mangel an sonstigen Ressourcen? Jesus sagt: „Nein. Eure Schuld lähmt Euch, die wie Mehltau auf euren Beziehungen lastet.“ Jeder denkt nur an sich und sein Fortkommen. Und so stehen alle im Stau. Das Leben ist nicht mehr wie es ursprünglich gedacht ist. Die Umwelt-, Ehe- und Schuldenkrisen sind in Wahrheit Beziehungskrisen des Menschen, der - und das ist der Kern der Sünde - beziehungsunfähig geworden ist. Der Mensch hat