Lebensglück ist eine Sache, die der selbstbestimmte, auf sich gestellte Mensch von sich aus nicht mit Gott in Verbindung brächte. Stattdessen sucht man fieberhaft, wie durch Eigeninitiative die Voraussetzungen geschafft werden, dass sich Glück einstellt. Ursache und Ziel dieser Bewegung zum Glück liegen, so denkt der Mensch, in einem selbst. Die Ursache dieser Bewegung sind die Bedürfnisse, die wir haben, der Lebensdurst, der uns nicht stillstehen, der uns nach Befriedigung, nach Stillung streben lässt und all die Dinge verbannen möchte, die einer möglichst effizienten Bedürfnisbefriedigung entgegenstehen. Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! So soll der Zug zum Glück ins Rollen kommen. Und die Frau meint das ganz ehrlich: Wenn ich erst einmal nicht mehr den beschwerlichen Gang zum Brunnen machen muss… Wenn ich nicht mehr zu Fuß zur Schule gehen brauche… Wenn ich nicht mehr allein bin, sondern einen Partner habe… Wenn ich erst mein Haus gebaut habe und nicht mehr von Vermietern abhängig bin…
Lebensglück ist eine Sache, die der selbstbestimmte, auf sich gestellte Mensch von sich aus nicht mit Gott in Verbindung brächte.
All diesen Plänen zum Glück wohnen im Grunde die gleichen Voraussetzungen inne:
1. Ich bin meines Glückes Schmied
2. Es geht um die Befriedigung punktueller Bedürfnisse und
3. Das Glück ist durch eine von mir selbst beherrschbare Verfahrensweise realisierbar. Wir nennen das „Technik“. Wir haben alles im Griff. Alles unterliegt unserem Zugriff.
Darum auch die Unruhe der Frau: Wie macht man das mit dem Wasser? Welche Technik steht dahinter? Herr, hast du doch nichts, womit
du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? Die Technik sichert die ersten beiden vermeintlichen Glücksstrategien ab: Ich bin meines Glückes Schmied. Ich befriedige meine Bedürfnisse. Nun gib mir noch schnell die dazu nötige Technik an die Hand, die Methode, die es mir autonomen, selbstbestimmten Menschen möglich macht, alles unter Kontrolle zu bekommen, mein Glück selbstständig zu verwirklichen.
Das menschliche Glücksprogramm scheint irgendwie, durch einen verborgenen Virus korrumpiert, schlussendlich zum Absturz führen zu müssen.
Merken Sie, wie man in dieser Konstellation, wenn man sie einmal von außen betrachtet, unwillkürlich Platzangst bekommt? Auf der einen Seite Jesus mit der weit ausgestreckten Hand, in der das Geschenk Gottes liegt. Das Beziehungsangebot: Alles, was ich habe und bin, gebe ich für dich. Ich bin für dich da! Vertrau mir! – Und auf der anderen Seite dieser hektisch hortende Mensch, dieses klaustrophobisch in sich selbst verkrümmte und abgeschottete Wesen, das zwanghaft aus sich selbst leben will, statt sich der Quelle des Lebens anzuvertrauen. Der ständig seine Bedürfnisse meditiert und nach Techniken sucht, um sie zu befriedigen. Was für ein irres Bild, zumal es ständig untermalt ist von dem selbstgewissen Ruf: „Ich gehe geradewegs zu auf mein Glück. Und ich habe alles unter Kontrolle.“
Dieses Bild ist grotesk. Es ist düster. Die Situation ist völlig verquer. Das menschliche Glücksprogramm scheint irgendwie, durch einen verborgenen Virus korrumpiert, schlussendlich zum Absturz führen zu müssen. Und noch im Absturz ruft der autonome Mensch: „Ich habe alles unter Kontrolle.“ – Das ist wahre Dunkelheit. Hier fährt der Karren ungebremst vor die Wand!
Aber nun: Drei Worte, die die Situation kippen lassen: „Ruf deinen Mann!“ Drei Worte, die die ganze Illusion vom selbstbestimmten, kontrollierten, auf Bedürfnisbefriedigung zielenden Leben zerplatzen lassen, wie eine Seifenblase. Jesus stellt manchmal Fragen, die wirken wie ein gezielter Schuss beim Schiffe versenken. Sie heben die gesamte Statik einer Lebenskonzeption aus den Angeln: Schuss – Treffer – versenkt! Jesus bringt die verborgene Wahrheit ans Licht: Es ist nicht so weit her mit der Kontrolle. Es klappt nicht so reibungslos mit der Bedürfnisbefriedigung. Das Konzept vom Menschen als Steuermann auf seiner eigenen Reise zum Glück lässt sichtbare Risse erkennbar werden.
Fünf Männer hast du gehabt… Fünf Männer, die alle sicher ursprünglich als Weg zum Glück gedacht waren. Jede dieser Beziehung wurde in dem Enthusiasmus gestartet, dass der es nun endlich sei. Jeder als Indiz für den unstillbaren Lebensdurst, jene Sehnsucht nach Zuhause: Angenommen sein, geliebt werden. Und nun stehen sie da, als großes Mahnmahl des Scheiterns. Dieser unerfüllten Sehnsucht nach Beziehung. Enttäuschung über das Leben selbst. Sie bilden eine lange Kette, gemeinsam zeugend für die Zerbrechlichkeit der persönlichen Existenz.
Fünf Männer hast du gehabt… – Ich frage Dich: Was sind Deine „fünf Männer“? Sind es die fünf geschönten Einkommensteuererklärungen, durch die das zusätzliche Geld „erwirtschaftet“ wurde, um das Leben noch ein bisschen angenehmer zu gestalten? Sind es jene fünf Unaufrichtigkeiten, die zu dem Karrierevorteil führen sollten, weil diese Dich gegenüber Deinen Kollegen um das eine Quäntchen besser dastehen lassen? Oder reden wir hier von den fünf Lästereien in der Mensa neulich, mit denen wir unser Image, freilich auf Kosten der Kommilitonen, so nachhaltig verbessern konnten? Jesus erkennt den Lebensdurst auch hier: den Wunsch nach Beziehungen, der Wunsch etwas zu gelten vor den anderen. Und Jesus wendet sich nicht etwa angewidert ab. Im Gegenteil:
Jesus stellt manchmal Fragen, die wie ein gezielter Schuss beim Schiffe versenken wirken.
Er nimmt das sehr ernst. Er kennt die Bedürfnisse der Menschen. Er kennt den Lebensdurst. Er weiß um unsere verborgenen, auch unterbewussten Wünsche. Und er weiß auch um unsere langen, verzweifelten und vergeblichen Anstrengungen nach der Stillung dieses Lebensdurstes.
Und er bringt es ans Licht mit all dem Versagen. Nicht, um daraus eine sensationelle Enthüllungsgeschichte zu machen, damit alle hinterher mit Fingern auf dich zeigen und sagen: „Du bist ja ne Sau…“ Nein, er bringt es ans Licht, um Wahrheit in unsere kaputten Beziehungen zu bringen, um uns zu zeigen: „Schau, ich verstehe Deinen Lebensdurst. Aber so, wie du diesem Durst nachgehst, wird das nichts. Ich will dir helfen. Ich will mit dir sein. In einer Beziehung zu mir kannst du der werden, als der du von deinem Schöpfer erdacht worden bist. Glaube mir! Ich heile deine Beziehungen. Ich schenke dir einen Blick, der Menschen nicht länger als Verbrauchsmaterial sieht, als Mittel zum Zweck, als Verfügungsmasse für deine Bedürfnisbefriedigung, für deinen Erfolg, für deinen guten Ruf.“ – Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: ‚Gib mir zu trinken!‘, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser.
In Jesus ist das Geheimnis der Beziehung zwischen Gott und Mensch aufbewahrt. Er ist der Gott-Mensch, der Immanuel, der „Gott-mit-uns“.
Glück kann man nicht herbei manipulieren. Man kann sich des Glücks nicht bemächtigen. Es eröffnet sich selbst wie eine Blume. Es schenkt sich uns als eine Gabe, die wir aus Gottes Hand wie ein Kind empfangen müssen. „Unser tägliches Brot gib uns heute…“ In diesem Satz steckt eine ganze Haltung zum Leben. Wir plündern diese Erde nicht aus. Wir nehmen uns nicht als die Herrenmenschen, was wir können. Wir konsumieren nicht. Sondern wir empfangen aus Gottes Hand die Gaben, die er uns gibt. Die Dinge zum Leben. Auch die Menschen, die uns anvertraut sind. Unseren Beruf, den wir als Berufung Gottes verstehen. Die Bildung, die wir in der Schule empfangen und die dem Ziel dient, zu Seinem Ebenbild gestaltet zu werden. Wenn wir die Gaben aus Gottes Hand nehmen, wenn wir uns von ihm beschenken lassen, dann wächst die Beziehung, auf die Jesus die Samaritanerin hier hinweist: In Jesus ist das Geheimnis der Beziehung zwischen Gott und Mensch aufbewahrt.