Zukunftsträume. Corinna Lindenmayr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Corinna Lindenmayr
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783967526547
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dauern noch an, aber ich verspreche dir, wir tun alles in unserer Macht stehende um es heraus zu finden. Aber der Grund warum ich eigentlich hier bin, ist, um dir zu sagen, dass wir euch wegbringen müssen.«

      »Nein.« Hannah sprang auf. Der Stuhl auf dem sie eben noch gesessen hatte, fiel mit einem dumpfen Krachen zu Boden. Wütend stemmte sie ihre Hände auf den Schreibtisch und funkelte den Mann ihr gegenüber an. »Das werde ich nicht zulassen. Nicht schon wieder.«

      Ihr ganzer Körper zitterte als sie das ganze Ausmaß dieser Worte zu begreifen begann. Wieder sollte sie alles aufgeben, ihre Freunde, ihr zu Hause und ihre Arbeit. Nach all der Zeit die sie gebraucht hatte um endlich mit ihrem Leben klar zu kommen, sollte es ihr einfach so wieder weggenommen werden. Mit ein paar simplen Worten, die doch eine so große Bedeutung hatten.

      »Hannah ihr seid in Gefahr. Wir gehen davon aus, dass dieser Anschlag an der Schule gezielt verübt wurde. Ich weiß, es ist schwer für dich zu begreifen, aber euer Leben hängt davon ab und ich werde kein weiteres Risiko mehr zulassen.« Sie hörte die Worte, klar und deutlich vernahm sie den Klang der Stimme des Kommissars, doch sie konnte und wollte es nicht wahrhaben. Es durfte nicht sein. Nicht schon wieder. »Nein.« wiederholte sie daher energisch.

      »Du musst jetzt nach Hause gehen. Dort wird einer meiner Männer auf dich warten.« Herr Wiesner stand ebenfalls auf, lief um den kleinen Tisch herum und trat zu ihr. Dann legte er ihr die Arme auf die Schulter und drehte sie so, dass sie ihn anschauen musste.

      Hannah versuchte sich aus seinem Griff zu lösen. Sie wollte nichts mehr hören. Keine weiteren Erklärungen oder Vorschriften. Sie wusste wie das enden sollte. Aber sie war nicht gewillt, das zu akzeptieren. Dieses Mal nicht. All die Jahre hatte sie keine Chance gehabt, war einfach mitgezerrt worden, ob es ihr passte oder nicht. Jetzt war sie diejenige die Entscheidungen traf. Nicht mehr ihre Eltern. Und sie würde sich ganz bestimmt nicht schon wieder so aus ihrem Leben reißen lassen, als wäre es lediglich ein verdammtes Drehbuch, dass man je nach Belieben ändern konnte wie es einem gerade passte.

      Entschlossen starrte sie Herrn Wiesner an. »Ich werde nicht verschwinden.« Sie machte erst einen, dann noch einen Schritt zurück. »Das meine ich ernst.«

      »Hannah, du kannst nicht ändern was damals geschehen ist. »Abwehrend hob Herr Wiesner die Hände in die Luft während er um sie herum lief. »Aber du musst jetzt das Richtige tun.« Damit ging er zur Tür, öffnete sie und verschwand. Ließ sie allein, mit all den Informationen und Fragen die durch ihren Kopf rauschten, wie eine Flutwelle die einfach nicht verebben wollte. Hier stand sie nun, mit der Gewissheit, dass ihr Vater ein Krimineller war, der nicht nur sein eigenes, sondern das Leben von ihnen allen verpfuscht hatte und der erbitterten Tatsache, dass sich ihr so mühsam aufgebautes normales Leben erneut in Luft auflöste.

      Sie musste hier raus. Aber was dann? Ihr Bruder lag hier und wo sollte sie hin? Zu Hause würde ein weiterer Agent auf sie warten, der sie von hier fortbringen wollte.

      Sie hatte gar keine andere Alternative. Sie war gefangen in ihrer Vergangenheit und nichts und niemand konnte daran etwas ändern. Erneut sollte sie ihr altes Leben aufgeben und dem Weg folgen, den das Schicksal ihr vorgelegt hatte.

       5. Kapitel

      

      

      

      

      

      

      

      

      Als Undercover-Agent hatte er schon viele verschiedene Einsätze gehabt. Nicht selten an Orten, die man im normalen Leben eher nicht unbedingt freiwillig betreten würde. Die Einsätze waren oft sehr lang und eintönig, es gab Zeiten da war er monatelang immer nur am gleichen Ort mit den gleichen Menschen gewesen, hatte sein normales Leben vollkommen seinem, dem Einsatz erforderlichen, untergeordnet. Das war nicht immer leicht, aber bislang hatte ihn das nie besonders gestört. Er war gern ungebunden und frei und die Arbeit hatte ihn befriedigt und seine Vergangenheit vergessen lassen, zumindest konnte er sich das einreden. Auch jetzt, als er diese Art von Tätigkeit aufgegeben hatte und fast ausschließlich als Personenschützer arbeitete, befand er sich immer mit einem Schritt zu nah an der Zielscheibe. Aber das war es, was sein Leben ausmachte. Er kannte nichts anderes.

      Nun sollte er für die Sicherheit von Hannah Christensen sorgen.

      Es war Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet dieser Auftrag viel zu sehr mit seiner Vergangenheit kollidierte, ihn an Dinge erinnerte, die er am liebsten für immer vergessen würde. Aber so sehr er sich das auch wünschte, es ging nicht. Er hatte alles ausprobiert. Von Alkohol über Frauen bis hin zu seiner Arbeit. Nichts hatte geholfen. Es gab immer wieder Momente, da holte ihn seine Vergangenheit einfach ein und er konnte rein gar nichts dagegen tun.

      Tom runzelte die Stirn als er eine aktuelle Aktennotiz las.

      Er wusste, dass Hannah einen kleinen Bruder hatte, aber man sollte sich nur um sie kümmern. Von Max stand hier kein Sterbenswörtchen. Niemand war abgestellt worden, um ihren Bruder zu beschützen. Da er den Anschlag überlebt hatte befand er sich aber eigentlich genauso in Gefahr wie Hannah.

      Er klappte sein Notizbuch zu und starrte aus dem Fenster des gemütlichen kleinen Häuschens. Die Wände waren in einem fröhlichen gelb gestrichen und draußen in dem kleinen Vorgarten blühten neben einem weinroten Ahorn ein paar weiße Rosen. Die Zufahrt entlang war eine Hecke aus wildem Buchs gepflanzt und direkt vor der Eingangstür waren ihm zwei Rhododendrenbüsche aufgefallen. Nicht, dass er sich damit besonders auskannte. Dort wo er aufgewachsen war, hatte es immer einen Gärtner gegeben.

      Unwillkürlich musste er wieder an seinen Vater denken. Wobei ihm dieses Wort dafür nicht unbedingt gefiel. Er war sein Erzeuger, derjenige, der zur Hälfte dafür verantwortlich war, dass es ihn gab. Mehr nicht.

      Seine Mutter war schon lange tot. Gestorben durch einen tragischen Unfall, wobei er auch nach all den Jahren noch daran zweifelte, dass es ein solcher gewesen war. Vielmehr glaubte er daran, dass hinter diesem Ereignis Absicht steckte. Aber das konnte er nicht beweisen. Und nach all den Jahren sollte es auch keine Rolle mehr spielen. Es war passiert. Selbst wenn er den Fall aufklären würde, änderte das nichts daran, dass seine Mutter nicht mehr am Leben war.

      Er legte seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Die Erinnerungen strömten über ihn ein, langsam und rücksichtslos holten sie ihn dorthin zurück wo er schon lange nicht mehr sein wollte.

      All die schrecklichen Ereignisse seiner Vergangenheit, die er so krampfhaft versuchte zu vergessen waren plötzlich wieder da, als wären sie nie fort gewesen. Unaufhaltsam und mit einem dumpfen Aufprall schlugen sie wie Gesteinbrocken in seine Gedanken. Einer nach dem anderen. Immer und immer wieder. Bis die komplette Fassade zerbrach und er nur noch ein Schatten davon war, was er geglaubt hatte zu sein. Er hasste diese Flashbacks. Aber egal was er versuchte, er konnte sie einfach nicht kontrollieren.

      Es war wie ein Rausch. Oder Fliegen. Oder eine Kombination aus Beidem.

      Er wusste nur, dass es sich genau so anfühlte, wie es sein sollte. Auch wenn es, betrachtete man es genauer, natürlich falsch war. Aber eben das war ja erst der Reiz daran. Jahrelang war er jemand gewesen, der stets das Richtige tun wollte. Es tun musste. Sein Vater war bis zu seinem Tod mit Leib und Seele Soldat. Für ihn hatte immer nur Zucht und Ordnung eine Rolle gespielt. Fehler duldete er nicht. Daher hatte er auch selten eine gemacht. Und wenn doch, dann hatte er gelernt sie zu vertuschen. Ja, das Leben war hart zu ihm gewesen. Aber jetzt war es vorbei. Von nun an gab es niemanden mehr der ihm etwas vorschreiben konnte. Nach all der Zeit war er endlich Herr seines Lebens geworden.

      Vielleicht sollte er so etwas wie Reue oder Skrupel verspüren. Doch da war nichts. Nicht ein klitzekleiner Hauch davon. Die Versuchung war einfach zu groß gewesen und letztendlich konnte man einem Menschen ja auch nicht verübeln, wenn er nach den Sternen griff. Oder in seinem Fall nach dem Geld. Verdammt viel Geld.

      Er


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