„Ich würde sie liebend gerne hören“, sagte Tyler.
Ann Marie sagte: „Naja, ich denke, dass sie eine Weile lang eingefroren gewesen ist, bevor sie hier begraben wurde. Das könnte die ungewöhnliche Erhaltung erklären.“
Sie zeigte auf einen Fleck am Hals und fügte hinzu: „Sehen Sie diese Risse? Die sehen für mich nach Frostschäden aus, nicht nach normaler Verwesung.“
„Na, verdammt“, sagte er. „Ich habe mir so ziemlich dasselbe gedacht.“
Nun sagte Ann Marie in einem etwas flirtendem Ton, während sie ihm zuzwinkerte: „Naja, Sie wissen schon, große Geister denken gleich.“
Tyler schielte neugierig. Dann sagte er zu ihr: „Hey, haben Sie gesagt, dass ihr Nachname Esmer ist?“
Ann Marie nickte.
Tyler fragte: „Sie sind nicht zufällig mit Sebastian Esmer drüben in Georgetown verwandt?“
Ann Maries Augen funkelten.
„Er ist mein Dad“, sagte sie mit einem Unterton von Stolz.
Tylers Lächeln wurde breiter.
„Ich hätte es wissen sollen“, sagte er mit einem Kopfschütteln. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“
„Ich nehme an, das stimmt“, sagte Ann Marie.
Riley war nun durch und durch verblüfft.
Wer ist dieses Mädel? dachte sie.
Und warum zum Teufel weiß sie so gut über Leichen Bescheid?
Doch nun war nicht die Zeit, um all das zu klären. Sie wusste immer noch nicht genau, was sie hier eigentlich sollten.
Sie fragte den Sheriff und den Gerichtsmediziner: „Wurde die Todesursache festgestellt?“
„Vielleicht“, sagte Sheriff Wightman.
„Wir sind uns aber nicht sicher“, fügte Tyler hinzu. „Ich zeige Ihnen, was ich meine.“
Riley ging neben Ann Marie und Tyler vor der Leiche in die Hocke.
Tyler zeigte auf einen Bereich, an dem das Kostüm aufgeschnitten war, um eine Wunde in der Mitte der Brust offenzulegen.
„Sie wurde durch das Brustbein mitten ins Herz gestochen“, sagte Tyler. „Aber nicht mit einem Messer.“
Er fuhr an der merkwürdigen Wunde mit dem Finger entlang und fügte hinzu: „Wie Sie sehen können, ist die Öffnung beinahe exakt rund. Es sieht so aus, als wäre sie mit etwas extrem Scharfem und Zylindrischem erstochen worden.“
Ein Pfahl durchs Herz? fragte Riley sich, während Ann Marie ein Foto der Wunde machte. Sicherlich nicht.
Doch die Einzelheiten des Mordes kamen ihr von Minute zu Minute immer merkwürdiger vor.
Riley fragte: „Haben Sie eine Vermutung, welche Art Waffe möglicherweise benutzt wurde?“
Bevor Tyler antworten konnte, japste Ann Marie.
„Oh, schauen Sie sich das an!“, sagte sie.
Nun machte sie Fotos von Markierungen auf dem Kostüm.
Tyler sagte: „Ja, die sind wirklich komisch. Schauen Sie mal hier.“
Er zeigte Riley und Ann Marie eine andere Stelle, an der er das Kostüm zerschnitten hatte, um einen besseren Blick auf die Leiche werfen zu können. Dort konnte man sehen, dass die Markierungen auf dem Kostüm mit Einkerbungen auf dem Körper übereinstimmten. Es sah so aus, als wäre der Körper mit etwas Schwerem und Hammerähnlichem geschlagen worden.
Was Riley besonders auffiel, was die komische Form der Markierungen. Sie hatten eine Art Birnenform, waren jedoch in der Mitte geteilt. Bevor Riley in der Lage war zu überlegen, an was genau sie das erinnerte, meldete Ann Marie sich zu Wort.
„Sie sehen aus die Hufabdrücke.“
„Das finde ich auch“, sagte Tyler.
Riley spürte einen Stich der Verwirrung.
Sie fragte: „Wollen Sie sagen, dass die Frau von irgendeinem Paarhufer zu Tode getrampelt wurde?“
Tyler schüttelte den Kopf. „Ich will noch gar nichts sagen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob diese Abdrücke vor oder nach der Wunde in der Brust entstanden sind. Aber meine Vermutung ist, dass sie erst nachher dazukamen, nachdem das Opfer bereits erstochen worden war.“
Ann Marie japste erneut.
Sie sagte: „Und das Objekt, das sie erstochen hat, hat die Form eines Horns! Als wäre sie aufgespießt worden!“
„So sieht es aus“, sagte Tyler.
Riley konnte kaum glauben, was sie da hörte.
Sie sagte: „Wollen Sie sagen, dass diese Frau von irgendeinem großen Tier aufgespießt worden ist, welches dann auf ihrem Körper rumgetrampelt ist?“
Tyler zuckte mit den Schultern: „Wie schon gesagt, noch will ich gar nichts sagen.“
Ann Marie fragte: „Aber von welchem Tier reden wir möglicherweise?“
Sheriff Wightman meldete sich mit einer überraschenden Note der Sicherheit in der Stimme.
„Von einer Ziege.“
Riley schaute zum Sheriff. Sie konnte seinem Gesichtsausdruck ansehen, dass er das, was er soeben gesagt hatte, ernst meinte.
„Ich verstehe nicht“, sagte Riley.
„Ich auch nicht“, sagte Wightman. „Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass weitere Leute zu Tode kommen werden, wenn wir dem hier nicht ein Ende setzen. Ich zeige Ihnen wieso, wenn wir auf dem Revier sind. Ich hoffe, dass er für Sie von der Verhaltensanalyse irgendeinen Sinn ergeben wird. Meinen Sie Tyler und sein Team können die Leiche jetzt abtransportieren?“
„Ja, das ist in Ordnung“, sagte Riley.
Als Tyler begann seinem Team Anweisungen zu geben, sagte Wightman zu Riley und Ann Marie: „Lassen Sie uns zum Revier fahren. Sie können mir mit ihrem Auto folgen. Wenn wir dort angekommen sind, gebe ich Ihnen einen kompletten Bericht darüber, was wir bisher wissen.“
Riley war ganz verwirrt, als sie und Ann Marie zurück zu ihrem Auto liefen. Dieser Mord war merkwürdiger, als sie sich hätte vorstellen können – zu merkwürdig, vermutete sie, dass die örtliche Polizei alleine damit fertig werden könnte.
Würde sich das alles hier doch als echter Fall für das FBI herausstellen?
Während sie und ihre neue Partnerin ins Auto stiegen und begannen dem Wagen des Sheriffs zu folgen, begann etwas anderes Riley zu beschäftigen – Ann Maries Verhalten am Tatort. Es hatte den Eindruck gemacht, als hätte der Gerichtsmediziner mehr über Ann Marie gewusst, als Riley es tat. Das musste sich ändern.
Riley versuchte sich zu überlegen, wie sie das Thema taktvoll ansprechen könnte. Aber ihre Ungeduld übermannte sie und als sie sich an Ann Marie wandte, platzte es ihr einfach heraus: „Wer bist du eigentlich?“
KAPITEL SECHS
Als diese vier herausgeplatzten Worte durch das Auto hallten, bereute Riley sofort die Direktheit ihrer Frage.
„Wer bist du eigentlich?“
Anne Marie starrte sie überrascht an. Die Neue versuchte zu verstehen, was Riley fragen wollte.
Riley stammelte: „Was ich damit meine… Du weißt gut über Leichen Bescheid… und der Gerichtsmediziner schien zu wissen, wer du bist… und…“
Ann Marie lächelte.
„Ach, das“, sagte sie. „Ja, ich nehme an, ich muss einen, Sie wissen schon, etwas makabren Eindruck gemacht haben vorhin. Naja, ich bin mit Leichen aufgewachsen.“
„Hä?“, sagte Riley.
„Mein