„Das wusste ich nicht“, sagte Lyril.
„Auch sonst niemand, wenn er sich daran erinnert, dass ich sein Freund bin“, sagte Vars. Er und Lyril gingen weiter durch die Menge und langsam trennten sich ihre Wege. Er konnte sehen, wie sie die Frauen musterte und versuchte zu entscheiden, ob sie weniger hübsch waren als sie oder schwächer oder einfach unter ihrem Niveau. Vermutlich versuchte sie auch, alle Vorteile herauszufinden, die sie daraus ziehen könnte. Diese Einschätzung offenbarte eine gewisse Härte, die Vars gefiel. Vielleicht war das ein Teil dessen, warum er so lange bei ihr war.
„Natürlich ist das ein weiterer Grund, morgen nicht an der Jagd teilzunehmen“, sagte er. „Wenn alle Idioten weg sind, kann ich tun, was ich will und vielleicht Dinge zu meinem Vorteil einrichten.“
„Habe ich etwas von der Jagd gehört?“
Die Stimme seines Bruders war so dröhnend und raubeinig wie immer. Vars wandte sich an Rodry und erzwang das Lächeln, das er in so vielen Jahren seiner Kindheit gelernt hatte.
„Rodry, Bruder“, sagte er. „Ich hatte nicht bemerkt, dass Du zurück bist … wo waren Du und der Vater noch einmal?“
Rodry zuckte mit den Schultern. „Du hättest kommen und es herausfinden können.“
„Ah, aber Du warst sehr in Eile“, sagte Vars, „und Du bist derjenige, der für ihn wichtig ist.“
Wenn Rodry die Schärfe bemerkte, zeigte er es nicht.
„Komm schon“, sagte Rodry und klopfte ihm auf den Rücken. „Geselle Dich zu mir und meinen Freunden.“
So wie er es sagte, klang die Aussicht, sich dem Haufen junger Narren anzuschließen, die ihn beinahe als Helden verehrten, eher nach einem großartigen Geschenk als dem Horror, für dessen Vermeidung Vars solides Gold bezahlt hätte. Sie benahmen sich so, als seien sie die Ritter seines Vaters, aber noch keiner von ihnen hatte sich einen Namen gemacht. Sein Lächeln wurde angespannter, als er in ihre Mitte trat, und er griff zur willkommenen Ablenkung nach einem Becher Wein. In nur kurzer Zeit war dieser verschwunden, also griff er nach einem weiteren.
„Wir reden über Jagden, an denen wir teilgenommen haben“, sagte Rodry. „Berwick sagt, dass er einmal einen Eber mit einem Dolch besiegt hat.“
Einer der jungen Männer dort verbeugte sich und Vars wollte ihm ins Gesicht treten. „Ich wurde zweimal durchbohrt.“
„Dann hättet Ihr vielleicht einen Speer benutzen sollen“, sagte Vars.
„Ich habe meinen Speer auf dem Trainingsgelände des Hauses der Waffen zerbrochen“, sagte Berwick.
„Wann warst Du das letzte Mal auf dem Trainingsgelände, Bruder?“, fragte Rodry und wusste offensichtlich die Antwort. „Wann wirst Du Dich den Rittern anschließen, wie ich?“
„Ich trainiere mit dem Schwert“, sagte Vars, wahrscheinlich etwas defensiver als er sollte. „Ich denke nur, dass es nützlichere Dinge gibt, als jeden wachen Moment damit zu verbringen.“
„Oder behagt Dir vielleicht der Gedanke nicht, Dich einem Feind zu stellen, der bereit ist, Dich niederzuschlagen, Bruder?“, sagte Rodry und klopfte Vars auf die Schulter. „So wie Du es nicht magst, auf die Jagd zu gehen, weil Dir etwas passieren könnte.“
Er lachte und das Grausamste war, dass sein Bruder es wahrscheinlich nicht einmal als verletzend ansah. Rodry ging einfach nur relativ sorglos durch die Welt.
„Nennst Du mich einen Feigling, Rodry?“, fragte Vars.
„Oh nein“, sagte Rodry. „Es gibt Männer, die draußen in der Welt kämpfen sollen, und andere, die besser dran sind, zu Hause zu bleiben, oder?“
„Ich könnte jagen, wenn ich wollte“, sagte Vars.
„Ah, der tapfere Ritter!“, sagte Rodry, und das brachte ein weiteres Lachen mit sich, niemand außer Vars schien die Grausamkeit zu erkennen, die darin lag. „Na dann solltest Du mit uns kommen! Wir fahren in die Stadt, um sicherzustellen, dass wir die Waffen haben, die wir für morgen brauchen.“
„Und das Fest verlassen?“, erwiderte Vars.
„Das Fest wird noch Tage dauern“, gab Rodry zurück. „Komm schon, wir können Dir einen schönen Speer aussuchen, damit Du uns zeigen kannst, wie man Eber jagt.“
Vars wünschte, er könnte einfach weggehen oder noch besser das Gesicht seines Bruders auf den nächsten Tisch schlagen. Vielleicht einfach so lange weiterschlagen, bis es zu Brei zerfallen war und er als der Erbe zurückblieb, der er immer hätte sein sollen. Stattdessen wusste er, dass er über die Brücken in die Stadt hinuntergehen musste – zumindest jedoch, fand er dort unten vielleicht jemanden, an dem er seine Wut auslassen konnte. Ja, Vars freute sich darauf und auf mehr. Vielleicht sogar darauf, eines Tages König zu werden.Für den Moment jedoch sagte ihm jener Teil von ihm, der ihn immer vor Gefahren bewahren wollte, dass er seinen Bruder besser nicht konfrontieren solle. Nein, das würde warten müssen.
Aber wer sich ihm in der Stadt in den Weg stellte, würde bezahlen.
KAPITEL FÜNF
Devin schwang seinen Hammer und schlug ihn auf den Metallklumpen, der zu einer Klinge werden sollte. Die Muskeln auf seinem Rücken schmerzten davon, und in der Hitze der Schmiede lief der Schweiß in seine Kleidung. Im Haus der Waffen war es immer heiß und so nahe an einer der Schmieden war es fast unerträglich.
„Du machst das gut, Junge“, sagte der alte Gund.
„Ich bin sechzehn, ich bin kein Junge“, sagte Devin.
„Ja, aber Du bist immer noch so groß wie einer. Außerdem seid ihr für einen alten Mann wie mich alle Jungs.“
Devin zuckte mit den Schultern. Er wusste, dass vom Äußeren her niemand in ihm den Schmied vermuten würde, aber er dachte; das Metall verlangte nach Nachdenken, um es wirklich zu verstehen. Die subtilen Abstufungen von Hitze und Stahlmustern, die den Unterschied zwischen einer fehlerhaft und einer perfekt geschmiedeten Waffe ausmachten, waren fast magisch, und Devin war entschlossen, sie alle zu kennen, um sie wirklich zu verstehen.
„Vorsichtig, sonst wird es zu sehr abkühlen“, sagte Gund.
Schnell brachte Devin das Metall wieder auf den richtigen Hitzegrad, beobachtete den Schatten, bis es genau der richtige Moment war und zog es dann heraus, um es zu bearbeiten. Es war nah dran, aber es war immer noch nicht ganz so wie es sein sollte. Etwas an der Schneide war nicht ganz perfekt. Devin wusste es so sicher, wie er seine rechte Hand kannte.
Er war noch jung, aber er kannte sich mit Waffen aus. Er wusste, wie man sie am besten herstellt und schärft … er wusste sogar, wie man sie handhabt, obwohl sowohl sein Vater als auch Meister Wendros entschlossen zu sein schienen, ihn davon abzubringen. Die Ausbildung, die das Haus der Waffen anbot, richtete sich an Adlige, junge Männer, die hierherkamen, um von den besten Schwertmeistern zu lernen, darunter auch der unglaublich geschickte und erfahrene Wendros. Devin musste das komplette Training alleine absolvieren, von Schwertern zu Äxten und Speeren zu Messern, Schneiden an Pfosten und hoffen, dass es richtig war.
Ein Lärm von der Vorderseite des Hauses lenkte kurzzeitig Devins Aufmerksamkeit von der Arbeit ab. Die großen Metalltüren vorne standen offen, sie waren perfekt ausbalanciert, sodass sie bei der kleinsten Berührung in Schwung gerieten. Die jungen Männer, die durch diese Türen soeben hereinkamen, waren eindeutig von edlem Geblüt und ebenso eindeutig leicht betrunken. Betrunken zu sein, war im Haus der Waffen eine gefährliche Sache. Ein Mann, der hier betrunken zur Arbeit erschien, wurde nach Hause geschickt, tat er es mehr als einmal, wurde er entlassen.
Sogar Kunden wurde die Tür gezeigt, wenn sie nicht nüchtern genug waren. Ein betrunkener Mann mit einer Klinge war ein gefährlicher Mann, auch wenn er es nicht beabsichtigte. Diese hier trugen jedoch königliche Farben, und etwas anderes zu sein als unterwürfig, bedeutete, mehr zu riskieren, als nur die Arbeit, mit der man sein täglich Brot verdiente.
„Wir