Dort saß ein Mann mit gekreuzten Beinen an einer der wenigen freien Stellen in einem Kreidekreis, umgeben von Kerzen. Er war kahl und er blickte sehr ernst drein – seine Augen waren auf Devin fixiert. Er trug üppige Roben, die mit Siegeln bestickt waren, und Schmuck, der mystische Muster verkörperte.
„Kennt Ihr mich?“, fragte Devin, als er näher kam.
Eine lange Stille folgte, sie war so lang, dass Devin sich fragte, ob er die Frage überhaupt gestellt hatte.
„Die Sterne sagten, wenn ich hier träume, würdest Du kommen“, sagte die Stimme schließlich. „Derjenige, der sein soll.“
Devin wurde klar, wer dieser Mann war.
„Ihr seid Meister Grey, der Magier des Königs.“
Er schluckte bei dem Gedanken daran. Sie sagten, dass dieser Mann die Macht habe, Dinge zu sehen, die kein vernünftiger Mann würde sehen wollen; dass er dem König den Moment des Todes seiner ersten Frau vorhergesagt hatte und alle gelacht hatten – bis der Ohnmachtsanfall sie überkam und ihr Kopf auf dem Stein einer der Brücken zersplittert war. Sie sagten, er könne in die Seele eines Mannes schauen und alles herausholen, was er dort gesehen habe.
Derjenige, der sein soll.
Was könnte das heißen?
„Ihr seid Meister Grey.“
„Und Du bist der Junge, der an dem unmöglichsten aller Tage geboren wurde. Ich habe gesucht und gesucht, und Du solltest nicht existieren. Aber Du tust es.“
Devins Herz raste bei dem Gedanken, dass der Magier des Königs wusste, wer er war. Warum sollte sich ein Mann wie dieser für ihn interessieren?
Und er wusste in diesem Moment, dass dies mehr als nur ein Traum war.
Dies war eine Begegnung.
„Was wollt Ihr von mir?“, fragte Devin.
„Wollen?“ Die Frage schien den Magier fast zu überraschen, wenn dies überhaupt möglich war.“Ich wollte Dich nur höchstpersönlich sehen. Dich an dem Tag sehen, an dem sich Dein Leben für immer verändern wird.“
Devin brannte mit Fragen, aber in diesem Moment griff Meister Grey nach einer der Kerzen um ihn herum und löschte sie mit zwei langen Fingern, während er etwas kaum hörbares murmelte.
Devin wollte vortreten, wollte begreifen, was vor sich ging, aber stattdessen spürte er eine Kraft, die er nicht verstehen konnte und die ihn rückwärts aus dem Turm zurück in die Dunkelheit zog.
„Devin!“, rief seine Mutter. „Wach auf, oder Du wirst das Frühstück verpassen.“
Devin fluchte und seine Augenlider flogen nach oben. Das Morgengrauen warf bereits die ersten Lichtstrahlen durch das Fenster des kleinen Hauses seiner Familie. Es bedeutete, dass er, wenn er sich nicht beeilte, nicht früh genug zum Haus der Waffen gelangte, er keine Zeit mehr für irgendetwas anderes haben würde, sondern sich direkt in die Arbeit stürzen musste.
Er lag schwer atmend im Bett und versuchte, die Schwere, die Echtheit der Träume abzuschütteln.
Aber wie er es auch versuchte, er schaffte es nicht. Es hing wie ein schwerer Umhang über ihm.
“DEVIN!“
Devin schüttelte den Kopf.
Er sprang aus dem Bett und beeilte sich, sich anzuziehen. Seine Kleider waren einfache, schlichte Stücke, stellenweise geflickt. Einige waren alte Kleidungsstücke seines Vaters, die ihm nicht gut passten, da Devin mit sechzehn Jahren immer noch schlanker war als er, nicht breiter als der Durchschnitt für einen Jungen in seinem Alter, auch wenn er etwas größer war. Er strich sich sein dunkles Haar aus den Augen, mit den Händen, die bereits ihren Teil an kleinen Brandflecken und Schnittwunden aus dem Haus der Waffen erhalten hatten, er wusste, dass es schlimmer werden würde, wenn er älter wäre. Der alte Gund konnte einige seiner Finger kaum bewegen, die anstrengende Arbeit hatte ihm so viel abverlangt.
Devin zog sich an und eilte in die Küche des Familienhäuschens. Er saß da und aß mit seiner Mutter und seinem Vater Eintopf am Küchentisch. Er moppte die Reste mit einem Stück hartem Brot auf und wusste, dass, auch wenn es einfaches Essen war, er es für den harten Arbeitstag im Haus der Waffen brauchen würde. Seine Mutter war so zart wie ein kleiner Vogel und neben ihm sah sie so zerbrechlich aus, dass es schien, als würde sie unter der Last der Arbeit, die sie jeden Tag leistete, zerbrechen, aber sie tat es nie.
Sein Vater war auch kleiner als er, doch er war breit und muskulös und hart wie Teakholz. Jede seiner Hände war wie ein Hammer, und auf seinen Unterarmen liefen Tätowierungen, die von anderen Orten erzählten, vom südlichen Königreich bis zu den Ländern auf der anderen Seite des Meeres. Es gab sogar eine kleine Karte, die beide Länder zeigte, aber auch die Insel Leveros und den Kontinent Sarras, der so weit weg über das Meer lag.
„Warum starrst Du auf meine Arme, Junge?“, fragte sein Vater mit rauer Stimme. Er war kein Mann, dem es jemals leicht gefallen war, Zuneigung zu zeigen. Selbst als Devin seine Arbeitsstelle im Haus bekommen hatte, selbst als er die Fähigkeit bewiesen hatte, Waffen zu schmieden, die denen der besten Meister in nichts nachstanden, hatte sein Vater kaum genickt.
Devin wollte ihm unbedingt von seinem Traum erzählen. Aber er wusste es besser. Sein Vater würde ihn demütigen, Eifersucht würde in ihm ausbrechen.
„Ich habe nur ein Tattoo entdeckt, das ich noch nicht gesehen habe“, sagte Devin. Normalerweise trug sein Vater längere Ärmel, und Devin war selten lange genug da, um genauer hinzusehen. „Warum hat dieses Sarras und Leveros darauf? Seid Ihr dorthin gegangen, als Sie ein …“
„Das geht Dich nichts an!“, schnappte sein Vater, das Maß seiner Verärgerung widersprach merkwürdigerweise der Einfachheit der Frage. Hastig zog er seine Ärmel herunter und band die Stege an den Handgelenken zusammen, sodass Devin nichts mehr sehen konnte. „Es gibt Dinge, nach denen Du nicht fragst!“
„Es tut mir leid“, sagte Devin. Es gab Tage, an denen Devin kaum wusste, was er seinem Vater sagen sollte; Tage, an denen er sich kaum wie sein Sohn fühlte. „Ich sollte mich auf den Weg zur Arbeit machen.“
„So früh? Du wirst doch wieder mit dem Schwert üben, oder?“, wollte sein Vater wissen. „Du versuchst immer noch, ein Ritter zu werden.“
Er wirkte wirklich wütend und Devin wusste einfach nicht warum.
„Wäre das so eine schreckliche Sache?“, fragte Devin vorsichtig.
„Kenne Deinen Platz, Junge“, spuckte sein Vater. „Du bist kein Ritter. Nur ein Bürgerlicher – wie der Rest von uns.“
Devin unterdrückte eine wütende Antwort. Er hatte mindestens noch eine Stunde, bevor er zur Arbeit gehen musste, aber er wusste, wenn er blieb, wäre ein Streit fast unumgänglich, so wie bei all den Streitigkeiten zuvor.
Er stand auf, machte sich nicht einmal die Mühe, sein Essen zu beenden, und ging hinaus.
Gedämpftes Sonnenlicht empfing ihn. Um ihn herum schlief der größte Teil der Stadt noch und sie lag ruhig in dieser frühesten Morgenstunde, selbst diejenigen, die nachts gearbeitet hatten, waren nach Hause zurückgekehrt. Es bedeutete, dass Devin die meisten Straßen für sich alleine hatte, als er sich auf den Weg zum Haus der Waffen machte und angestrengt, so schnell er konnte, über die Pflastersteine rannte. Je früher er dort ankam, desto mehr Zeit hätte er – in jedem Fall jedoch hatte er auch mitgehört, dass die Schwertmeister dort ihren Schülern sagten, dass diese Art von Übung unerlässlich sei, wenn sie Ausdauer im Kampf haben wollten. Devin war sich nicht sicher, ob einer von ihnen sie hatte, aber er hatte sie. Er würde jede Fähigkeit brauchen, die er nur erlangen könnte, wenn er Ritter werden wollte.
Devin ging weiter durch die Stadt, rannte schneller und härter und versuchte immer noch, die Überreste des Traumes abzuschütteln. War es wirklich eine Begegnung gewesen?
Derjenige, der sein soll.
Was könnte das heißen?
Der