»Noch nie von ihm gehört.«
»Voll qualifiziert. Sehr gut.«
»Aber er ist nicht Cohen.«
»Nein, Sir. Aber Paxton liegt nicht weit hinter ihr. Tatsächlich konnte er seine Talente mit Erlaubnis des Kongresses schon bei zwei Gelegenheiten unter Beweis stellen und amerikanische Geiseln befreien.«
Präsident Burroughs dachte darüber nach und knabberte dabei unterbewusst auf seiner Unterlippe herum. »Dann benutzen wir Paxton als Strohmann und lassen Cohen in Paxtons Schatten arbeiten. Aber ich möchte, dass Cohen die Leitung über das Team übertragen bekommt.«
»Mr. President«, protestierte Bohlmer sofort, »ich muss dagegen wirklich intervenieren. Wenn die Soldiers of Islam herausfinden, dass Cohen involviert ist …«
»Ihr Einwand wurde zur Kenntnis genommen, Jonas. Danke.« Dann wandte er sich an alle Anwesenden. »Gibt es noch weitere Vorschläge, die nicht die Leitung des Teams betreffen?«
Thornton lehnte sich nach vorn und zog die Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammen, so als hätte er über diese Sache schon einige Zeit gebrütet. »Mr. President, ich würde vorschlagen, dass wir zumindest den Anschein erwecken, weiterhin an unserem Grundsatz festzuhalten, nicht mit Terroristen zu verhandeln. Schließlich wollen wir nicht jeder degenerierten Gruppierung in diesem Land Tür und Tor für ihre Forderungen öffnen. Wir müssen ein internationales Bündnis auf die Beine stellen und deutlich machen, dass alle Zugeständnisse und Kompromisse von der internationalen Gemeinschaft beschlossen wurden. Auf diese Weise lastet die Schuld nicht allein auf unseren Schultern, wenn etwas schiefgehen sollte.«
»Mit anderen Worten schlagen Sie vor, wir sollen eine Situation schaffen, in der plötzlich alle Nationen betroffen sind – sicherheitshalber.«
»Ja, Sir. Das würde einer internationalen Ächtung vorbeugen, falls die Sicherheit des Papstes nicht gewährleistet werden kann.«
»Sie klingen nicht besonders optimistisch.«
»Ich versuche nur, alle erdenklichen Szenarien zu beleuchten, Sir.«
Präsident Burroughs begann, mit dem Fingern auf die Tischplatte zu trommeln. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. »Dann aktivieren Sie sämtliche unserer internationalen Verbindungen«, beschloss er schließlich. »Ich will ihre Meinung hören, ihre Vorschläge, und ich will, dass klar und deutlich wird, dass wir gemeinsam die Verantwortung in dieser Sache tragen, ganz gleich, ob es gut, schlecht oder mittelprächtig ausgehen wird.«
»Verstanden.«
»Außerdem möchte ich in meinem Büro eine Direktverbindung zu jedem Land, das Teil dieses Bündnisses ist. Und ich will über alles informiert werden, rund um die Uhr.«
»Ja, Sir.«
»Wir geben an die Medien nur das raus, was wir sie wissen lassen wollen. Wichtig ist, dass sie erfahren, dass es sich hier um einen internationalen Einsatz handelt. Falls irgendetwas schiefläuft, möchte ich nicht, dass dieser ganze Wahnsinn allein auf uns zurückfällt.«
Der Präsident musterte die Gesichter der Anwesenden. »Ich erwarte, dass gemäß der Richtlinien des Patriot Acts alle Organe konsequent zusammenarbeiten. Ich will, dass alle auf dem gleichen Stand sind. Das Einsatzteam des CIA wird alle Chat-Kanäle im Ausland überwachen, um jede verfügbare Information zu sammeln und diese an alle beteiligten Stellen weiterzuleiten. Soweit verstanden?«
Zustimmendes Gemurmel war zu hören.
»Das wär's, meine Herren. Dann können Sie ab heute unter Beweis stellen, dass Sie Ihr Geld wert sind. Also gehen Sie da raus und tun Sie das, was Sie am besten können.«
Sofort wurden die unterschiedlichsten Kräfte in Bewegung versetzt. Einige der Anwesenden hingen bereits an ihren Handys und instruierten ihre Berater, die internationalen Kontakte zu informieren, andere riefen einen Redakteursstab zusammen, um entsprechendes Material für die Medien vorzubereiten.
Nachdem sich der Situation Room geleert hatte, blieb Präsident Burroughs noch eine Weile schweigend sitzen, um die letzten Geschehnisse zu verdauen. Hier ging es ausschließlich um Politik, und trotz seiner ganz persönlichen Gefühle in dieser Sache war er sich seiner Rolle sehr wohl bewusst. Bei diesem Treffen war es nur darum gegangen, wie man vor den Augen der Weltöffentlichkeit das Gesicht wahrte. Das Leben von Papst Pius war dabei zweitrangig.
Der Präsident schloss seine Augen und seufzte. Er fühlte sich schmutzig.
Kapitel 10
Hauptquartier des Mossad, Tel Aviv, Israel | 23. September, nachmittags
Das hebräische Wort für »Institut« lautet Mossad und bezeichnet damit gleichzeitig Israels legendäre Organisation, die für das Sammeln von Geheimdienstinformationen und die Durchführung verdeckter Operationen bekannt ist. Der Mossad verfügt weltweit über 20.000 aktive Agenten und 15.000 Schläfer, darunter Agenten in den ehemals kommunistischen Ländern, den arabischen Nationen und dem Westen, einschließlich der Vereinigten Staaten von Amerika.
Das Political Action and Liaison Department des Mossad, kurz PALD, war für die Zusammenarbeit mit befreundeten Geheimdiensten und die Übermittlung von Daten und Aktualisierung der terroristischen Datenbank zuständig. An diesem Tag ging es in dem Department zu wie in einer Ameisenkolonie, gut strukturiert und mit einem schnellen und effizienten Arbeitstempo. Unaufhörlich trafen Nachfragen zu den Soldiers of Islam ein, von denen jene der Washingtoner Abteilungen des FBI und des CIA ganz weit oben auf der Liste standen.
Yosef Rokach saß mit einer brennenden Zigarette zwischen den Fingern an seinem Schreibtisch und ging die Berichte der Forschungsabteilung durch. Der Rauch seiner Zigarette wogte träge durch die Luft. In der Welt der Spionage war er als Sohn jüdischer Eltern geboren, die von der Hisbollah ermordet worden waren, und machte seinen Abschluss an der Universität von Jerusalem als einer der besten seines Jahrgangs. Doch in Wahrheit war er John McEachern, ein amerikanischer Staatsbürger, der in einem Vorort von Indiana aufwuchs und keinen einzigen Tropfen jüdischen Blutes in sich trug.
Nach seinem Abschluss an der Notre Dame University, wo er seinen Doktor in System- und Netzwerktechnologien in der gleichen Zeit erlangte, in der andere gerade einmal ihren Bachelor schafften, erhielt McEachern ein Praktikum beim CIA. Er arbeitete dort in den untersten Ebenen, ohne zu ahnen, dass man ihn bereits nach seinen Stärken und Schwächen beurteilte. Als sich herausstellte, dass er eine Affinität für die Sprachen des Mittleren Ostens besaß und diese mühelos und in erstaunlicher Geschwindigkeit erlernen konnte, rekrutierte man ihn als Schläferagenten. Nach vier Jahren Training, in denen er lernte, in schwierigen Situationen zu improvisieren und seinen Körper so zu beherrschen, um einen Lügendetektortest täuschen und einem Wahrheitsserum wie Sodiumpentothal widerstehen zu können, war John McEachern, Sohn irischer Eltern, bereit für den Einsatz.
Und nachdem ein gefälschtes Profil erstellt und in jedes bekannte System innerhalb der computerisierten Infrastruktur Israels eingebettet worden war, war Yosef Rokach geboren. Alle Nachforschungen über ihn ergaben, dass er streng gläubig, seinem Volk treu ergeben und ein Vorzeigebürger gemessen an jüdischen Standards war. Doch auch nach sieben Jahren im Dienst des Mossad war es ihm nicht gelungen, über einen niedrigen Rang innerhalb des PALD hinauszuwachsen.
Er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, drückte sie aus, ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Der Raum war groß und offen, ohne diese abgetrennten Bürozellen, welche die Sicht versperrten, aber vollgestopft mit Schreibtischen und Monitoren. Das Büro prahlte mit bombensicheren Glaswänden und einer High-Tech-Sicherheitsausstattung. Retina-Scanner sicherten bestimmte Bereiche für autorisiertes Personal ab. Computerprogramme mit Gesichtserkennung überwachten und identifizierten unentwegt alle Angestellten. Jede dieser Vorkehrungen ging von der Grundannahme aus, dass man erst einmal niemandem vertrauen konnte. Die Daten, die in diesem Büro bearbeitet wurden, galten als so wichtig, dass man ihnen einen weitaus größeren Wert als einem menschlichen