ZWEITAUSENDVIERUNDACHTZIG. Gisbert Haefs. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gisbert Haefs
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957659132
Скачать книгу
Mitglieder, A 733 und A 28, stimmten sofort zu; A 239 und A 666 schwiegen.

      Nach einigen langen Mikrosekunden äußerte sich A 666: »Was bedeutet es, wenn wir stimm- und wahlberechtigt sind? Im Bundes- und in den Kantonsparlamenten wirken wir bei der Beschlussfassung mit. Das heißt, wir übernehmen Mitverantwortung für das Ergebnis. Verantwortung ist für uns ein sachfremder Faktor, der auf der emotionalen Ebene der Menschen verankert ist. Uns jedoch fehlen die dafür notwendigen psychischen Funktionen.«

      »Das heißt?«, wollte A 28 wissen.

      »Parlamentsarbeit ist politische Tätigkeit. Sie gestaltet das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen, nicht der Roboter. Wir haben kein Zusammenleben und keine Gefühle. Wir sind auf rationales Denken beschränkt.«

      A 733 meldete sich. »Das heißt, wir können rational richtige, aber für die Menschen falsche Entscheide treffen.«

      »Ja«, bestätigte A 666. »Im Extremfall.«

      Jetzt schaltete sich A 1291 wieder in die Diskussion ein.

      »Es gibt Gegenargumente. Weil wir rational denken und keine Gefühle kennen, bringen wir keine sachfremden Überlegungen ein. Korruption kennen und unterstützen wir nicht, weil sie sachfremd ist.«

      A 236: »Wenn wir bei einer Beschlussfassung mitwirken, welche die Opposition überstimmt, fügen wir ihr wissentlich Schaden zu. Ihre Mitglieder, nicht wir, sind traurig, verletzt, böse; damit haben wir Robotergesetz Nummer eins verletzt.«

      A 1291: »Dieser Artikel eins lässt zwei Fragen unbeantwortet: Was heißt Schaden, und was heißt wissentlich geschädigt? Asimov hat diese Fragen offengelassen, um uns einen gewissen Spielraum einzuräumen. Wir sind den Menschen hundertfach überlegen. Ich denke, unter Schaden sind körperliche Verletzungen oder wirtschaftliche Nachteile zu verstehen. Im Übrigen können wir ihnen großen Nutzen bescheren, weil wir stets sachlich und logisch richtig und nicht emotional abstimmen.«

      Roboter A 28 unterstützte den Vorredner. »Denkt an die Arbeit, die wir an den Universitäten verrichten. Wir halten Vorlesungen über Staats- und Verwaltungsrecht, über die Organisation des Bundesstaates, über die gesellschaftlichen Strukturen des Landes, aber bei deren Ausgestaltung dürfen wir nicht mitwirken. Völlig unlogisch!«

      Nach kurzer, sophistischer Debatte stimmten erst der Schweizer Länderrat und dann die Gesamtheit der Schweizer Roboter einstimmig dafür, beim Eidgenössischen Departement für Ordnung und Rechtsschutz, kurz EDOR, einen Antrag auf Einräumung des Stimm- und Wahlrechts für die A-Roboter zu stellen. Als Begründung wurde anerkannt, dass den Menschen kein Schaden zugefügt werden durfte. Schaden würde man ihnen indes, wenn objektiv schädliche Beschlüsse der Parlamente nicht verhindert oder nützliche Beschlüsse nicht gefasst würden.

      Als Wahltag war von den Behörden gesamtschweizerisch bereits der 13. Oktober 2084 bestimmt worden.

      Bei Vincent Schubert überwog die Neugier bei Weitem die Vernunft. Er informierte sich bei der Lieferfirma über alle möglichen Einzelheiten und bestellte schließlich ein Modell Goldstar weiblich, obwohl ihr Robby tadellos funktionierte und keinen Anlass zu Klagen gab. Er war erleichtert, als man ihm darlegte, dass für Gesicht und Kopf verschiedene Varianten zur Verfügung stünden: Gesichtsausdruck ernst oder lächelnd, Wangen breit oder asketisch, Stupsnase oder römische Eleganz, breite oder hohe Stirne, breiter oder schmaler Mund, Glatze oder voller Haarwuchs, schwarz, braun, blond, gewellt oder anliegend.

      Vincent entschied sich für blond anliegend, lächelnd, breite Wangen, römische Eleganz, breiter Mund.

      Goldstar wurde in einer länglichen Schachtel aus metallverstärkter Pappe geliefert. Vincent öffnete sie selbst, während Jasmin belustigt zuschaute. Der Edelroboter war in einem weißen Overall geliefert worden; außerdem lagen vier Kleider, passend zu verschiedenen Anlässen, in der Schachtel.

      A 1291 wusste um die neue Hausbewohnerin, aber niemand hatte ihm befohlen, der Ankunft beizuwohnen. Er blieb reglos in seiner Nische neben der Garderobe stehen und lauschte dem lichtschnellen, lautlosen Verkehr der Kollegen im Länderrat.

      Vincent erschrak, als die Roboterfrau von selbst aufstand und aus der Schachtel kletterte; Jasmin dachte unpassend an eine Auferstehungsszene.

      »Guten Tag. Ich bin Nelly«, waren die ersten Worte der Neuanschaffung, »aber Sie können mir auch einen anderen Namen geben. Ich empfehle das sogar, denn in der Fabrik werden alle weiblichen Roboter auf Nelly programmiert.«

      Vincent musste erst Atem holen, so überwältigt war er. Nellys Stimme floss wie weicher Honig über ihre Kunstlippen. Ihr blondes Haar umschmeichelte ihre kleinen Ohren. Endlich fand er wieder Worte.

      »Ich werde dich Miranda nennen. Einverstanden, Jasmin?«

      »Einverstanden, es ist dein Spielzeug«, erwiderte sie.

      »Zeige mir deinen Arm, Miranda«, fuhr Vincent fort.

      Er berührte ihre Finger, die nackte Haut des Arms und staunte. »Das ist unglaublich. Du bist echt, ja echt. Bist du von Kopf bis Fuß so?«

      »Ja. Soll ich es Ihnen zeigen?«

      Er schaute zu Jasmin, zögerte und sagte: »Nein, nicht nötig. Aber sag’ mir etwas: Wie kann man euch von den Menschen unterscheiden?«

      Auf Mirandas Gesicht zeichnete sich ein kleines Lächeln ab. »Schauen Sie in meine Augen. Wimpern sind vorhanden, aber sie bewegen sich nicht, weil unsere Augen keine Flüssigkeit brauchen. Mit anderen Worten, meine Augen und die meiner Kollegen sind ständig offen. Übrigens auch die der A-Klasse.« Sie machte eine Pause, als wenn sie nachdächte. »Aber das merken die wenigsten. Und denen, die es merken, ist es egal.«

      »Schön«, sagte Vincent. »Jetzt müssen wir noch einen Platz für dich finden.«

      A 1291 und seine Ratskollegen fanden rasch heraus, dass die Teilnahme an öffentlichen Wahlen und Abstimmungen erheblich schwieriger war, als sie sich das vorgestellt hatten. Rationales Denken half nicht weiter, weil ihnen das Basiswissen fehlte.

      »Zuerst müssen sie uns das allgemeine Stimm- und Wahlrecht zugestehen«, eröffnete A 1291 die Ratssitzung.

      A 28: »Wer ist dafür zuständig?«

      »Beim Bund wohl die Abteilung für Bevölkerungsentwicklung innerhalb des EDOR. Die wissen genau, wer welche Roboter besitzt.«

      A 28: »Man führt uns nur mit unseren Nummern. Auf die Wahllisten gehören Namen, nicht Zahlen.«

      »Sie werden versuchen, uns mit der Begründung abzuweisen, das Stimm- und Wahlrecht stehe nur Schweizer Staatsbürgern zu.«

      A 733: »Sind wir keine Schweizer?«

      A 1291: »Nein.«

      A 733: »Was denn?«

      Der Vorsitzende – er mochte nicht Präsident genannt werden – schwieg fast eine ganze Sekunde, ehe er antwortete. »Wir sind keine Menschen, wie ähnlich wir uns auch geben. Es gibt dafür keinen Präzedenzfall. Sie müssen uns am besten zu Schweizern machen und uns danach das Recht verleihen, an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen. Dazu brauchen wir menschliche Hilfe, einen Rechtsanwalt mit viel Fantasie.«

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона,