Wenn die Träume laufen lernen 2: LANZAROTE. Gabriele Ketterl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriele Ketterl
Издательство: Bookwire
Серия: Wenn die Träume laufen lernen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691414
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Tüte.

      »Kein Problem, chica. Was muss ich auch im Eingang herumstehen, nicht wahr?«

      Ich biss mir schuldbewusst auf die Lippen und fand, dass es an der Zeit wäre, mein armes Opfer anzusehen. Also hob ich den Blick und betrachtete endlich den Mann, dem ich vor die Brust geknallt war.

      In dem Moment, in dem ich ihm in die Augen sah, in denen sich sein Lächeln widerspiegelte, wusste ich es.

      Ich hatte nie daran geglaubt, es sogar immer für ausgemachten Humbug gehalten. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass ich mich geirrt hatte.

      Es gab sie tatsächlich.

      Liebe auf den ersten Blick.

      Mir fehlten kurzzeitig die Worte und das passierte mir nicht oft. Hier, etwa zwanzig Zentimeter vor mir, stand eine jüngere Version von Carlos. Nun gut, nicht ganz. Die Haare des Fremden waren ein wenig länger, dafür aber heller. Seine Augen zeigten das gleiche samtige Dunkelbraun, waren aber einen Hauch schräger geformt. Ach, verdammt, musste der Kerl denn auch noch Mandelaugen haben? Er war ein paar Zentimeter kleiner als Carlos, ich schätzte ihn auf etwa eins fünfundachtzig, und seine Schultern nicht ganz so breit. Was mich ganz besonders faszinierte – und ich musste mich wirklich am Riemen reißen, um nicht zu sehr zu starren –, war sein Mund. Dieser Mann hatte wahrscheinlich den schönsten Mund, die wundervollsten Lippen, die ich jemals zu Gesicht bekommen hatte.

      Himmel noch eins. Es wurde Zeit, dass ich mich normal benahm, und zwar schnell.

      Er half mir dabei.

      Schmunzelnd bückte er sich und sammelte die letzte Kräuterpackung und meine Zigaretten auf. Ich hielt ihm die Tüte hin und er warf alles hinein.

      »Marlboro Lights, eine gute Wahl.« Er legte den Kopf schräg und musterte mich eingehend. »Ich frag noch mal, alles okay bei dir? Hast du dir wehgetan?«

      Ich versuchte krampfhaft, meine Emotionen in den Griff zu bekommen und eine vernünftige Antwort von mir zu geben. »Nein, danke der Nachfrage, bei mir ist alles in Ordnung«, gelangen mir schließlich die coole Antwort sowie ein Lächeln. »Aber ich bin ja auch in dich gerannt. Hab ich was kaputt gemacht? Irgendwas Wichtiges?«

      Ihm entglitten für eine Sekunde die Gesichtszüge, dann lachte er schallend los. »Der war gut. Ehrlich, chica, du bist cool. Nein, so weit ich fühlen kann, sind alle wichtigen Körperteile heil.« Nun lächelte er wieder und das war gar nicht gut für meine Konzentration. »Aber nur für den Fall, dass Folgeschäden auftreten, würde ich dich gerne wiedersehen.«

      »Äh ja, gerne, denke ich.«

      »Denkst du? Das ist doch schon mal ein Anfang. Also, ehe dir die Arme ganz abfallen wegen der schweren Tüte … gib sie mir, ich helfe dir. Ich hab gerade nichts Besseres vor.«

      »Äh, wolltest du nicht einkaufen?« Verflixt, ich musste mit diesem dämlichen »Äh« aufhören, und zwar schnell!

      »Das kann warten, nun gib schon her. Wo sollen deine Einkäufe hin?«

      »Eigentlich nur da hinten in den Jeep.«

      Er griff nach der Tüte und blickte in die Richtung. »Oha, Costa Azul? Sehr beeindruckend, arbeitest du dort?«

      Ich nickte. »Ja, im Animationsteam, seit knapp sechs Wochen.«

      »Prima, das ist ja ein netter Zufall. Mein bester Freund arbeitet dort bei der Security, oder vielmehr für den Chef der Security.«

      Die paar Schritte zum Wagen waren schnell getan und er stellte die Tüte vorsichtig auf den Rücksitz, ehe er sich mir wieder zuwandte.

      »Vielleicht kennst du ihn. Alex heißt er.«

      Ich strahlte ihn erfreut an. »Klar kenne ich ihn, er hat uns damals vom Flughafen abgeholt.«

      Er steckte die Hände in die Taschen seiner kunstvoll zerrissenen Jeans und musterte mich mit einem seltsamen Lächeln. »Dann hat er dieses Mal tatsächlich keinen Mist erzählt.«

      Nun war ich endgültig überfordert. »Wie? Mist?«

      »Nun ja, als er in der Nacht nach Hause kam, erzählte er von einer bildhübschen, richtig tollen Blondine mit magischen, hellen Augen. Wenn du jetzt noch Cara heißt, dann hat er nicht gelogen.«

      Es war mir lange nicht mehr passiert, doch nun fühlte ich, dass ich rot wurde – und zwar so richtig. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. »Vielen Dank für die Blumen. Dass ich aus Verlegenheit rot werde, hat schon lange niemand mehr hinbekommen, Glückwunsch.«

      Sein Lächeln wurde noch breiter. »Ha, freut mich. Und du musst Cara sein, denn er hat auch gesagt, du seist witzig und schlagfertig.«

      »Ömpf, hattet ihr an dem Abend noch ein anderes Gesprächsthema?«

      »Ja, aber das willst du nicht wissen.« Er hielt mir eine Hand entgegen.

      »Wird Zeit, dass ich mich vorstelle. Ich bin Manuel.«

      Ich ergriff sie. Alleine schon sein Händedruck war perfekt, kernig und ehrlich. Vorsichtig bewegte ich meine Finger, nachdem er sie losgelassen hatte. Ich musste mir kleinere Ringe zulegen.

      »Zurück zu meiner Bemerkung von vorhin. Ich würde dich tatsächlich gerne wiedersehen. Ich weiß schließlich nicht, ob nicht doch was kaputt ist. Wird sich noch rausstellen.« Sein jungenhaftes Grinsen war anbetungswürdig.

      Ich konnte gar nicht anders, als zuzustimmen. »An was hast du denn gedacht?«

      »Hm, heute hab ich leider schon was vor und morgen muss ich abends arbeiten. Aber ich schätze, du musst sowieso für die Show im Club sein, oder?«

      »Ja, wir haben morgen die große Samstagsshow. Wir sind um elf Uhr fertig. Dann noch abschminken, denn als Magenta laufe ich nun doch nicht durch die Gegend.«

      »Magenta? Die aus der Rocky Horror Show? Das stelle ich mir verdammt heiß vor! Aber abgesehen davon, was hältst du davon, mich in der Diskothek, in der ich arbeite, zu besuchen? Das Winston liegt in der Altstadt, im eigentlichen Puerto del Carmen. Ich würde mich echt freuen.«

      Ich dachte nicht lange nach. Ich wollte ihn ja schließlich wiedersehen.

      »Ich denke, das lässt sich machen. Kann ich ein paar Leute vom Team mitbringen?«

      Er strahlte mich an. »Je mehr desto besser. Ich mache auch die Werbung für den Laden, warte mal.«

      Er suchte in seiner Hosentasche und förderte schließlich einige Visitenkarten zutage. »Hier, wenn ihr die abgebt, denkt mein Chef, ich wäre überdurchschnittlich fleißig gewesen.«

      Schmunzelnd nahm ich die Karten entgegen. »Na, dann wollen wir doch einmal was für dein Image tun. Also sehen wir uns morgen Abend.«

      »Das will ich hoffen. Ich wollte sagen, das wäre schön. Bis morgen also, Cara.«

      »Bis morgen, Manuel.«

      Ein letztes Lächeln und er stapfte in seinen ausgesprochen cool aussehenden Cowboystiefeln in Richtung Supermarkt.

      Ich musste mich zwingen, in den Wagen zu klettern und loszufahren, denn ich hätte ihm gerne noch hinterhergestarrt. Aber schließlich war ich eine erwachsene Frau und kein pubertierender Teenager. Hölle noch eins, warum musste der Kerl aber auch so verdammt gut aussehen? Warum brachte er mein Herz zum Rasen, warum konnte ich kaum mehr atmen und warum war mir so verdammt heiß?

      Zurück im Club, lud ich meine Einkäufe aus, erkundigte mich an der Rezeption, ob noch etwas anstehen würde, und als dies verneint wurde, eilte ich in meine Wohnung. Dort packte ich aus, briet die Lendensteaks an und legte sie samt Rotwein, Gewürzen und frischen Kräutern in eine Pfanne mit Deckel, um sie auf kleiner Hitze garen zu lassen. Danach setzte ich die Kartoffeln in Salzwasser auf und ließ auch sie auf kleiner Flamme köcheln. Der Nachtisch war schnell vorbereitet. Frische Früchte schneiden, mit dem Vanillequark vermischen, zwei Esslöffel meines geliebten Licor 43 dazu mischen und ab in den Kühlschrank.

      Während alles leise vor sich hin garte,