Wie hatte der Mörder Trotters an Deck bekommen?
Der kürzeste und einfachste Weg war der über der Treppe. Aber dieser Weg war sehr gefährlich, da sämtliche Kabinen passiert werden mußten.
Gab es einen anderen Weg …?
Parker wendete sich der Eisentür zu, die, oval geschnitten, in einem starken Rahmen saß. Er entsann sich der rußigen Fingerspuren und suchte nach ihnen.
Aber das weißlackierte Metall war blitzblank. Die Spuren waren verschwunden. Der Mörder hatte sich noch nicht die Initiative aus der Hand nehmen lassen.
Leider ließ sich die Tür nicht öffnen.
Parker bemühte sich erst gar nicht, sein Spezialbesteck aus der Tasche zu holen. Der Butler war wirklich alles andere als ängstlich, aber allein wollte er diese Nachforschungen nicht anstellen. Dem Mörder sollte es nicht zu leicht gemacht werden.
Parker ging zurück in seine Kabine und wartete auf seinen Chef Mike Rander, der nach einer guten Stunde erschien. Auf den ersten Blick wußte der Butler, daß Mike Rander nichts Wesentliches in Erfahrung hatte bringen können.
Genauso war es dann auch.
»Sie wissen alle von nichts«, sagte Mike Rander. »Die Freundschaft zwischen Clark und Manners wurde mir bestätigt … Die Leute haben auf mich auch tatsächlich einen vollkommen harmlosen Eindruck gemacht.«
»Ich glaube auch kaum, daß wir den Mörder dort zu suchen haben«, sagte Parker. »Die Anlage der beiden Verbrechen deutet auf ein geschultes Gehirn, der Mörder ist ein Mensch, der zu denken versteht … Er wird sich Clark als Helfershelfer engagiert haben … Hören Sie sich an, Sir, was ich mir erlaubte, ausfindig zu machen.«
Parker faßte sich kurz, dennoch dauerte es fast eine halbe Stunde, bis er geendet hatte.
»Okay, Parker, ziehen wir also die Schlußfolgerungen«, meinte Mike Rander. »Nach Lage der Dinge dürften der Mörder und Clark den ermordeten Trotters an Deck geschleift haben.«
»Genauso sehe ich es ebenfalls«, sagte Parker. »Ich denke, man darf sogar davon ausgehen, daß Clark Trotters umbrachte, dann aber aus Gründen der Sicherheit von dem Mörder und Auftraggeber selbst umgebracht wurde …«
»Und zwar in einer erstaunlich kurzen Zeit«, sagte Rander, »denn Sie haben doch immerhin den Mann verfolgt, der aus dem Mannschaftslogis kam und zur Brücke ging …«
»Wobei ich allerdings nicht sicher bin, ob es Clark wirklich war«, antwortete Parker. »Aber dieser Punkt dürfte ja wohl morgen zu klären sein … Wenn es nicht Clark war, wird sich ja irgend jemand an Bord melden müssen.«
»Falls ihm die Angst nicht den Mund verschließt … Was halten Sie eigentlich von diesem chinesischen Koch Chi-Fu, Parker?«
»Ich würde mich gern einmal mit ihm unterhalten, aber jetzt dürfte es wohl dazu schon zu spät sein … Desweiteren erlaube ich mir, vorzuschlagen, Sir, das Schiffsinnere genauestens zu durchsuchen. Ich vermute, daß der ermordete Trotters auf einem Umweg an Deck gebracht worden ist. Der Transport über den Gang war zu gefährlich.«
»Das glaube ich auch, Parker … Doch machen wir für heute Schluß …«
»Wie Sie wünschen, Sir … Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Darf ich bei dieser Gelegenheit Vorschlägen, die Kabinentür vorsichtig sorgfältig verriegeln zu wollen …?«
»Na schön, ich werde den Riegel vorlegen«, sagte Mike Rander.
Butler Parker ging hinüber in seine eigene Kabine und vergaß nicht, ebenfalls gut abzuriegeln. Da er endlich allein war und keinen Besuch zu befürchten brauchte, gönnte er sich eine Zigarre …
Josuah Parker genoß diese Stunde des Friedens.
Er hatte das Bullauge weit geöffnet. Kühle Nachtluft strömte in die Kabine. Parker entkleidete sich nach einem strengen Zeremoniell. Er brauchte gut zehn Minuten, bis seine Kleidung über einem zusammenfaltbaren Kleiderständer hing, als würde sie zum Verkauf angeboten.
Nach einer ausgiebigen Dusche hüllte sich der Butler in ein Nachtgewand, das erstaunlicherweise diesmal nicht schwarz gefärbt war. Es reichte bis tief zum Boden. Kleine, rote Zierbiesen am Kragen und an der Brusttasche gaben Parker ein geradezu frivoles Aussehen. Seine Füße allerdings steckten wieder in pechschwarzen, altväterlichen Pantoffeln.
Parker ordnete sein Bett. Auch dazu brauchte er einige Minuten. Dann endlich legte er sich nieder.
Er war mit dem Ergebnis des Tages durchaus zufrieden. Er hatte unklare Dinge richtig gestellt, Nervosität gesät und dem Mörder zu verstehen gegeben, daß man ihm auf der Spur war. Parker tat einen letzten Zug an der Zigarre, legte sie behutsam in den Aschenbecher und bettete sein Haupt zur Ruhe. Wenige Minuten später zeigte ein diskretes, fast vornehm zu nennendes Schnarchen an, daß er bereits eingeschlafen war.
Die Nacht verlief ohne jeden Zwischenfall.
Das war selbst für den Butler überraschend, der beim ersten Sonnenstrahl bereits ohne Übergang erwachte, korrekt das Bett verließ und sich duschte. Im Grunde paßte ihm diese Entwicklung gar nicht. Ihm wäre eine Unterbrechung der Nacht bedeutend lieber gewesen.
Hatte er die Nerven des Mörders unterschätzt?
Weit vor den übrigen Gästen stand Parker bereits an Deck und genoß sichtlich den Frieden des Morgens. Nacheinander erschienen nach einer Stunde die Gäste. Sie gingen in den Decksalon, wo inzwischen das Frühstück gerichtet worden war.
»Was halten Sie von der Nacht?« erkundigte sich Rander, der sich bestens gelaunt an den Tisch setzte. »Alle sind vollzählig versammelt, Parker … Der Mörder hat eine Pause eingelegt, scheint mir …!«
»Ich möchte es hoffen, Sir«, erwiderte Parker. »Ich habe übrigens bereits zwei Taschenlampen aus meinem Koffer geholt … Nach dem Frühstück können wir, wie Sie es vorgeschlagen haben, unter Deck gehen.«
»Wie bitte …, was habe ich vorgeschlagen?«
»Sir, ich war der Meinung, Sie hätten angeordnet …«
Mike Rander lachte unwillkürlich auf. Er hatte seinen Butler verstanden. Wenn Parker einen Vorschlag vorzubringen hatte, kleidete er ihn mit Vorliebe in diese Form.
Nachdem das Frühstück eingenommen worden war, verstreuten sich die Gäste.
Strander war von dem Produzenten Winchel in Beschlag genommen worden. Liz Talbot, die Drehbuchautorin, hatte sich ihnen angeschlossen. Sie wollten Strander wohl animieren, Geld in das Filmprojekt zu stecken.
Helen Grade, das Mädchen, das sich mit Vorliebe Schauspielerin nannte, flirtete heftig mit Makler Vellers, der nicht abgeneigt zu sein schien, auf dieses Spiel einzugehen.
Richard Strollen, der alte Schauspieler, lag in einem Liegestuhl und blätterte in einem Rollenbuch. Er war aber nicht ganz bei der Sache, denn er sah immer wieder zu Helen Grade hinüber.
Kapitän Sanders war hinauf zu der Brücke gegangen, sein Erster Offizier Smalden hatte am Frühstück nicht teilgenommen. Parker hatte ihn an diesem Morgen noch nicht gesehen.
»Wollen wir nicht schnell mit den beiden Köchen reden?« schlug Mike Rander vor.
»Sir, Sie nehmen mir das Wort von der Zunge«, erwiderte der Butler. »Hallo, Mister Often …, ja, auch Sie, Mister Strings … auf ein Wort bitte.«
Die beiden angerufenen Stewards näherten sich zögernd dem Butler. Sie schienen nicht viel von ihm zu halten, das heißt, sie fürchteten wohl ein Gespräch.
»Bei wem von Ihnen darf ich mich bedanken, daß die Eisentür am Ende des Kabinenganges wieder geputzt wurde?« fragte Parker und sah die beiden Männer an.
»Ich war es bestimmt nicht«, sagte Often schnell.
»No, Sir, ich habe auch nichts weggeputzt«, sagte Strings. »Wirklich nicht, Sir …«
»Ich bedanke