„Das vermutete sie nur.“
„Ich möchte annehmen, daß sie ihre Aufträge und Einsätze von Saul Bantam erfuhr.“
„Richtig. Saul Bantam scheint die Fäden in der Hand zu haben. Aber glauben Sie, Parker, daß dieser Gangster als Chef der Industriespionage in Betracht kommt? Sie halten doch nicht viel von ihm, oder?“
„Ich sehe in Mister Saul Bantam einen Strohmann, Sir. Er dürfte der Arm des wirklichen Chefs sein.“
„Henderson?“ tippte Rander an, „wohl kaum möglich, wie?“
„In der Tat, Sir. Henderson dürfte seinerseits der Arm Mister Bantams sein.“
„Bliebe also Mrs. Portcliff … Oder Mister Portcliff …?“
„Sehr wohl, Sir! Dieses Geschwisterpaar rückt immer weiter in den Mittelpunkt des Interesses.“
„Dann sollten wir schleunigst etwas unternehmen. Sie wissen ja, an welche Adresse wir uns zu wenden haben!“
„Ich fürchte, Sir, ich muß Sie enttäuschen.“
„Wie soll ich das verstehen?“
„Es wird schwierig sein, jenes Haus aufzuspüren, in dem ich Kontakt mit Mister Bantam aufnehmen konnte. Nach meinem etwas überstürzten Abgang konnte ich mir nur die ungefähre Lage des Hauses merken, zumal der obligate Nebel von Los Angeles ein zusätzliches Hindernis darstellte.“
„Wir werden diesen Bau samt Swimmingpool finden“, meinte Rander optimistisch, „ich baue da auf Ihren Spürsinn, Parker. Enttäuschen Sie mich nur nicht!“
„Ich werde mir, wie immer, Sir, alle erdenkliche Mühe geben. Für den Rest der Nacht würde ich allerdings Vorschlägen, ein wenig der Ruhe zu pflegen.“
„Im Hotelbungalow?“ Randers Stimme drückte Ablehnung aus.
„Keineswegs, Sir“, erwiderte Parker, „ich habe mir erlaubt, bereits umzudisponieren. Ich könnte mit einem Hotel der bescheidenen Mittelklasse dienen. Ganz in der Nähe des Strandes und des Yachthafens von Long Beach. Dies hätte den Vorteil, daß man Mister Henderson schon am frühen Morgen einen Höflichkeitsbesuch abstatten könnte.“
„Einverstanden, Parker. Aber dann sind unsere tippenden Nymphen an der Reihe. Sieht so aus, als hätten wir diesen Fall in aller Kürze geschafft.“
„Ich begrüße Ihren erfreulichen Optimismus, Sir“, entgegnete der Butler in seiner zurückhaltenden, vornehmen Art, die allerdings gerade deswegen gewisse Bedenken aufkommen ließ.
*
Am anderen Tag trat so etwas wie Ruhe vor dem Sturm ein. In der Nacht hatte es keine Schwierigkeiten gegeben. Die Gegenseite wußte ja auch schließlich nicht, wo sie Mike Rander und Josuah Parker finden sollte. Nicht umsonst hatte man darauf verzichtet, im Hotelbungalow zu übernachten.
Zusammen mit seinem Butler fuhr Mike Rander all jene Firmen ab, die er am Vortag angerufen hatte. Er wurde überall mit offenen Armen empfangen und kam sofort zur Sache. Sein Verdacht fand Nahrung und schließlich auch Bestätigung. In allen Fällen, in denen Finnen mit Industriespionage zu tun hatten, in all diesen Fällen hatte man aushilfsweise und vertretungsweise Sekretärinnen beschäftigt, die aus der Agentur von Mrs. Helen Portcliff stammten.
„Deutlicher kann man’s nicht serviert bekommen“, meinte Rander zu seinem Butler, als er den letzten Namen auf seiner Liste abgehakt hatte. „Diese Portcliff werden wir uns schleunigst ansehen müssen, Parker.“
„Nicht nur Mrs. Helen Portcliff, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, Sir.“
„Natürlich werden wir auch dem Bruder dieser Dame auf den Zahn fühlen. Was haben Sie denn herausgefunden?“
„Interessante Tatsachen, die jetzt allerdings wie selbstverständlich klingen, Sir! Alle besuchten Firmen lassen ihre Rechen-, Buchungs- und Schreibmaschinen von der Firma Portcliff betreuen. Möglicherweise haben wir es hier mit einer gewissen Zweigleisigkeit zu tun.“
„Fahren wir doch zu den Portcliffs ’raus“, sagte Rander unternehmungslustig. „Vielleicht sehen Sie den Swimmingpool wieder, Parker. Von den reizenden Bikini-Schönheiten ganz zu schweigen!“
„An jene Damen, Sir, denke ich nur im Interesse an der Sache.“
„Natürlich, Parker. Von Ihnen hätte ich auch gar nichts anderes erwartet.“ Rander grünste und stieg zurück in das hochbeinige Monstrum, das sie zur Doppelfirma Portcliff brachte.
Hier erwartete sie die erste Überraschung.
Die reizende Empfangsdame in der Vorhalle der Sekretärinnen-Agentur war eine liebe Bekannte. Sie zuckte mit keiner Wimper, als Rander und Parker erschienen.
„Oh, Miß Clark. Ich freue mich ehrlich, Sie wiederzusehen“, begrüßte Parker die Bikinischönheit vom Badefloß. „Sie haben, wie ich schließen darf, Ihre Stelle bei der Universal Painting Company auf gegeben?“
„Ich habe dort ja nur aushilfsweise gearbeitet“, sagte sie. Auch in ihrem hellblauen Nylonkittel, der Arme und Schultern freigab und in der Taille eng gebunden war, sah sie reizend aus. „Sie möchten zu Mrs. Portcliff?“
„In der Tat!“ Parker schob sich etwas in den Hintergrund, damit sein junger Herr die reizende Empfangsdame aus der Nähe begutachten konnte.
„Rander mein Name. Ich bin Anwalt. Melden Sie uns bitte an!“
Sie wandte sich ihrem Apparat zu und ließ sich mit dem Vorzimmer ihrer Chefin verbinden. Sie hörte einen kurzen Moment zu und nickte dann, während sie auflegte.
„Mrs. Portcliff steht Ihnen in wenigen Minuten zur Verfügung“, sagte sie dann, „wenn Sie vielleicht im Patio warten wollen?“
„Gute Idee!“ Rander und Parker verließen die Empfangshalle durch eine Glasschiebetür und gingen hinaus in den geräumigen Innenhof, der nach Art eines spanischem Patios hergerichtet war. Um einen plätschernden Springbrunnen gruppierten sich intime Sitznischen, Blumenarrangements und Laubengänge. Die Stadt mit ihrem Hasten und Treiben war hier in wenigen Sekunden völlig vergessen. Man schien sich auf einer Insel der Ruhe und des Friedens zu befinden.
„Sehr geschmackvoll, aber auch recht aufwendig“, stellte Mike Rander fest, „Haus und Büroräume im spanischen Stil … Mrs. Portcliffs Firma scheint zu florieren!“
Parker kam nicht dazu, darauf zu antworten. May Clark, die Nymphe vom Badefloß, erschien und wies lächelnd auf eine geschwungene Freitreppe.
„Mrs. Portcliff erwartet Sie auf dem Dachgarten ihres Büros“, meldete sie, „Sie brauchen nur die Treppe dort zu benutzen, meine Herren!“
Rander griff unwillkürlich nach seiner Schußwaffe, als er zusammen mit seinem Butler zum Dachgarten ging.
„Waren Sie hier in der Gegend, als Sie mit Bantam Ärger hatten?“ fragte er dann leise.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, Sir“, antwortete Josuah Parker, der sich wirklich nicht genau erinnerte, „ich denke, man sollte sich überraschen lassen!“
*
Mrs. Helen Portcliff war wirklich eine nette alte Dame.
Sie mochte etwa sechzig Jahre alt sein, hatte sich aber noch gut gehalten, war schlank und tat nichts, um die vielen kleinen Lachfältchen in den Augenwinkeln zu verbergen. Sie trug ein einfaches Leinenkostüm, das ihre noch recht schlanke Figur gut unterstrich. Ihr graues Haar hatte einen Stich ins Blaue, doch dies paßte zu ihr.
Sie kam um einen massiven Gartentisch herum, um den Stühle und Liegen gruppiert waren.
„Sie wollten mich sprechen?“ Ihre Stimme klang angenehm, vielleicht war sie etwas leise.
„Mike