Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 5 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931940
Скачать книгу
es im Kopf nicht aus. Diese Redewendung traf voll auf ihn zu.

      *

      Roberta hatte sich mittlerweile davon erholt, dass Lars ihr den wunderschönen Ring einfach so gekauft hatte, weil er an sie gedacht hatte und weil er sich sicher gewesen war, dass der Ring ihr gefallen würde.

      Er gefiel ihr, das war keine Frage und sie hatte keine Ahnung, wie oft sie schon auf ihren Finger gestarrt hatte, an dem der Ring blitzte. Lars musste ein Vermögen dafür ausgegeben haben. Dass er sehr großzügig war, das hatte sie längst festgestellt.

      Wie peinlich, wenn Lars dahintergekommen wäre, dass sie tatsächlich geglaubt hatte, er wolle ihr einen Heiratsantrag machen. Sie verdrängte es ja immer wieder, doch der Wunsch, geheiratet zu werden, Kinder mit ihm zu bekommen, war wohl sehr, sehr tief in ihr. Sonst hätte sie nicht so reagiert, sonst wäre sie nicht für einen Augenblick im siebten Himmel gewesen.

      Wie schrecklich, wenn sie vor lauter Vorfreude ›Ja‹ gerufen hätte, ehe von ihm die entscheidende Frage gestellt worden wäre.

      Das wäre peinlich gewesen, sehr peinlich.

      Sie war mit Lars zusammen, sie liebten sich, er war ihr Mr Right mit kleinen Schönheitsfehlern, man konnte nicht alles haben.

      Und sie musste ihr Wunschdenken, was Heirat und Kinder betraf, endgültig aufgeben, um nicht erneut in peinliche Situationen zu geraten. Solche Gedanken konnten nur peinlich sein, wenn einer sie verfolgte und der andere nichts davon wissen wollte oder vielleicht ein vages ›nicht ausgeschlossen‹ im Raum stehen ließ.

      Roberta bat Ursel Hellenbrink, ihr den nächsten Patienten hereinzuschicken, und Roberta war hocherfreut, Teresa von Roth zu erblicken. Sie war allerdings ein wenig verwundert, warum Teresa zu ihr ins Behandlungszimmer kam. Sie wollte doch nur ein Rezept für ihren Mann abholen.

      »Frau von Roth, das Rezept liegt bei Frau Hellenbrink«, sagte sie nach der herzlichen Begrüßung.

      Teresa lachte.

      »Ich weiß, ich habe es auch bereits in meiner Tasche. Ich will Sie jetzt auch nicht lange aufhalten, Frau Doktor. Ich finde nur, dass es an der Zeit ist, Ihnen unsere Anerkennung zu zeigen.«

      Nach diesen Worten zauberte Teresa von Roth hinter ihrem Rücken einen wunderschönen Strauß erlesener weißer Blumen hervor.

      »Sie lieben doch weiße Blumen, nicht wahr, Frau Doktor?«

      Roberta war gerührt. Dass Teresa sich das gemerkt hatte, mehr noch war sie allerdings davon gerührt, dass es mit einem Blumenstrauß hier im Sonnenwinkel angefangen hatte, mit Blumen, die Teresa und Magnus von Roth ihr gebracht hatten, und die ihren ersten Patienten gewesen waren, ohne etwas zu haben. Sie waren gekommen, um den Bann zu durchbrechen, der anfangs auf der Praxis gelegen hatte. Die Patienten hatten sie boykottiert, weil sie dem vortrefflichen Dr. Riedel nachtrauerten, der nach Philadelphia gezogen war und ihr die Praxis im Sonnenwinkel überlassen hatte. An diese Zeit wollte Roberta sich nicht mehr erinnern, den es war die schrecklichste Zeit ihres Lebens gewesen. Sie hatte noch unter den Folgen ihrer Scheidung von Max zu leiden, war sich überhaupt nicht sicher, ob es richtig gewesen war, auf dem Lande einen Neuanfang zu wagen. Und dann war wirklich niemand gekommen.

      »Frau von Roth, vielen Dank. Die Blumen sind wunderschön, und sie erinnern mich an den Strauß, den Sie und Ihr Mann mir geschenkt haben, als ich hier angefangen habe.«

      »Frau Doktor, das ist lange her. Und ich möchte Sie auch überhaupt nicht lange aufhalten, Sie haben genug zu tun. Ich finde, es ist einfach an der Zeit, Ihnen zu sagen, welcher Gewinn Sie für uns sind, wie dankbar wir sein können, dass Sie sich hier niedergelassen haben, welch großartige Arbeit Sie leisten.«

      Roberta wurde rot.

      »Frau von Roth, ich mache meinen Job. Ich bin Ärztin.«

      Teresa nickte.

      »Und was für eine. Es geht nicht darum, dass Sie als Medizinerin unschlagbar sind, Sie sind eine hervorragende Diagnostikerin, Sie kennen sich in jedem Bereich aus. Nein, Ihre große Stärke ist, den Patienten zuzuhören, sie nicht zu unterbrechen, sondern aussprechen zu lassen, Sie stellen nicht, wie allgemein üblich, nach zehn oder zwanzig Sekunden die erste Zwischenfrage. Und noch etwas, Sie sehen Ihre Patienten an und heften nicht den Blick auf den Bildschirm. Außerdem geht es nicht darum, was gesagt wird, sondern wie. Ach, Frau Doktor, ich könnte noch stundenlang darüber reden, wie großartig, wie wunderbar Sie sind. Doch Sie haben zu tun, und ich möchte Sie nicht länger aufhalten. Das musste aber mal gesagt werden.«

      Roberta konnte vor lauter Rührung erst einmal nicht sagen, und sie hatte Mühe, jetzt ihre Tränen zurückzuhalten.

      Sie bedankte sich bei Teresa, und nachdem die gegangen war, blieb Roberta noch ein paar Minuten allein, ehe sie den nächsten Patienten hereinbat.

      Die Vergangenheit tauchte vor ihrem geistigen Auge auf, der schreckliche Rosenkrieg mit Max, der sich alles unter den Nagel reißen wollte, der missglückte Neuanfang im Rosenwinkel, der sie so manches Mal zur Verzweiflung gebracht hatte, dann hatte sie Kay kennengelernt, Kay Holl, den etablierten Aussteiger, durch den sie wieder ihr Lachen gefunden hatte, in den sie verliebt gewesen war und sich doch nicht getraut hatte, sich wirklich auf ihn einzulassen, weil ihre Lebensauffassungen einfach zu unterschiedlich gewesen waren. Anfangs war sie traurig gewesen, weil sie sich das mit Kay selbst vermasselt hatte, doch mittlerweile wusste sie, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Kay war für sie sehr wichtig gewesen, er hatte sie aufgebaut, mit ihm war sie über den See gerudert, sie hatten sich geliebt, waren auf Wolke Sieben gewesen. Alles hatte seine Zeit. Das Leben spielte sich auf der Erde ab, und seit sie Lars kannte, wusste sie, worauf es wirklich ankam im Leben und dass man sich auf Augenhöhe begegnen musste. Dann war man frei von der Angst, den anderen zu verlieren, ihm nicht zu genügen.

      Ihr Blick fiel auf die wunderschönen Blumen, die Teresa ihr gebracht hatte.

      Sie war angekommen, sie war glücklich, weil sie alles hatte, worum sie zu beneiden war. Einen Partner, der sie liebte, eine tolle Praxis, ein Haus, das ihr gehörte, und sie hatte den allerschönsten Beruf von der ganzen Welt. Sie war Ärztin mit Leidenschaft. Sie hatte nette Patienten. Es ging ihr gut, es ging ihr sehr gut, und sie musste für das Leben, das sie führen durfte, dankbar sein.

      Ihr Blick fiel auf den Ring, sie lächelte, dann bat sie Ursel Hellenbrink, ihr den nächsten Patienten zu schicken.

      Ursel Hellenbrink, nicht zu vergessen ihre Alma, die gehörten auch zu ihrem Leben.

      Als sie allerdings an Alma dachte, fiel ihr siedendheiß der Kunsthändler ein, der von dem Bild, das im Wartezimmer hing und das Alma gemalt hatte, total begeistert gewesen war. Sie hatte es verdrängt. Aus Angst, Alma könne sie verlassen, um den Kunstmarkt zu erobern? Sie würde mit Alma reden, noch heute.

      Der Patient, der ins Behandlungszimmer kam, machte ihr Sorgen. Er hielt sich nicht an das, was sie ihm sagte. Er hörte nicht zu. Leider war er kein Einzelfall, sie hatte mehrere solcher Kandidaten.

      »Herr Greiner, Ihre Blutwerte haben sich erneut verschlechtert, und ich lehne jetzt eine weitere Behandlung ab, weil ich es nicht länger verantworten kann. Sie sind ein erwachsener Mann, übernehmen Sie die Verantwortung für sich selbst, suchen Sie sich einen Arzt in Hohenborn, lassen Sie es bleiben. Es ist Ihre Verantwortung allein.«

      Er blickte sie entsetzt an.

      »Frau Doktor, das können Sie nicht tun«, rief er.

      »Herr Greiner, ich muss es tun. Sie schlittern auf einen Schlaganfall zu, und da kann ich nicht länger zusehen.«

      »Ja aber …«

      Sie unterbrach ihn.

      »Herr Greiner, es gibt kein Aber.«

      »Ich bin Privatpatient, an mir verdienen Sie mehr Geld.«

      So etwas machte Roberta wütend. Für sie zählten die Patienten, und sie behandelte alle gleich, ob nun Privat- oder Kassenpatient, und sie bevorzugte wirklich niemanden.

      »Dann wird sich sicher einer meiner Kollegen freuen, wenn Sie