Ihr Matten lebt wohl!
Ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden,
Der Sommer ist hin.
Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,
Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.
Ihr Matten lebt wohl,
Ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden
Der Sommer ist hin.
ALPENJÄGER (erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen. Zweite Variation):
Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,
Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,
Er schreitet verwegen
Auf Feldern von Eis,
Da pranget kein Frühling,
Da grünet kein Reis;
Und unter den Füßen ein neblichtes Meer,
Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr,
Durch den Riss nur der Wolken
Erblickt er die Welt,
Tief unter den Wassern
Das grünende Feld.
Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend.
Ruodi der Fischer kommt aus der Hütte. Werni der Jäger steigt vom Felsen. Kuoni der Hirte kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter. Seppi, sein Handbube, folgt ihm.
RUODI: Mach hurtig, Jenni. Zieh die Naue ein.
Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,
Der Mythenstein zieht seine Haube an,
Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch,
Der Sturm, ich mein, wird da sein, eh wir’s denken.
KUONI: ’s kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.
WERNI: Die Fische springen, und das Wasserhuhn Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.
KUONI (zum Buben):
Lug, Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen.
SEPPI: Die braune Lisel kenn ich am Geläut.
KUONI: So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.
RUODI: Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.
WERNI:
Und schmuckes Vieh – Ist’s Euer eignes, Landsmann?
KUONI: Bin nit so reich – ’s ist meines gnäd’gen Herrn,
Des Attinghäusers, und mir zugezählt.
RUODI: Wie schön der Kuh das Band zu Halse steht.
KUONI: Das weiß sie auch, dass sie den Reihen führt,
Und nähm ich ihr’s, sie hörte auf zu fressen.
RUODI: Ihr seid nicht klug! Ein unvernünft’ges Vieh –
WERNI: Ist bald gesagt. Das Tier hat auch Vernunft,
Das wissen wir, die wir die Gemsen jagen,
Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn,
’ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnet
Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.
RUODI (zum Hirten): Treibt Ihr jetzt heim?
KUONI: Die Alp ist abgeweidet.
WERNI: Glücksel’ge Heimkehr, Senn!
KUONI: Die wünsch ich Euch,
Von Eurer Fahrt kehrt sich’s nicht immer wieder.
RUODI: Dort kommt ein Mann in voller Hast gelaufen.
WERNI: Ich kenn ihn, ’s ist der Baumgart von Alzellen.
Konrad Baumgarten atemlos hereinstürzend.
BAUMGARTEN: Um Gottes willen, Fährmann, Euren Kahn!
RUODI: Nun, nun, was gibt’s so eilig?
BAUMGARTEN: Bindet los!
Ihr rettet mich vom Tode! Setzt mich über!
KUONI: Landsmann, was habt Ihr?
WERNI: Wer verfolgt Euch denn?
BAUMGARTEN (zum Fischer):
Eilt, eilt, sie sind mir dicht schon an den Fersen!
Des Landvogts Reiter kommen hinter mir,
Ich bin ein Mann des Tods, wenn sie mich greifen.
RUODI: Warum verfolgen Euch die Reisigen?
BAUMGARTEN:
Erst rettet mich, und dann steh ich Euch Rede.
WERNI: Ihr seid mit Blut befleckt, was hat’s gegeben?
BAUMGARTEN: Des Kaisers Burgvogt, der auf Roßberg saß –
KUONI: Der Wolfenschießen? Lässt Euch der verfolgen?
BAUMGARTEN:
Der schadet nicht mehr, ich hab ihn erschlagen.
ALLE (fahren zurück):
Gott sei Euch gnädig! Was habt Ihr getan?
BAUMGARTEN: Was jeder freie Mann an meinem Platz!
Mein gutes Hausrecht hab ich ausgeübt
Am Schänder meiner Ehr’ und meines Weibes.
KUONI: Hat Euch der Burgvogt an der Ehr’ geschädigt?
BAUMGARTEN: Dass er sein bös Gelüsten nicht vollbracht,
Hat Gott und meine gute Axt verhütet.
WERNI: Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?
KUONI: O, lasst uns alles hören, Ihr habt Zeit,
Bis er den Kahn vom Ufer losgebunden.
BAUMGARTEN: Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt
Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes.
»Der Burgvogt lieg’ in meinem Haus, er hab’
Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.
Drauf hab’ er Ungebührliches von ihr
Verlangt, sie sei entsprungen, mich zu suchen.«
Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war,
Und mit der Axt hab ich ihm ’s Bad gesegnet.
WERNI:
Ihr tatet wohl, kein Mensch kann Euch drum schelten.