Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740928636
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zu stellen, wie Cecile in der Villa auf sie gewartet hatte, und wie ihr bewusst geworden war, dass sie nur Konzepte im Kopf hatte, die so anders als die Realität gewesen waren.

      »Ich weiß nicht, was geschehen ist, Stella. Vielleicht hat Cecile etwas in mir ausgelöst, weil sie so sanft ist, so ganz ohne Argwohn. Sie sieht zuerst das Gute im Menschen, und daran hält sie unbeirrt fest. Durch sie habe ich mich verändert, meine Fehler fallen mir auf, und dafür schäme ich mich …, ich kann nichts mehr rückgängig machen, aber ich kann versuchen, mich …, mein Verhalten zu verändern. Und ich kann nur darauf hoffen, dass ihr mir verzeihen könnt …, vielleicht kann ich ja mit den Kindern mal Eis essen gehen, oder …«

      Sie blickte Stella Hilfe suchend an, und nachdem die sich von ihrer Überraschung ein wenig erholt hatte, sagte sie mit bewegt klingender Stimme: »Das mit dem Eis ist keine so gute Idee. Aber die Kinder gehen für ihr Leben gern in Buchhandlungen. Sie lieben Bücher sehr. Da könntest du ihnen eine große Freude machen.«

      Rosmarie warf Stella einen Blick zu, und da konnte man eindeutig Tränen in ihren Augen erkennen.

      »Das haben sie von dir, du hast auch Bücher verschlungen.«

      Stella lachte.

      »Mama, das tue ich noch heute.«

      Es herrschte eine merkwürdige Stimmung zwischen den beiden Frauen, und ehe sie ins Sentimentale abzudriften drohte, begann Stella von ihren Kindern zu erzählen, auf die sie so unglaublich stolz war.

      Rosmarie war sogar bereit, was vorher niemals vorgekommen war, sich Bilder anzusehen. Mehr noch, sie wollte Bilder mitnehmen.

      Auf einmal hatte Rosmarie es eilig zu gehen. Stella begleitete ihre Mutter zur Tür, dort zögerte sie kurz. Am liebsten hätte sie sie ja jetzt gern in den Arm genommen. Aber wie würde ihre Mutter das aufnehmen? Sie hatte sich zwar verändert, doch würde sie eine solche Nähe schon oder überhaupt zulassen?

      Umarmungen waren bei den Rückerts niemals üblich gewesen.

      Also sagte sie nur: »Mama, danke für deinen Besuch. Es war schön, dass du gekommen bist, und ich denke, das sollten wir wiederholen.«

      Rosmarie sagte etwas, was es vorher auch noch nie gegeben hatte, ohne Voranmeldung ging bei ihren Eltern überhaupt nichts.

      »Du kannst ja auch spontan vorbeikommen, wenn du in Hohenborn bist. Ich würde mich freuen.«

      Jetzt konnte Stella nicht anders, nun umarmte sie ihre Mutter doch, und erstaunlich war, dass Rosmarie nicht zurückwich.

      Wie sollte man das jetzt nennen? Wunder?

      Es gab keine Worte, so entschloss Stella sich dazu, sich einfach nur zu freuen.

      Es war ihre Mutter, und wenn sie jetzt so altersweise geworden war oder wie immer man es auch nennen wollte, an ihr sollte es nicht liegen.

      Sie war zu einer Versöhnung bereit.

      Rosmarie war längst abgefahren, und Stella stand noch immer sinnend in der Haustür, als Jörg vorgefahren kam. Heute war wohl der Tag der ungewöhnlichen Ereignisse.

      Jörg sprang aus dem Wagen.

      »War das eben deine Mutter?«, erkundigte er sich, nachdem er seiner Frau einen liebevollen Kuss auf die Stirn gegeben hatte.

      »Ja, das war sie«, bestätigte Stella und wollte schon loslegen und ihrem Mann von der wundersamen Begegnung mit ihrer Mutter berichten, als sie sich entschloss, es für später aufzuheben.

      Jörg war ungewöhnlich ernst, und um diese Zeit war er normalerweise auch nicht zu Hause.

      Ehe sie ihm eine Frage stellen konnte, sagte er: »Ich bin auf dem Weg in den Sonnenwinkel. Meine Mutter ist außer sich … Bambi ist verschwunden.«

      Das klang so ungeheuerlich, dass es Stella die Sprache verschlug.

      Bambi und weg, das ging überhaupt nicht. Wenn jemand an seinem Zuhause klebte, dann war es doch Bambi.

      »Als die Eltern vom Flughafen zurückkamen, war sie nicht mehr da, und auch bei Manuel oder ihren Freunden ist sie nicht, und niemand weiß etwas. Und die Polizei tut noch nichts, weil sie das Verschwinden von Bambi offensichtlich nicht so ernst nimmt. Man ist bei der Polizei der Meinung, dass die meisten Ausreißer spätestens nach achtundvierzig Stunden wieder zu Hause auftauchen. Du kannst dir vorstellen, dass meine Mutter kurz davor ist, durchzudrehen.«

      Stella konnte es sich vorstellen, ihre Schwiegermutter war ein Muttertier, das war im guten Sinne gemeint.

      »Natürlich musst du hinfahren, Jörg«, sagte Stella sofort, »das ist doch selbstverständlich.«

      Jörg Auerbach warf seiner Frau einen liebevollen Blick zu. Er hatte von Stella auch nichts anderes erwartet.

      »Da ist aber noch etwas. Ricky will eine Vorlesung ausfallen lassen und direkt von der Uni aus in den Sonnenwinkel fahren. Das Problem ist, dass Fabian eine Lehrerkonferenz anberaumt hat, die nicht aufschiebbar ist, weil es da um ein akutes und vor allem ernstes Problem geht. Die Kinder …«

      Jörg brauchte seinen Satz überhaupt nicht zu beenden.

      »Kein Problem«, sagte Stella sofort, »ich pack die Kleinen ein, wenn sie wieder zu Hause sind, dann fahre ich mit denen hinüber. Und ich bleibe dort, solange es nötig ist. Unterstützt eure Mutter. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die arme Inge am Rad dreht. Ich kann es nicht verstehen, Bambi ist doch niemand, der einfach davonläuft. Das hat sie noch nie getan. Glaubst du, dass die Abreise von Hannes sie so durcheinandergebracht hat? Aber antun würde sie sich deswegen doch nichts, oder?«

      Das glaubte Jörg auch nicht. Aber erklären konnte er sich nicht, wohin Bambi gegangen sein könnte.

      Rasch sprach er mit seiner Frau über alles Nötige, dann nahm er sie spontan in den Arm.

      »Stella, mein Herz, du bist die Größte, eine andere Frau hätte nämlich jetzt angefangen zu meckern. Du weißt schon, dass unser Kinoabend für heute Abend flachfällt. Ich glaube nicht, dass ich mich beizeiten von meinen Eltern loseisen kann.«

      »Entspann dich«, lachte Stella, »das Kino wird nicht abgerissen, und sollte der Film nicht mehr laufen, dann ist es auch kein Drama. Für alles gibt es ein nächstes Mal. Ich hoffe nur, dass Bambi bald wieder auftaucht. Was ist bloß in die Kleine gefahren?«

      »Das weiß ich auch nicht. Es passt nicht zu ihr. Sobald ich etwas weiß, rufe ich dich an.«

      Er küsste sie hingebungsvoll, sah ihr tief in die Augen und sagte: »Habe ich dir schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?«

      Dann ließ er sie los und lief zu seinem Auto, und Stella sah ihrem Mann liebevoll hinterher.

      Ja, so war er, ihr Jörg.

      Natürlich war auch bei ihnen nicht immer alles Sonnenschein, und manchmal fetzten sie sich ganz schön. Aber das gehörte zum Leben. Sie waren beide erwachsene Menschen, die ihre eigene Meinung hatten, und die prallten halt manchmal aufeinander. Aber es gab niemals Kräche, die anhielten, spätestens, wenn sie ins Bett gingen, war alles vorbei. Und Jörg würde auch niemals das Haus verlassen, wenn etwas nicht ausgesprochen und beigelegt war. Da war ihre Angst viel zu groß, es könnte etwas passieren, und im schlimmsten Fall bliebe der andere voller Schuldgefühle zurück.

      Ja, sie liebte ihn!

      Und er liebte sie!

      Sie waren schon gemeinsam durch manche Höhen und Tiefen gegangen, und ihr Lebensfloß war niemals vom Kurs abgekommen.

      Wer konnte das schon von sich behaupten?

      Nun, vielleicht Ricky und Fabian. Ihr Bruder und ihre Schwägerin waren ihr großes Vorbild. Und Stella bewunderte Ricky noch mehr, seit sie sich entschlossen hatte, trotz ihrer Kinder ein Studium anzufangen. Anfangs hatten ja viele Leute die größten Bedenken, doch Ricky zog das durch. Und Fabian unterstützte seine Frau, so gut er konnte. Und das alles trotz der Kinder. Die litten auf jeden Fall nicht unter der Situation, im Gegenteil, sie fanden es cool, dass ihre Mutter zur Uni ging.