Parker fiel auf, daß die drei Partygirls sich an dem Gespräch nicht beteiligten. Sie drängten sich trotz der Sonne frierend um das Lagerfeuer. Wie Pamela Clayton sahen sie ohne jede farbliche Aufmachung frisch und durchaus appetitlich aus. Sie hatten ihr geziertes Benehmen auf der zerschlagenen „Seejungfrau“ zurückgelassen.
„Wenn Sie erlauben, werde ich Mister Rander und Miß Clayton verständigen“, entschuldigte Parker sich und lüftete seine Melone, „könnten Sie inzwischen Ausschau nach den immer noch nicht gefundenen Mister Edwards und Miß Lombard halten?“
„Hatten wir ohnehin vor“, lärmte Broken selbstbewußt, „irgendwie habe ich jetzt ein gutes Gefühl, auch sie müssen sich vom Wrack gerettet haben!“
Parker verließ das Lagerfeuer und begab sich zurück ins dichte Unterholz. Er hörte, daß ihm einer der Gäste folgte, drehte sich aber nicht um.
„Hallo, Parker!“
Der Butler, bereits im Unterholz und vom Lagerfeuer aus nicht mehr zu sehen, blieb stehen und drehte sich nach Jeff Deering um. Der alternde Playboy sah sich mißtrauisch um und kam dann mit kleinen schnellen Schritten auf den Butler zu.
„Was kann ich für Sie tun, Sir?“ erkundigte Parker sich höflich.
„Wir … wir haben einen Mörder unter uns“, sagte Jeff Deering schnell und nervös, „ich weiß es genau. Ich habe nämlich Norman Edwards gesehen! Tot! Man hat ihm das Genick gebrochen, wenn Sie mich fragen!“
„Das ist eine Anschuldigung, Sir, für die Sie einen gewissen Beweis antreten sollten!“
„Beweisen kann ich überhaupt nichts.“ Jeff Deering schluckte nervös und wandte sich wieder in Richtung Lagerfeuer um, als fürchte er beobachtet zu werden, „ich habe nur so ein Gefühl, verstehen Sie?“
„Und wer sollte dieser Mörder sein?“ erkundigte Josuah Parker sich. „Haben Sie möglicherweise eine bestimmte Vorstellung?“
„Lassen Sie Keswick nicht aus den Augen“, gab Deering leise und fast beschwörend zurück, „ich weiß, daß er aus diesem Fach kommt!“
Bevor Parker weitere Fragen stellen konnte, war Playboy Deering schon im Unterholz verschwunden.
Dafür erschien besagter Mister Keswick auf der Bildfläche. Er gab sich ahnungslos, falls er Deering überhaupt gesehen hatte. Keswick, kompakt, untersetzt, irgendwie an eine Bulldogge erinnernd, bestimmt schon seine fünfundvierzig bis fünfzig Jahre alt, sah sich interessiert um.
„War Deering nicht gerade hier?“ fragte er dann unvermittelt.
„Sie suchen Mister Deering?“ Parker reagierte würdig, gemessen und sehr höflich.
„Nee, dem gehe ich lieber aus dem Weg“, erwiderte Keswick, der Geschäftspartner von Paul Broken, „dieser Bursche ist so gefährlich wie eine gereizte Klapperschlange.“
„Sie versetzen mich in einiges Erstaunen, Sir.“
„Kann ich mir vorstellen. Aber wer vermutet hinter Deering schon so etwas wie einen Gangster, oder?“
„Sind Sie sicher, Sir, daß Sie sich nicht täuschen?“
„Vollkommen sicher, Parker. Deering war mal eine gewisse Größe in Milwaukee, fragen Sie ihn doch selbst. Aber ich wette, darüber wird er Ihnen kaum etwas erzählen. Aber ich will nichts gesagt haben, klar?“ Keswick nickte dem Butler zu und huschte zurück ins dichte Gebüsch.
Josuah Parker ging kopfschüttelnd weiter. Sein vager Verdacht, der zuerst von einer verriegelten Kabinentür herrührte, verdichtete sich zur Gewißheit, daß sein junger Herr und er früher oder später mit einem raffinierten Mörder konfrontiert werden würden …
*
Parker, er war etwa zehn Minuten unterwegs, hörte plötzlich schräg vor sich das Knacken eines kleinen Astes.
Da mit Tieren auf dieser Insel nicht zu rechnen war, konnte dieses Geräusch nur ein Mensch verursacht haben. Der Butler, der sich beobachtet fühlte, ließ sich selbstverständlich nichts anmerken und schritt gemessen weiter.
Er wußte selbst nicht so recht, ob er mit einem Überfall oder mit einem Mordanschlag rechnen mußte. Er wußte nur, daß verschiedene Dinge ganz sicher nicht stimmten.
Um sein Gegenüber zu täuschen, bog der Butler scharf nach links ab und blieb dann hinter dem Stamm einer Palme stehen. Lange brauchte er nicht zu warten.
Ein dichter Strauch wurde von nackten und schlanken Armen geteilt. Dann schob sich der Oberkörper einer jungen Dame durch das Blattwerk.
Er kannte diese Frau. Sie gehörte zur „Seejungfrau“ und war sicher identisch mit der vermißten Kathy Lombard. Warum beobachtete sie ihn? Warum hatte sie sich nicht längst bemerkbar gemacht? Eine junge Frau dieses Alters mußte sich doch förmlich nach menschlicher Gesellschaft sehnen. Schon aus Gründen der Angst! Diese Miß Lombard hingegen schien sich im Busch recht gut auszukennen. Von Angst konnte bei ihr im Moment wenigstens keine Rede sein.
Nun war sie in voller und schlanker Größe zu sehen. Sie trug Shorts, einen ärmellosen Frotteepullover und weiße Segelschuhe. Sie trug aber auch einen handlichen Knüppel in der Hand, der als Schlaginstrument sehr geeignet war.
Sie folgte Parkers Spuren, hatte aber keine Ahnung, daß der Butler hinter der bewußten Palme stand. Sie bewegte sich sehr vorsichtig und selbstsicher zugleich. Das Anpirschen schien Miß Kathy Lombard bestens zu kennen.
„Darf ich Ihnen helfen, Madam?“ Parker stand jetzt hinter ihr und lüftete grüßend seine Melone.
Er erlebte genau das, womit er sicherheitshalber gerechnet hatte. Kathy Lombard wirbelte blitzschnell um ihre Längsachse und gab deutlich zu verstehen, daß sie den handlichen Knüppel auf die Stirn des Butlers legen wollte.
Josuah Parker war verständlicherweise an Begrüßungen dieser Art nicht interessiert. Er verbeugte sich und ließ den Knüppel dicht über der Melone hinwegzischen … Miß Lombard hatte solch einen Schwung, daß sie den festen Halt auf dem Boden verlor und mitgerissen wurde. Sie landete aufschreiend in einem Busch, der reichlich mit Dornen versehen war.
„Darf ich Ihnen meine Hilfe erneut anbieten, Madam?“ fragte der Butler und reichte ihr die Hand.
Sie ergriff sie, ließ sich aus dem Dornbusch ziehen, musterte recht ungeniert einige Einstichstellen und … warf sich dann erneut auf den Butler, der diesmal fast überrascht worden wäre.
Sie war wie eine Wildkatze.
Und sie war sehr geübt in Sachen Judo und Selbstverteidigung. Sie legte es darauf an, den Butler mit einigen gezielten Handkantenschlägen außer Gefecht zu setzen.
„Ich fürchte, Madam, Sie unterliegen irgendeinem mir unerfindlichen Irrtum“, sagte Parker, der die Schläge und Hiebe höflich blockierte, „ich darf Ihnen versichern, daß ich mich mit allem gebotenen Respekt nähern wollte!“
Sie hörte überhaupt nicht hin und verdoppelte ihre Anstrengungen. Sie fintierte, wollte den Butler in Schläge hineinziehen und war sicher sehr enttäuscht, daß der Butler ihr diesen Gefallen nicht erwies. Um dieser Form der Unterhaltung ein Ende zu setzen, verschwand der Butler hinter einigen dicht beieinanderstehenden Palmstämmen und … gebrauchte dann seinen Universal-Regenschirm als Fußbremse.
Kathy Lombard kickste erschreckt auf, als der bleigefütterte Bambusgriff sich um ihr rechtes Fußgelenk legte. Da sie wieder einmal viel zu sehr in Schwung war, segelte sie einen guten Meter durch die Luft und landete bäuchlings auf einer Art Rasenbank. Hier blieb