„Man scheint, dies möchte ich mit aller gebotenen Vorsicht behaupten, Sir, man scheint Stimmung gegen Sie und meine bescheidene Wenigkeit zu machen. Vielleicht mit dem erklärten Ziel, einen weiteren Mord einzuleiten!“
„Einen weiteren Mord? Soll das heißen …?“ Rander sah den Butler sehr wach an. Er lächelte längst nicht mehr.
„Einen weiteren Mord“, wiederholte Parker, „er dürfte der Auftakt zu einer Serie sein, mit der mit Sicherheit noch zu rechnen ist.“
Parker hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als vom Busch her ein häßliches „Plopp“ zu hören war. Neben Parker spritzte eine kleine Sandfontäne hoch, die an sich sehr harmlos aussah.
„Deckung!“ rief Rander und rollte sich blitzschnell zur Seite. Nur dadurch vermied er nach einem zweiten „Plopp“, daß die Fontäne diesmal aus seinem Körper hochstieg.
Er sprang auf und huschte hinter einen umgestürzten Palmenstamm in Deckung.
Parker entwickelte ebenfalls eine Schnelligkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte. Eine dritte Sandfontäne nach einem dritten „Plopp“ schien seine sonstige Gemessenheit leicht angekratzt zu haben.
*
Parker wechselte in den dichten Busch hinüber und suchte nach dem Schützen, dessen Handfeuerwaffe offensichtlich mit einem Schalldämpfer versehen war. Parker wartete auf einen vierten Schuß, doch leider blieb er aus.
Wartete der Schütze – oder war es eine Schützin? – auf eine bessere Gelegenheit? Oder hatte die Person sich bereits abgesetzt, um nur ja nichts zu riskieren?
Parker ermittelte ungefähr, wo diese Person gestanden haben mußte. Vorsichtig pirschte sich der Butler an diese vermeintliche Stelle heran. Er rechnete jeden Moment mit einem vierten Schuß. Ihm war längst klar, daß er es mit einem Profi zu tun haben mußte, mit einem Profi allerdings, der nicht sonderlich gut schoß, oder aber nervös war.
An sich hätten die Schüsse treffen müssen. Waren sie nur als Warnungen zu verstehen? Sollten sie Unruhe oder Panik erzeugen? Wartete der Schütze mit dem richtigen Zielen auf einen Zeitpunkt, der ihm geeigneter erschien? Fragen über Fragen, auf die der Butler im Augenblick keine passende Antwort fand.
Er entdeckte wenig später den Standort des Schützen. Hier war das Gras niedergetreten worden, einige kleine Zweige geknickt. Der Butler suchte nach Patronenhülsen, fand aber nichts. Er versuchte, den Weg des Schützen zu verfolgen, mußte dieses Vorhaben aber schnell wieder aufgeben. Die wenigen undeutlichen Spuren verliefen sich im schütteren Gras und endeten vor einer großen Wasserlache, die sich in einer Vertiefung zwischen den Palmen gebildet hatte. Parker war klar, daß der Schütze von hier aus auf die nackten Stein- und Felstrümmer der Insel gestiegen war. Dort waren mit Sicherheit keine Spuren mehr zu finden. Er ging also zurück.
„Ich muß Sie leider enttäuschen, Sir“, meldete er Mike Rander, „ich möchte annehmen, daß wir es mit einer Person zu tun haben, die sich in gewissen Spielregeln auskennt.“
„Dafür habe ich das hier gefunden“, Rander reichte dem Butler fast unversehrte und nur leicht deformierte Geschosse, „ich würde sagen, daß sie aus einer 38er stammen.“
„In der Tat“, pflichtete Parker seinem jungen Herrn bei, „unverkennbar. Man sollte diese Geschosse aufheben.“
„Richtig. Könnte später sehr nützlich sein. Was sagen Sie zu diesem Feuerüberfall, Parker?“
„Ich bin, offen gesagt, ungemein betroffen, Sir.“
„Und ich erst, Parker! Wer will uns umbringen? Und warum?“
„Es scheint sich herumgesprochen zu haben, Sir, daß Sie und meine bescheidene Wenigkeit hin und wieder Kriminalfälle lösen.“
„Demnach stören wir also die Kreise einer Person, die hier tätig werden will?“
„So würde ich es ansehen, Sir.“
„Wieso ist bereits ein Mord schon geschehen? Oder habe ich Sie falsch verstanden?“
Parker gab eine kurze Darstellung vom Fund des Toten, der sich das Genick gebrochen zu haben schien. Er berichtete von dem Playboy Deering, der Keswick beschuldigt hatte, und von Keswick, der seinerseits Deering als Gangster bezeichnet hatte.
„Das wird ja immer heiterer“, meinte Rander und seufzte laut: „Dieser Broken scheint sich ja ein nettes Völkchen an Bord geladen zu haben.“
„Unter anderem die jungen Damen, die sicher nicht nur reizvoll anzusehen sind, Sir!“
Mike Rander erklärte seinem Butler kurz, was es mit den jungen Damen auf sich hatte. Parker nickte.
„Ich bin bereits orientiert, Sir“, sagte er, „während der Fahrt hatte ich den Vorzug und das unbestreitbare Vergnügen, mich mit einigen der jungen Damen unterhalten zu können. Die Darstellung Miß Pamela Claytons scheint den Tatsachen zu entsprechen. Alle jungen Damen wurden aufgrund einer Zeitungsannonce eingestellt und dürften sich vorher noch nie gesehen haben.“
„Sie formulierten mal wieder sehr vorsichtig, Parker.“
„Gewiß, Sir, um später keine bösen Enttäuschungen erleben zu müssen. Was Miß Kathy Lombard anbetrifft, die ich mit ein wenig Gewalt hierherbrachte, so möchte ich als sicher unterstellen, daß sie mehr ist als nur eine nette Hostess.“
„Sie sollten ihr den Tritt gegen das Schienbein nicht so nachtragen“, frotzelte Mike Rander.
„Ich dachte eigentlich mehr an ihre Kenntnisse in Judo“, korrigierte der Butler, „sie möchte ich als gut bezeichnen. Welche Hostess verfügt schon über diese Spezialausbildung!“
„Okay, lassen wir die reizenden Girls also nicht aus den Augen“, sagte Rander nachdrücklich, „bleiben wir bei der Kernfrage! Wer soll hier umgebracht werden und warum? Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir es mit einem wahnsinnigen Täter zu tun haben, der alle Gäste der ‚Seejungfrau‘ ausrotten will!“
„Prognosen wären verfrüht“, gab Parker zurück und nickte andeutungsweise und zugleich zustimmend, „wenn Sie erlauben, werde ich mich ein wenig umhören.“
„Kümmern wir uns vorher um Miß Pamela und Kathy“, sagte Rander, „ob sie wohl die Schüsse gehört haben? Müßte doch eigentlich sein, was meinen Sie?“
„Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich mich auf meine Prognose beziehen, die zu stellen jetzt noch verfrüht wäre. Darf ich Sie nur ebenso dringend wie höflich bitten, allen Damen gegenüber ungemein vorsichtig zu sein?“
„Sie dürfen“, schloß Rander und schmunzelte, „aber das soll nicht bedeuten, daß ich diesen Seejungfrauen aus dem Weg gehen werde Sie wissen doch, Parker, einer Gefahr soll man stets aus nächster Nähe ins Auge sehen!“
*
„Sind Sie sicher, daß Edwards ermordet worden ist?“
Der Eigner der „Seejungfrau“ sah den Anwalt völlig entgeistert an. Dann blickte er auf Edwards hinunter.
„Mit letzter Sicherheit läßt sich das natürlich nicht sagen“, gab Mike Rander zurück, „aber man bricht sich nicht so ganz einfach und nebenbei das Genick, finden Sie nicht auch?“
„Aber warum sollte Edwards ermordet worden sein?“
„Wer war Edwards? Sie hatten ihn doch auf die ‚Seejungfrau‘ eingeladen.“
„Norman Edwards ist … äh, ich meine, war Buchhalter in Keswicks Firma.“
„Nichts gegen Buchhalter, Mister Broken, aber die lädt man normalerweise nicht zu einem Ferientrip ein.“
„Er war natürlich mehr als nur Buchhalter. So eine Art Vertrauter von Keswick.“
„Der Ihr Geschäftspartner