„Scheint draußen nicht geklappt zu haben“, stellte Jeff Halton fest, „der Kerl lebt ja noch!“
„Und sieht verdammt gesund aus“, erklärte Joyce Stafford in etwas rüder Sprache, „was mag da draußen passiert sein?“
„Werden wir gleich wissen. Wir hängen uns an den Schnüffler, klar?“
Er wartete die Antwort nicht ab, ließ den Motor anspringen und verfolgte das hochbeinige Monstrum, das sie bereits passiert hatte. Dabei hatte May Clark ihnen einen schnellen, etwas hilflosen Blick zugeworfen, der in Anbetracht der Lage sogar verständlich war.
Jeff Halton und Joyce Stafford hätten überhaupt keine Mühe, Parkers Wagen zu folgen. Er bewegte sich scheinbar mühevoll durch den Verkehr und schien auf dem letzten Loch zu pfeifen.
„Er bringt May nach Hause“, stellte Joyce Stafford nach zehn Minuten Verfolgung fest, „was meinst du, Jeff, versuchen wir’s dann? Kann doch nicht besonders schwer sein!“
„Und ob wir es versuchen werden.“ Jeff Halton grinste, „damit verschaffen wir uns bei der Leitung Pluspunkte, die sich gewaschen haben. Gib das mal durch! Die Leitung muß Bescheid wissen, was wir Vorhaben!“
Joyce Stafford ließ sich tiefer in den Sitz gleiten und griff nach dem Autotelefon …
*
Mike Rander hatte es sich in seinem Hotelzimmer bequem gemacht. Er bewohnte einen kleinen Doppelbungalow in Strandnähe und hatte von der Terrasse aus einen wunderbaren Blick hinüber zum Sandstrand. Dennoch herrschte hier im Hotelpark, in dem die Bungalows standen, Ruhe. Zur Straße hin wurde das Grundstück durch eine niedrige Mauer mit hoher Hecke abgeschirmt.
Rander ging methodisch vor.
Nach seinem Besuch bei Herbert F. Anders, dem Präsidenten der Handelskammer, hatte er sich die Liste der bisher geschädigten Firmen aushändigen lassen. Diese rief er nun der Reihe nach an und sprach mit den betreffenden Firmenleitern. Er bereitete damit den Boden vor. Er stellte sich als Rander vor, sprach von seiner Unterhaltung mit Anders und ließ deutlich werden, daß er den Industriespionen ans Leder wollte.
Verständlicherweise waren die Antworten erst einmal zurückhaltend. Mike Rander bat seine Gesprächspartner, sich umgehend mit Anders in Verbindung zu setzen, damit seine Identität geklärt wurde. Anschließend wollte er sich erneut melden und dann Termine ausmachen. Mike Rander ging es darum, gewisse Interna der Firmen zu erfahren. Dazu brauchte er Vertrauen auf der Gegenseite und freie Hand.
Nach etwa sechs Anrufen gönnte er sich eine kleine Pause und ließ sich per Telefon mit der Hotelbar verbinden. Er bat um frischen, heißen Kaffee. Er lehnte sich im Sessel zurück und zündete sich eine Zigarette an.
Was wird Parker machen, fragte er sich. Ob es ihm gelungen ist, den gesuchten, ersten Kontakt herzustellen?
Es klopfte an der Tür.
„Herein!“ Rander rechnete mit dem heißen Kaffee und drehte sich nicht weiter um. Er spähte hinaus zum Strand und zuckte zusammen, als ein harter Gegenstand gegen seinen Rücken gepreßt wurde.
„Keine Dummheiten“, warnte eine rauhe Stimme, „schön brav die Hände heben!“
„Darf ich mich wenigstens umdrehen?“ fragte Rander. Er bemühte sich, seine Stimme gleichgültig klingen zu lassen.
„Aber ganz langsam!“
Rander drehte, sich langsam um und sah sich einem mittelgroßen, schlanken Mann gegenüber, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte. Er trug helle Ferienkleidung und eine Sonnenbrille, die sein Gesicht zu einem guten Drittel verdeckte.
„Was wollen Sie?“ fragte Rander weiter.
„Sie zu einer kleinen Fahrt einladen, Rander. Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen, oder?“
„Wie sollte ich?“ Rander deutete mit dem Kinn hinunter auf den 38er in der Hand des Mannes. „Diese Argumente haben mich bisher immer noch überzeugt. Wohin soll’s denn gehen?“
„Wollen Sie sich denn gar nicht überraschen lassen?“ Die Stimme des Mannes klang etwas höhnisch und aufreizend. „Sie werden vorausgehen, ich bleibe dicht hinter Ihnen. Wenn Sie mir Ärger machen wollen, schieße ich Sie nieder! Sofort!“
„Ich glaube Ihnen jedes Wort. Aber ich muß doch ehrlich sagen, daß ich überrascht bin.“
„Worüber?“
„Daß gewisse Industriespione so schnell schalten!“
„Dann werden Sie sich gleich noch mehr wundern, Rander. Los jetzt, wir wollen es nicht unnötig spannend machen!“
Rander hatte seine Chancen abgeschätzt. Ein Überraschen des Gegners war nicht möglich. Dieser Mann mußte auf jeden Fall schneller sein. Nun galt es, die Nerven zu behalten.
In diesem Moment tat sich etwas, womit der Besucher und Rander nicht gerechnet hatten.
Die Tür zum Wohnraum wurde nun schwungvoll aufgestoßen.
„Der Kaffee!“ sagte dazu eine frische, gutgelaunte Stimme.
Der Besucher fuhr herum, stieß mit dem Tablett zusammen, auf dem die Thermoskanne mit dem heißen Kaffee stand, und verlor für einen kurzen Moment die Übersicht, zumal der heiße Kaffee oben aus der aufgeschraubten Öffnung schwappte und ihm das Oberhemd verdarb.
Mike Rander nutzte eiskalt seine Chance.
Er erledigte die Affäre mit einem schnellen, harten und gekonnten Handkantenschlag. Der Besucher rutschte sofort in sich zusammen und kam nicht mehr dazu, seine Waffe zu benutzen.
„W… w… was ist denn hier los?“ stotterte der Kellner und sah verdutzt auf den ohnmächtigen Besucher hinunter, neben dem der 38er lag.
„Wir proben für’s Fernsehen“, frotzelte Rander, um dann aber sofort wieder ernst zu werden, „kleiner Überfall am späten Nachmittag. Ich muß schon sagen, daß Ihre Hotelleitung allerhand zur Unterhaltung der Gäste tut!“
„Ich … wir … ich …“
„Schon gut“, sagte Rander, „rufen Sie den Hoteldetektiv und verständigen Sie die Polizei! Drüben auf dem Sideboard steht das Telefon!“
Während der Kellner zum Telefon rannte, untersuchte Rander die Taschen seines jetzt friedlich schlafenden Besuchers.
*
„Ich hoffe, Miß Clark, ich war in der Lage, Ihnen ausreichenden Komfort zu bieten.“
Parker stand neben seinem hochbeinigen Monstrum und reichte May Clark die Hand. Sie wirkte etwas verlegen, als sie ausstieg. Wahrscheinlich war sie soviel Höflichkeit nicht gewohnt. Sie sah an ihm vorbei hinunter auf die Straße.
Parker stand vor der Rückseite eines alten, ausgedienten Hotels, das in ein Apartmenthaus umgewandelt worden war. Das alte Hotel war wirklich nicht der geeignete Rahmen für die reizende Nymphe, die der Butler aus dem Wasser geborgen hatte.
Plötzlich hatte sie es sehr eilig, ins Haus zu kommen. Sie verabschiedete sich hastig von Parker.
„Ich muß jetzt gehen“, sagte sie, „vielen Dank!“.
Bevor Parker antworten konnte, ging sie sehr schnell auf den rückwärtigen Eingang zu und ließ den Butler allein zurück. Er stand auf einem recht engen Hof, der von Brandmauern umgeben war. Im Grund handelte es sich um eine Fälle, aus der es kein Entwischen gab, falls der Fallensteller es nur etwas geschickt anfaßte.
Und wie geschickt er war!
Der Sportwagen stand quer zur Ausfahrt und blockierte den Rückweg zur Straße. Jeff Halton stieg aus dem Wagen und ging langsam, aber ziemlich unauffällig auf die Hotelrückfront zu. Parker und das hochbeinige Monstrum schien er überhaupt nicht zu bemerken.