Rosmarie wollte überhaupt nicht mehr daran denken, wie sie und Heinz damals noch drauf gewesen waren. Wie Dagobert Duck hatten sie auf ihrem Geldsacke einerseits gesessen, andererseits hatte sie das Geld sinnlos aus dem Fenster geworfen.
Nein.
Sollte nicht mehr daran denken, das musste eine andere Frau gewesen sein.
Sie fuhr rechts an den Straßenrand, dann rief sie nicht Heinz an, sondern ihren Sohn. Dort musste sie von ihrer Schwiegertochter allerdings erfahren, dass Fabian mit den Kindern unterwegs war, dass er sogar die kleine Teresa mitgenommen hatte.
»Wenn du also vorbeikommen möchtest, Rosmarie, dann musst du allerdings mit mir allein vorliebnehmen«, rief Ricky. »Aber du weißt doch, du bist jederzeit herzlich willkommen.«
Das stimmte mittlerweile sogar, wobei Ricky von Anfang an weniger Probleme im Umgang mit ihrer Schwiegermutter gehabt hatte.
Rosmarie überlegte nicht lange.
»Einverstanden, Ricky, wenn es dir nichts ausmacht, dann komme ich mal kurz vorbei. Ich möchte gern etwas mit dir besprechen, und eigentlich bin ich sogar ganz froh, dass Fabian nicht daheim ist. Allerdings dauert es ein wenig, ich bin derzeit noch im Sonnenwinkel. Doch ich beeile mich.«
Jetzt war Ricky schon ein wenig neugierig, denn ihre Schwiegermutter hatte aufgeregt geklungen. Was sie wohl mit ihr zu besprechen hatte? Früher hätte sie sich das erklären können, da hatte sie sich mit Rosmarie besser verstanden als Fabian mit seiner Mutter. Doch das hatte sich längst verändert, Mutter und Sohn waren sich nähergekommen, sie waren auf einem guten Weg.
»Fahr langsam, Rosmarie«, rief Ricky. »Es dauert noch eine Weile, bis Fabian mit den Kindern zurückkehren wird.«
Sie beendeten das Telefonat, Rosmarie gab Gas, und Ricky überlegte, was ihre Schwiegermutter wohl mit ihr besprechen wollte. Es lag kein Geburtstag an, Rosmarie erkundigte sich immer bei ihr, was sie schenken könnte. Und das war ja auch nicht verkehrt, sie kannte die Wünsche der Kinder, konnte sie weitergeben, und Rosmarie und Heinz landeten jeweils einen Volltreffer.
Das war nicht immer so gewesen, früher hatte Rosmarie alles Mögliche zusammengekauft, viel und teuer, und sie und Heinz waren immer ganz enttäuscht gewesen, dass die Kinder die teuren Geschenke kaum beachtet hatten. Das hatte sich wirklich zum Glück sehr geändert. Sie waren schon auf dem richtigen Weg, die Rückerts untereinander, schließlich war aus Ricky Auerbach eine Ricky Rückert geworden, etwas, was sie nie, nie bereut hatte. Fabian war ihre große Liebe. Sie bekam noch immer Herzklopfen, wenn er sie in seine Arme nahm und küsste, daran änderten auch die Kinder nichts. Zunächst geplante Wunschkinder und dann eines, das ungefragt einfach beschlossen hatte, auf die Welt kommen zu wollen, die kleine Teresa, aller Sonnenschein.
*
Manchmal überlegte und überlegte man, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, und dann wurde einem die Entscheidung abgenommen.
Rosmarie schien geflogen zu sein, denn sie war unglaublich schnell da, und dann hielt sie sich auch überhaupt nicht lange mit der Vorrede auf, sondern kam auf den Grund ihres Besuches. Sie erzählte, dass die Villa endlich einen Käufer gefunden hatte, dass sie sich mit dem Gedanken anfreunden könnte, in den Sonnenwinkel zu ziehen.
»Sieh mal, Ricky … Heinz und ich wollen auf entspannte Weise die Welt kennenlernen, und Cecile ist überglücklich, dass wir endlich ihr Angebot angenommen haben, in ihrem großen Haus mitten in Paris eine Wohnung zu beziehen. Wir müssen nichts Großes mehr haben, die Villa war der größte Fehler unseres Lebens, und so etwas werden wir ganz gewiss nicht mehr wiederholen. Wir können froh und dankbar sein, dass sich jemand gefunden hat und wir den Klotz an unserem Bein loswerden …, deine Oma hat gesagt, dass ihr beabsichtigt, eure Wohnung im Sonnenwinkel zu verkaufen, stimmt das?«
Ricky nickte.
»Ja, weswegen möchtest du das wissen, Rosmarie?«
Die holte tief Luft, dann sagte sie überzeugt, und das war sie plötzlich auch: »Das Haus wäre perfekt für uns. Ich bin hergekommen, damit du es mal mit Fabian besprichst …, wir würden das Haus gern kaufen.«
Ricky hätte mit allem gerechnet, damit allerdings nicht. Aber warum eigentlich nicht? Dann blieb das Haus in der Familie, sie müssten keine Angst haben, den Kaufpreis nicht zu bekommen, ihre Schwiegereltern schwammen im Geld, was ihnen zu gönnen war. Fabian verdiente genug, sie kamen zurecht, und sie dachten niemals daran, was sie eines Tages erben würden.
Es stellte sich sehr schnell heraus, dass Ricky nicht abgeneigt war, und je länger die Frauen darüber sprechen, umso begeisterter wurden sie beide.
Jetzt galt es nur noch, Fabian zu überzeugen, da hatte Rosmarie überhaupt keine Sorge, dass Ricky das schaffen würde, und sie musste mit Heinz reden, da musste sie sich ebenfalls keine Gedanken machen.
Die Rückerts würden, wenn alles klappte, in den Sonnenwinkel ziehen.
Und es war merkwürdig, es fühlte sich verdammt gut an.
Über Geld wollte Ricky nicht sprechen, man würde sich schon einig werden.
Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile, und wie Rosmarie es bei den Damen plötzlich sehr eilig gehabt hatte, erging es ihr jetzt nicht anders. Sie musste weg, sie wollte zu Heinz.
Ehe Rosmarie ging, steckte sie noch etwas in die Sparschweine der Kinder, das tat sie immer. Doch diesmal war es im Überschwang ihrer Gefühle sehr viel mehr, eigentlich zu viel. Doch Ricky, die normalerweise protestiert hätte, sah großzügig darüber hinweg.
Rosmarie schien sich tatsächlich zu freuen. Fabian würde aus allen Wolken fallen, wenn er diese Neuigkeiten erfuhr. Vom großen, exklusiven, bombastischen ›Palazoo Prozzo‹ in den Sonnenwinkel.
Das hätte Ricky früher niemals für möglich gehalten, und sie hätte darauf auch nicht einen einzigen Cent gewettet. Jetzt erschien es ihr vorstellbar. Das Haus passte zu der neuen Lebensführung ihrer Schwiegereltern.
Manchmal war Ricky so richtig froh, wenn sie mal ein paar Stunden für sich allein hatte. Heute war es anders. Da sehnte sie die Rückkehr ihrer Familie so richtig herbei, vor allem die von Fabian. Sie musste unbedingt mit ihm reden.
*
Sie wollten nicht alles mit in ihr neues Leben nehmen. Was jetzt noch da war, das wurde verschenkt oder nach der Abreise abgeholt.
Pamela und Maren waren allein, sich voneinander trennen zu müssen, wurde für die beiden Mädchen immer schwerer. Und so sehr Maren sich insgeheim auch auf das neue Leben in San Francisco freute, dass sie Pamela zurücklassen musste, das brach ihr beinahe das Herz. Sie hatten beide ziemlich nahe am Wasser gebaut, und wenn Tim nicht gerade dabei war, dann weinten sie auch.
Pamela hatte sich schon eine ganze Menge Erinnerungsstücke ausgesucht, und sie würde ebenfalls alle Elektrogeräte bekommen, weil es in Amerika ganz andere Stromanschlüsse gab.
Pamela hatte ihrer Freundin ein wunderschönes Medaillon geschenkt, in dem sich ein Bild befand, auf dem sie unbeschwert und lachend zu sehen waren. Da waren sie gut drauf gewesen, und da hatte noch niemand an Trennung gedacht.
Pamela war heute besonders wehleidig.
»Weißt du, Maren, es ist ja nicht nur so schlimm, dass ihr jetzt weggeht, nein, schlimm ist, dass sich auf einmal alles verändert. Um das Riesengrundstück wird ein Zaun gebaut, es steht jetzt bereits fest, dass niemand mehr zur Felsenburg hinaufwandern darf. Und wenn ich daran denke, dass die Häuser, in denen ich mit Manuel und auch Hannes so oft gewesen bin, in denen wir Kakao getrunken und gespielt haben, sehr bald nicht mehr da sein werden, dann könnte ich nur noch schreiend herumlaufen. Warum verbietet das niemand? Wunderschöne Häuser werden einfach abgerissen, und ein Golfplatz, ein Tennisplatz,