Der kleine Fürst Classic 40 – Adelsroman. Viola Maybach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Viola Maybach
Издательство: Bookwire
Серия: Der kleine Fürst Classic
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740900915
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rasch seinen Mantel aus, trank ein Glas Wasser und machte sich auf den Weg zu ihr. Sie ließ sich Zeit, bis sie ihm öffnete – und auch dann machte sie ihm nur zögernd Platz, um ihn eintreten zu lassen. Als er ihr einen Kuss zur Begrüßung geben wollte, drehte sie den Kopf weg.

      Sie trug einen seidenen Morgenmantel, der nicht ganz geschlossen war, so dass er erkennen konnte, wie wenig sie darunter trug. Normalerweise genügte dieser Anblick, um in ihm leidenschaftliches Verlangen zu wecken, heute jedoch ärgerte er sich nur darüber, ohne dass ihm klar geworden wäre, warum. Er folgte ihr in den großen Wohnraum, wo er zögernd sagte: »Ich dachte, wir gehen zu mir.«

      »Warum?«, fragte sie, während sie zu ihrem Glas griff. Jetzt erst bemerkte er, dass sie angetrunken war. Beim Sprechen verschliff sie die einzelnen Silben, ihre Augen glänzten verdächtig, und sie hielt sich an der Sessellehne fest, da sie offenbar nicht mehr ganz sicher auf den Beinen war. »Warum?«, wiederholte sie ein wenig lauter, jetzt klang ein aggressiver Unterton durch.

      »Weil ich mehr Platz habe, mehr Vorräte im Kühlschrank, mehr Musik, mehr Bücher und den besseren Fernsehapparat«, antwortete Bernhard. »Und mein Bett ist auch bequemer.«

      »Gut, dass du das erwähnst.« Sie hatte ihr Glas wieder abgestellt. »Darum geht es eigentlich nur, oder? Ums Bett!«

      »Christine, was soll das?« Plötzlich wünschte er, er wäre gar nicht hergekommen, sondern in seiner Wohnung geblieben, hätte noch einmal über den soeben gesehenen »Hamlet« nachgedacht, vielleicht noch etwas Musik gehört, ein Glas Wein getrunken und wäre dann zufrieden ins Bett gegangen, ohne Streit, ohne Auseinandersetzung, ohne Tränen und Vorwürfe.

      Sie kam näher, der Morgenmantel öffnete sich noch ein Stück weiter, sie schien es nicht zu bemerken. »Was das soll? Ich will auch mal mit dir ins Theater gehen, in ein Restaurant, ins Kino. Aber dazu wird es nie kommen, stimmt’s? Dafür hast du ja deine Isa. Bist du sicher, dass da nicht doch mehr ist als reine Freundschaft?«

      »Du bist betrunken«, sagte er mühsam beherrscht. »Wir können gern wieder miteinander reden, sobald du nüchtern bist. Gute Nacht, Tina.« Er drehte sich um und wollte die Wohnung wieder verlassen, doch so einfach machte sie es ihm nicht. Er hörte einen dumpfen Knall hinter sich und fuhr herum: Christine lag am Boden, mit verwirrtem Gesicht und glasigem Blick. »Weiß gar nicht, wie das passiert ist«, nuschelte sie.

      Er half ihr aufzustehen und brachte sie ins Bett. Jetzt war sie nicht mehr aggressiv, sondern anschmiegsam. Sie kuschelte sich in seine Arme. »Ich liebe dich, Bernd«, murmelte sie. »Entschuldige, dass ich zu viel getrunken habe, aber ich bin es so leid, immer auf dich zu warten, kannst du das denn nicht verstehen?«

      »Doch, das verstehe ich«, erwiderte er, obwohl er mindestens so oft auf sie wartete wie sie auf ihn. Dreharbeiten waren eine unzuverlässige Sache, meist endeten sie nicht planmäßig, das hatte er zur Genüge erfahren in den letzten Wochen. »Und ich liebe dich auch, Tina.«

      »Wirklich?« Sie lächelte glücklich, wenig später schlief sie ein.

      Wie ein gefangenes Tier marschierte Bernhard daraufhin durch die Wohnung, bis er sich endlich entschieden hatte: Er schrieb Christine einen Zettel, dass er oben im Penthaus sei – sie möge kommen, wann immer sie wolle. Diesen Zettel legte er gut sichtbar auf den Tisch im Wohnzimmer, dann ging er.

      Oben angekommen, öffnete er eins der Panoramafenster und trat hinaus auf seine großzügige Dachterrasse, wo er die recht kühle Luft in tiefen Zügen einsog. Er musste wegen Christine eine Entscheidung treffen – und das sehr bald. So wie jetzt konnte es auf keinen Fall weitergehen.

      *

      »War’s schön?« Viktor von Löwens Stimme klang zärtlich. Er hatte angerufen, kurz nachdem Isabella nach Hause zurückgekehrt war.

      »Sehr schön sogar, Viktor, es hätte dir auch gefallen, glaube ich.«

      »Ich werde mir die Aufführung auf jeden Fall noch ansehen«, erwiderte er. »Wie geht’s Bernd?«

      »Nicht so gut, schien mir. Er wirkte ein bisschen niedergeschlagen.«

      Viktor lachte leise. »Na, bei der Freundin ist das auch kein Wunder, würde ich sagen.«

      »Was meinst du damit? Du kennst Christine Schalk doch gar nicht!«

      »Ich kenne einige Leute, die schon mit ihr zusammengearbeitet haben. Sie ist offenbar eine ziemliche Zicke. Der Erfolg ist ihr zu Kopf gestiegen, wie das oft passiert, wenn Leute zu schnell nach oben kommen. Derzeit reißen sich ja alle Sender um sie. Wenn dein Freund Bernd jetzt noch um ihre Hand anhält, dreht sie wahrscheinlich endgültig durch.«

      »Es klingt nicht sehr nett, wie du über sie redest. Du bist ihr noch nie begegnet, das sind wahrscheinlich alles nur bösartige Gerüchte.«

      »Nun sei doch nicht so empfindlich, Isa! Ich sage nur, was ich gehört habe – und ich habe es von mehreren Seiten gehört, also gehe ich davon aus, dass ein wahrer Kern dabei ist. Außerdem sage ich das nur zu dir, ich würde zu niemandem sonst Bemerkungen über Frau Schalk machen.«

      »Hoffentlich«, seufzte Isa.

      »Du klingst auch ein wenig bedrückt«, stellte Viktor fest. »Ich hoffe, das liegt daran, dass du mich vermisst?«

      »Soll ich dir die Wahrheit sagen? Nein, daran liegt es nicht, ich bin sogar froh, jetzt allein zu sein, weil ich sehr müde bin. Außerdem sehen wir uns ja morgen.«

      »Ich werde pünktlich sein«, versprach er, »und dann machen wir unsere Landpartie, wie ausgemacht.«

      »Die Sternberger freuen sich schon – sie sind die einzigen Freunde, die wissen, dass ich dich und nicht Bernd liebe.«

      Wieder lachte Viktor. »Sie wissen aber hoffentlich, wen du ihnen da anschleppst? Du weißt, was ich für einen Ruf habe – es gibt genügend Leute, die nicht gern mit mir zu tun haben, weil ich nicht arbeite, ständig meine Freundinnen wechsele und insgesamt nur darauf aus bin, mir ein schönes Leben zu machen.«

      »Mach dich nicht schlimmer, als du bist. Bis morgen, Viktor.«

      »Schlaf gut, Liebste – ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen.«

      Nach diesem Gespräch ging Isabella mit einem Lächeln zu Bett. Viktor nahm das Leben von der leichten Seite, das mochte sie an ihm. Er brachte sie oft zum Lachen und auch wenn sie fand, dass es Situationen gab, in denen er mehr Ernst hätte zeigen müssen, so war sie doch meistens froh über seine Art, Unannehmlichkeiten einfach heiter zu ignorieren.

      Kurz vor dem Einschlafen dachte sie noch einmal an Bernhard und sein bedrücktes Gesicht, als sie sich von ihm verabschiedet hatte. Hoffentlich verbrachte er einen schönen Abend mit seiner Christine!

      *

      Robert Werner betrachtete nachdenklich das Foto, das er zwei Tage zuvor mit seinem Handy geschossen hatte. Was fing er nur damit an? Schon mehrmals war er drauf und dran gewesen, es einfach zu löschen, hatte es im letzten Moment dann aber doch nicht getan. Mit Bernhard von Ahlwitz darüber reden? Es zwar behalten, aber ansonsten möglichst vergessen? Mit der Dame reden?

      Nachdenklich sah er aus dem Fenster des kleinen Cafés, das er sich ausgesucht hatte, um dort einen Cappuccino zu trinken. Andere, das wusste er, hätten es mit einer kleinen Erpressung versucht. Das kam für ihn nicht in Frage. Das Beste würde sein, er vergaß die Angelegenheit, schließlich ging sie ihn, streng genommen, auch überhaupt nichts an. Aber er mochte Bernhard von Ahlwitz nun einmal, und er wollte, dass es ihm gut ging.

      »Verdammter Mist!«, murmelte er.

      »Was ist denn so schlimm?«, fragte eine Stimme neben ihm.

      Erschrocken sah er auf und entdeckte am Nachbartisch eine junge Frau, die ihn offenbar schon längere Zeit beobachtete. Jetzt lächelte sie. Es war ein freundliches, aber unverkennbar auch leicht spöttisches Lächeln. Sie war hübsch, fand Robert. Vollkommen ungeschminkt erstaunlicherweise, mit einer Flut dunkler Locken auf dem Kopf, wozu die blauen Augen einen interessanten Kontrast bildeten. Ohne lange nachzudenken beantwortete er ihre Frage mit der Wahrheit: »Ich habe etwas