Als er in Schwejks Händen das Fläschchen mit dem »geweihten« Öl erblickte, verfinsterte sich sein Gesicht: »Die beste Lösung ist, Schwejk, wenn Sie mir und sich mit diesem Öl die Stiefel schmieren werden.«
»Ich wer versuchen, auch das Schloß damit zu öln«, fügte Schwejk hinzu, »es knarrt schrecklich, wenn Sie in der Nacht nach Haus kommen.«
So endete die Letzte Ölung, zu der es nicht gekommen war.
14
Schwejk als Offiziersdiener bei Oberleutnant Lukasch
I
Schwejks Glück sollte nicht lange währen. Das unerbittliche Schicksal zerriß das freundschaftliche Verhältnis zwischen ihm und dem Feldkuraten. War der Feldkurat bis zu dieser Begebenheit eine sympathische Gestalt, so ist das, was er jetzt tat, geeignet, ihm die sympathische Maske vom Gesicht zu reißen. Der Feldkurat verkaufte Schwejk an Oberleutnant Lukasch oder, besser gesagt, er verspielte ihn beim Kartenspiel. So hat man früher in Rußland die Leibeigenen verkauft. Es kam so unverhofft. In einer netten Gesellschaft bei Oberleutnant Lukasch spielte man »Einundzwanzig«.
Der Feldkurat verspielte alles, und zu guter Letzt sagte er: »Wieviel borgen Sie mir auf meinen Burschen? Ein kolossaler Trottel und eine interessante Figur, etwas Nonplusultra. So einen Burschen hat noch niemand gehabt.«
»Ich borg dir hundert Kronen«, machte sich Oberleutnant Lukasch erbötig, »wenn ich sie bis übermorgen nicht bekomme, schickst du mir diese Rarität. Mein Putzfleck ist ein ekelhafter Mensch. Fortwährend seufzt er, schreibt nach Hause Briefe, und dabei stiehlt er, was ihm unter die Hand kommt. Ich hab ihn schon geschlagen, aber es nützt nichts. Ich ohrfeige ihn, sooft ich ihn sehe, aber es hilft nichts. Ich hab ihm ein paar Vorderzähne herausgehaut, aber der Kerl bessert sich nicht.«
»Also es gilt«, sagte der Feldkurat leichtsinnig, »entweder übermorgen hundert Kronen oder den Schwejk.«
Er verlor auch die hundert Kronen und ging traurig nach Hause. Er wußte bestimmt und zweifelte in keiner Weise daran, daß er bis übermorgen die hundert Kronen nicht auftreiben werde und Schwejk eigentlich elend und miserabel verkauft hatte.
Ich hätt mir um zweihundert Kronen sagen solln, sagte er sich ärgerlich, aber als er in den »Einser« der elektrischen Straßenbahn stieg, die ihn binnen kurzem nach Hause bringen sollte, wurde er von Sentimentalität und Vorwürfen befallen.
Es ist nicht hübsch von mir, dachte er, als er an der Tür seiner Wohnung klingelte, wie werde ich in seine dummen, gutmütigen Augen blicken können.
»Lieber Schwejk«, sagte er, als er zu Hause war, »heute hat sich etwas Ungewöhnliches ereignet. Ich hab ein schreckliches Pech im Kartenspiel gehabt. Ich hab alles hopgenommen und das As in der Hand gehabt, dann ist ein Zehner gekommen, und der Bankhalter hat den Buben in der Hand gehabt und hats auch auf einundzwanzig gebracht. Ich hab paarmal aufs As oder den Zehner gezogen, und immer hab ich das gleiche Blatt wie der Bankhalter gehabt. Ich hab alles Geld verspielt.«
Er verstummte.
»Und zum Schluß hab ich Sie verspielt. Ich hab mir auf Sie hundert Kronen ausgeborgt, und wenn ich sie bis übermorgen nicht zurückgebe, werden Sie nicht mehr mir, sondern Oberleutnant Lukasch gehören. Mir tut es wirklich leid …«
»Hundert Kronen hab ich noch«, sagte Schwejk, »ich kann sie Ihnen borgen.«
»Geben Sie her«, sagte der Feldkurat neu belebt, »ich trag sie gleich zu Lukasch. Ich möcht mich wirklich ungern von Ihnen trennen.«
Lukasch war sehr überrascht, als er den Feldkuraten abermals erblickte.
»Ich komm dir die Schuld bezahlen«, sagte der Feldkurat, siegesbewußt umherblickend, »laßt mich mitspielen.«
»Hop«, ließ sich der Feldkurat vernehmen, als die Reihe an ihn kam. »Um ein Aug«, rief er aus, »ich hab zuviel gezogen.«
»Also hop«, sagte er bei der zweiten Runde, »hop … blind.«
»Zwanzig nimmt«, verkündete der Bankier.
»Ich hab ganze neunzehn«, sagte der Feldkurat leise, während er die letzten vierzig Kronen von dem Hunderter in die Bank legte, den Schwejk ihm geborgt hatte, um sich von der neuen Leibeigenschaft loszukaufen.
Auf dem Heimwege gelangte der Feldkurat zu der Überzeugung, daß Schluß sei, daß nichts mehr Schwejk retten könne und daß es Schwejks Verhängnis sei, bei Oberleutnant Lukasch dienen zu müssen.
Und als Schwejk öffnete, sagte er ihm: »Alles vergeblich, Schwejk. Dem Schicksal kann niemand entrinnen. Ich hab Sie samt Ihren hundert Kronen verspielt. Ich hab alles getan, was in meiner Macht stand, aber das Schicksal ist stärker als ich. Es hat Sie Oberleutnant Lukasch in die Klauen geworfen, und wir müssen Abschied nehmen.«
»Und war viel in der Bank?« fragte Schwejk ruhig, »oder ham Sie selbst Vorhand gehabt? Wenn die Karte schlecht fällt, is es sehr schlecht, aber manchmal is es ein Malör, wenns gar zu gut geht. Am Zderaz hat ein gewisser Klempner Wejwoda gelebt, und der hat immer Mariage in einem Wirtshaus hinter dem ›Hundertjährigen Kaffeehaus‹ gespielt. Einmal, der Teufel hats ihm eingeblasen, sagt er auch: ›Wie wärs, wenn wir Einundzwanzig um ein Fünferl schmeißen möchten.‹ Sie ham also Einundzwanzig um ein Fünferl gespielt, und er hat die Bank gehalten. Alle sind trop geworden, und so is es bis auf einen Zehner angewachsen. Der alte Wejwoda wollt auch den andern was gönnen und hat immerfort gesagt: ›Die Kleine zieht.‹ Sie können sich aber nicht vorstelln, was für ein Pech er gehabt hat. Die Kleine is nicht und nicht gekommen, die Bank is gewachsen, und es war schon ein Hunderter drin. Von den Spielern hat niemand so viel gehabt, daß ers hätt hopnehmen können, und der Wejwoda war schon ganz verschwitzt. Man hat nichts anderes gehört als: ›Die Kleine zieht‹, sie ham zu fünft gesetzt und sind alle hineingefallen. Ein Schornsteinfegermeister hat Wut gekriegt, is sich nach Haus um Geld gegangen, wie schon über anderthalb Hundert drin war, und hats hopgenommen. Der Wejwoda wollts los sein, und wie er später gesagt hat, wollt er sogar bis dreißig ziehn, nur damit ers nicht gewinnt, und hat derweil zwei As gekriegt. Er hat gemacht, wie wenn nichts, und hat absichtlich gesagt: ›Sechzehn nimmt‹, und der Schornsteinfeger hat alles in allem fünfzehn gehabt. Is das nicht Pech? Der alte Wejwoda war ganz blaß und unglücklich, ringsherum hat man schon geschimpft und geflüstert, daß er schwindelt, daß er schon einmal wegen Falschspielen Dresch bekommen hat, obzwar er der ehrlichste Spieler war, und alle ham eine Krone nach der andern geblecht. Es waren schon fünfhundert Kronen drin. Der Wirt hats nicht ausgehalten. Er hat grad Geld fürs Bräuhaus vorbereitet gehabt, so hat ers genommen, hat sich zu ihnen gesetzt, hat zuerst zu zwei Hunderten hineingesteckt, dann hat er die Augen zugemacht, den Sessel umgedreht, damits ihm Glück bringt, und hat gesagt, daß er das alles, was in der Bank is, hopnimmt. ›Wir spieln mit offenen Karten‹, hat er gesagt. Der alte Wejwoda hätt, ich weiß nicht was, dafür gegeben, daß er jetzt verliert. Alle ham sich gewundert, wie er aufgedeckt hat und sich ein Siebner gezeigt hat und er sich ihn gelassen hat. Der Wirt hat sich in den Bart gelacht, weil er einundzwanzig gehabt hat. Der alte Wejwoda hat einen zweiten Siebner gekriegt und hat sich ihn auch gelassen. Jetzt kommt ein As oder ein Zehner‹, hat der Wirt giftig gesagt, ›ich wett meinen Hals, Herr Wejwoda, daß Sie trop sein wern.‹ Es war unglaublich still. Wejwoda deckt auf, und der dritte Siebner zeigt sich. Der Wirt is bleich wie Kreide worden, es war sein letztes Geld, is in die Küche gegangen, und in einer Weile kommt der Junge gelaufen, was bei ihm gelernt hat, wir solln den Herrn Wirt abschneiden kommen, daß er herich an der Klinke am Fenster hängt. Wir ham ihn also abgeschnitten, zu sich gebracht, und man hat weitergespielt. Niemand hat mehr Geld gehabt, alles war in der Bank vorm Wejwoda, der nur gesagt hat: ›Die Kleine zieht‹ und um alles in der Welt nur trop sein wollt, aber weil er seine Karten umdrehn und aufn Tisch hat legen müssen, hat er keinen Betrug machen und nicht absichtlich zuviel ziehn können. Alle waren schon ganz blöd von seinem Glück und