Cam verharrte reglos auf seinem Stuhl und hielt die Luft an, um sich nicht durch Atemwolken zu verraten.
Der Anführer war jetzt keine drei Meter mehr vom Tisch entfernt.
Cam konnte nicht anders, als ihn anzustarren.
Diese Gestalt … diese Kutte … die Kapuze …
Der Anblick brachte irgendwas in seinem Inneren zum Schwingen. Wie eine vage Erinnerung, die zu tief vergraben war, um sie zu greifen. Aber er wusste, hätte er sie packen können, wäre es nichts Gutes gewesen, das er ans Licht gezogen hätte.
Der Repeater trat an die Mitte der Tafel, schien einen Moment auf die steinernen Speisen zu starren, dann drehte er sich um und wandte sich seinen Gefolgsleuten zu. Von seiner Position aus konnte Cam wegen der Kapuze nicht erkennen, was der Mann tat, doch er schien mit seinen Jüngern zu sprechen, denn die hatten sich mit etwas Abstand im Halbkreis vor ihm versammelt und sahen so aus, als würden sie ihm aufmerksam zuhören.
Vorsichtig wagte Cam ein paar langsame Atemzüge. Er brauchte Luft und hoffe, dass die Geisterschar durch die Rede ihres Anführers gebannt genug war, dass sie ihrer Umgebung keine große Beachtung schenkten. Wie schon zuvor stand in ihren Mienen Vorfreude, Verzückung und Entschlossenheit, während sie ehrfürchtig den Worten lauschten, die Cam verborgen blieben.
Schließlich zog ihr Anführer seine Hände aus den Ärmeln und hob die Arme. Das schien eine Aufforderung für die Jünger zu sein. Zu zweit, zu dritt oder zu viert begaben sie sich zu den umliegenden Picknicktischen und setzten sich, während ihr Anführer die beiden Beutel von seinem Gürtel löste und vor sich auf den Tisch legte. Er öffnete sie und Cam sah, dass er kleine Phiolen herausholte, die nicht größer als Cams Daumen waren.
Das Gift.
Cam spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann, als der Mann die winzigen Fläschchen an seine Anhänger verteilte. Als alle versorgt waren, trat er zurück an seinen Platz vor der Festtafel, hielt seine eigene Phiole in die Höhe und richtete noch einmal das Wort an seine Leute. Die hoben ebenfalls ihre Phiolen und nach einer Aufforderung, die Cam nicht hören konnte, führten alle die kleinen Fläschchen an ihre Lippen und tranken das Gift.
Cams Herz hämmerte jetzt wie wild in seiner Brust. Er hatte gewusst, was passieren würde. Er kannte die Geschichte, die man über die Sekte erzählte, die hier im Tumbleweed Park Massenselbstmord verübt hatte. Die Vorstellung, dass Menschen sich selbst umbrachten, war für ihn immer fürchterlich gewesen. Das Ganze jetzt jedoch mit eigenen Augen ansehen zu müssen, war kaum zu ertragen.
Die Jünger schluckten die Flüssigkeit aus den Phiolen und sanken zurück auf Tische und Bänke. Keiner war gezwungen worden, das Gift zu schlucken, und niemand schien es zu bereuen. Viele wirkten entspannt, zufrieden oder freudig. So, als könnten sie es kaum erwarten, dieses Leben endlich hinter sich zu lassen.
Bis die Wirkung des Gifts plötzlich einsetzte und der Todeskampf begann. Ihre Körper krampften, ihre Gesichter verzerrten sich vor Schmerzen und weißer Schaum quoll aus ihren Mündern. Cam biss sich auf die Lippen und unterdrückte nur mit Mühe ein entsetztes Keuchen. Dunkles Blut quoll aus Augen und Nasen der Leute und ihre Leiber bäumten sich unter wildem Zucken auf, bis das Gift ihnen endgültig das Leben nahm. Nach und nach lagen alle still, auch ihr Anführer, der vor der Festtafel zu Boden gesunken war.
Cam schluchzte auf und spürte, wie er am ganzen Körper zitterte. Tränen liefen ihm über die Wangen, als er den Blick nicht von einer jungen Frau nehmen konnte, die zusammen mit einem jungen Mann auf einem der Picknicktische lag. Die beiden waren ungefähr so alt wie Sky und Connor. Groteske Muster aus dunklem Blut und hellem Schaum zogen sich über ihre bleichen Nebelgesichter. Sie hatten die Finger ihrer Hände verschränkt und einander selbst dann nicht losgelassen, als sie qualvoll mit dem Tod gekämpft hatten.
Das war falsch.
Verdammt, das war doch einfach nur falsch!
Cam presste die Lippen fest aufeinander, trotzdem schaffte er es nicht, ein weiteres Schluchzen zu unterdrücken.
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