»Sag mal, Melanie …«
»Ja, was denn?«
Klaus entschloss sich, das Pferd anders aufzuziehen. »Wollte deine Freundin nicht mitkommen?«, fragte er.
»Eigentlich schon, aber ich hab sie gebeten, wegzubleiben, ich wollte mit dir alleine sein.«
»Ich habe es mir leider gedacht«, sagte er und sie schaute überrascht.
»Wieso leider?«
Er atmete schwer aus. Auch wenn Klaus ein durchaus mitfühlender Mann war, so tat es ihm doch leid, wenn sie sich irgendwelche Hoffnungen gemacht hatte. Aber besser ein rasches Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, dachte er sich. »Was soll’s«, sagte er mehr zu sich als zu ihr. »Ich habe mir irgendwie … gedacht, dass du dir mehr wünschst. Mir sind deine Blicke und auch, dass du so schnell beim Du warst, nicht entgangen.« Während er sprach, sah er, wie ihr ein wenig die Schamesröte ins Gesicht schoss.
»Das hast du also trotz der Müdigkeit und des Buches gemerkt?«, fragte sie nach.
»Ja. Und ich muss dir leider sagen, dass du dir wohl einen anderen Urlaubsflirt suchen musst. Sicher, du bist eine sehr attraktive junge Frau, aber ich muss dir gestehen, dass du absolut nicht in mein, wie man so schön sagt, Beuteschema passt. Ich bevorzuge da eher die Damen in meinem Alter oder ein wenig älter.«
»Oh Mann!«, stieß sie hervor. »Und ich dachte, ich könnte bei dir landen. Ich mag eben keine gleichaltrigen Jungs, wenn ich es mal so ausdrücken darf, die wollen immer nur ficken und abspritzen und fertig. Ich mag Männer mit deiner Reife. Und leider sind hier nur sehr wenige Singles.«
»Ich verstehe deine Misere«, entgegnete Klaus. »Aber ich denke, es ist besser, dass ich dir jetzt reinen Wein einschenke, als dass ich dich lange zappeln lasse. Wir können gern mal zusammen was essen oder so. Aber mehr wird da leider nicht passieren.«
Man sah Melanie ihre Enttäuschung an. Anscheinend war sie in ihrem Kopfkino schon weiter gewesen, aber Klaus wollte sich eben nicht verbiegen und deswegen ehrlich sein. »Ich hoffe, du bist jetzt nicht allzu böse mit mir«, sagte er.
»Nein, du hast ja recht, auch wenn es wehtut. Lieber gleich offen sagen, was der Plan ist, statt lange rumzueiern. Aber es ist eben doch schade.« Klaus sah, wie ihre Augen feucht wurden. Das fand er nun etwas übertrieben. Oder wollte sie ihm auf der Mitleidsschiene kommen?
»Bitte entschuldige mich«, meinte sie noch mit leicht tränenerstickter Stimme und stand hastig auf. Klaus blieb allein zurück und genoss seinen Kaffee. Doch auch der half nicht wirklich. Klaus merkte, wie das Monster der Müdigkeit ihn zu überwältigen drohte, also lief er kurz zurück zu seiner Liege, packte seine Sachen zusammen und ging aufs Zimmer. Er stellte sich noch einen Wecker, damit er das Abendessen nicht verschlief, und kaum lag er auf dem Bett, wurde es auch schon dunkel um seine Sinne herum.
Als nach zwei Stunden der Wecker klingelte, war er zwar etwas erfrischt, aber seine Knochen kamen ihm vor wie Blei. Trotzdem schaffte er es, sich in die Dusche zu quälen und frisch zu machen.
Und jetzt stell dir vor, Melanie wäre hier, dachte er. Die würde denken, du bist ein alter Opa, so fix und fertig, wie du bist.
Er zog sich an und begab sich dann ins Restaurant. Er setzte sich als Raucher auf die offene Terrasse und genoss das Abendessen. Als er die beiden Frauen sah, würdigte Melanie ihn kaum eines Blickes, noch nicht mal, als sie beide nebeneinander am Büfett standen. Aber das war ihm eigentlich auch egal. Er schlemmte die türkischen Leckereien und empfand die Ruhe als Erholung pur.
Anschließend machte er noch einen kleinen Spaziergang und musste feststellen, dass die Gegend wirklich sehr abgelegen war. Genau richtig.
Als er wieder im Hotel war, war es kurz vor einundzwanzig Uhr. Der türkische Folkloreabend sollte ja gleich losgehen. Es setzte sich auf einen freien Stuhl und schaute zu. Die Darsteller machten ihre Sache wirklich gut, aber eine halbe Stunde später merkte er, dass da nichts mehr ging. Sein Körper wollte nur noch eins: schlafen. Also trank er seinen Drink aus und ging aufs Zimmer. Auf die Uhr sah er zum letzte Mal um zwanzig vor zehn.
2.
Der nächste Morgen begann wunderbar für Klaus. Die Sonne schien, morgens um acht Uhr waren es bereits siebenundzwanzig Grad – was wollte man mehr? Nach einem ausgiebigen Frühstück ging er zunächst zum Strand und genoss einfach das Faulsein und sein Buch. Es folgten mehrere Ausflüge ins Mittelmeer. Nach einem kleinen Snack zum Mittag wollte er eigentlich noch bleiben, doch es wurde ihm trotz Sonne und über dreißig Grad zu kalt. Es kam ein sehr stürmischer Wind auf, daher beschloss er, wieder ins Hotel zu gehen und sich dort noch etwas an den Pool zu legen. Er hatte noch nicht einmal seine Sachen abgestellt, da hörte er schon Yvonne rufen: »Dich hätten wir gestern Abend gebrauchen können. Wo warst du denn? Du wolltest doch auch zu diesem türkischen Abend kommen.«
Klaus drehte sich um und sah die beiden jungen Frauen vom Vortag auf sich zukommen.
»Hallo erst mal, die Damen«, sagte er. »Was ist denn los, dass ihr so aufgeregt seid? Ich war gestern kurz bei dem Folklore-Event, aber ich war so müde, ich bin dann einfach ins Bett.«
»Wir mussten uns danach noch einiger aufdringlicher Kerle erwehren, aber die waren so besoffen, die merkten einfach nichts mehr, haben uns überall betatscht«, erklärte Melanie, immer noch leicht wütend darüber.
Klaus schaute die zwei an und meinte dann: »Ich dachte, ihr seid so durchsetzungsstark, dass ihr auch mit solchen Männern fertig werdet?«
»Eigentlich schon. Schau mal da rüber, die drei Typen da, die waren es«, meinte Melanie.
Klaus blickte in die Richtung und drei junge Männer, die maximal fünfundzwanzig waren und sich wohl mit dem Spiel Wer-verträgt-den-meisten-Alkohol-in-der-knallenden-Sonne vergnügten.
»Aussehen tun die Herren ja gut, aber anscheinend sind sie doch sehr durstig«, meinte Klaus sarkastisch.
»Ja, die waren so besoffen, die wollten einfach kein Nein akzeptieren«, sagte Yvonne.
»Warum habt ihr dann nicht diese unheilbare Frauenkrankheit namens Das zuckende Knie ausgespielt?«, wollte Klaus wissen, doch statt einer Antwort sah er nur in zwei Gesichter, die aussagten, dass sie nicht wussten, was er meinte. »Kennt ihr das nicht?«, hakte er nach.
»Nein, was soll das für eine Krankheit sein?«, wollte Yvonne erfahren.
Klaus schnaubte und fragte: »Soll ich es euch mal demonstrieren?«
»Ja, bitte«, bestätigte Melanie.
»Dann kommt mal eben einer von euch beiden zu mir und tut so, als wolle er mich liebevoll in den Arm nehmen.« Wieder erntete er nur verständnislose Blicke und die Frauen zögerten, schließlich gab sich Melanie einen Ruck, kam auf ihn zu und breitet die Arme aus. Klaus trat einen Schritt vor und sagte dann: »Und jetzt schaust du noch so verliebt, als sei ich der Mann deiner Träume. Keine Angst, ich werde nichts machen, was unsittlich ist,« beschwichtigte er und Melanie tat, wie befohlen.
»Siehst du, und wenn ich jetzt so ein besoffener Kerl wäre, dann lächelst du mich weiter an und dabei … ZACK!« Als Klaus Zack sagte, griff er sanft unter das Knie von ihr und hob es langsam so zwischen seine Beine, dass es bei mehr Kraftaufwand genau in seine Kronjuwelen gegangen wäre, allerdings sehr schmerzhaft. »Habt ihr jetzt verstanden, was ich meine?«, wollte Klaus wissen und Yvonne wirkte erbost.
»So was macht man nicht, das tut doch dem Mann weh.«
»Ja, aber dann weiß auch der besoffenste Kerl, was Sache ist«, entgegnete Klaus.
»Also, mir ist das ist zu brutal«, erboste sich Yvonne weiter.
»Dann kann ich euch auch nicht helfen«, meinte Klaus und schüttelte leicht verständnislos seinen Kopf. Soll doch einer die Frauen verstehen.
Er schaute die beiden an, die anscheinend immer noch geschockt waren von dem, was er ihnen eben gesagt hatte. Und irgendetwas trieb ihn dazu, seine Aussage noch zu untermauern.