Hillmoor Cross. Shannon Crowley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shannon Crowley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958130425
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da. Er hatte ein Schwindelgefühl im Kopf und nach wie vor hämmernde Schmerzen. Zu Hause musste er unbedingt zwei Aspirin nehmen. Er ging zum Fenster und stellte fest, sich mindestens im zweiten Stock zu befinden. Keine Chance also, die Klinik auf diesem Weg zu verlassen. Er öffnete die Zimmertür, und in weniger als zwei Meter Entfernung stand Doctor Mackenzie mit einem Kollegen im Gespräch, den Blick unmittelbar in Jakes Richtung gehalten. Jake straffte die Schultern. Er war ein erwachsener freier Mann. Er musste nicht heimlich gehen. Er konnte auf eigenen Wunsch entlassen werden.

      Eine halbe Stunde später waren die Formalitäten erledigt. Doctor Mackenzie war sehr ärgerlich gewesen. Er hatte veranlasst, dass Jake eine Erklärung unterzeichnete, freiwillig und auf eigene Verantwortung zu gehen. Während er notgedrungen auf das Papier gewartet hatte, hatte er von der Schwester noch eine Kopfschmerztablette erbeten und sich ein Taxi rufen lassen.

      Das Taxi wartete vor dem Eingang der Klinik. Jake stieg hinten ein und wies dem Fahrer den Weg. Während der Mann den Mercedes durch die belebten Straßen von Galway lenkte, war es Jake, als träte er selbst seinen letzten Gang an.

      *

      Katie saß zusammengekrümmt auf der Kante ihres hellgrauen Sofas, das von unzähligen Mahlzeiten im Laufe der Jahre voller Flecken war, und biss sich die Finger wund. Es war neun Uhr morgens. Ben hockte ihr gegenüber auf einem runden Sitzpolster, das die gleiche Farbe hatte wie das Sofa, und rang hilflos die großen Hände.

      »Sweetie, jetzt steiger dich mal nicht so rein. Ich hab echt alles abgesucht, Zentimeter für Zentimeter. Der ist nicht im Wald, nicht in dem alten Schuppen und nirgends auf der Baustelle. Ich bin rund um den Kindergarten und hab in jedes Gebüsch gesehen. Sogar bei dem alten Schrottplatz bin ich gewesen, wo wir letzten Sommer den Reifen für meinen Wagen geklaut haben. Aber nix! Der kann nur noch bei diesem Finn sein. Und ich sag dir, sobald der auftaucht, hau ich dem Alten eine rein, die sich gewaschen hat. Das ist doch wirklich keine Art nicht, einfach das Kind mitzunehmen.«

      Katie wippte auf der Kante vor und zurück. In ihr saß eine dumpfe Furcht, die immer größer wurde. Wo war Sebastian, wenn er doch nicht bei Finn war und auch sonst nirgends? Es gab doch so viele schlechte Menschen auf der Welt, die anderen Böses wollten.

      »Sag, was hältst du davon, wenn wir zu dem Kerl fahren, und ich möbel ihm gleich eine? Und dann nehmen wir den Kleinen mit heim. Ich kauf ihm ne Riesenportion Eis, da schwör ich drauf!«

      Katie schüttelte den Kopf.

      »Weißt nicht, wo der Typ wohnt?«, erkundigte sich Ben und ließ jetzt die Hände zwischen den Knien hängen.

      »Doch. Aber ich war schon da, gestern. Er ist verreist.«

      »Hm«, machte Ben. Sie hörte am Tonfall, dass sich seine bisher besorgte Miene verfinstert hatte.

      »Ich hab geklingelt und wollte ihn zur Rede stellen. Dann ist eine alte Frau vorbeigekommen und hat gesagt, er kommt nicht vor dem 25. wieder.« Katie biss in ihren Daumen, bis es schmerzte.

      »Ach so. Na dann ist er mit ihm weggefahren. Du wirst sehen, der ist in ein paar Tagen gesund und munter wieder da. Ihm ist nichts passiert, glaub mir.«

      Katie richtete sich langsam auf. Ihr ganzer Körper brannte und schmerzte. Sie wollte Ben zu gern glauben, und doch nagten immer mehr Zweifel in ihr. Es passte einfach nicht zu Finn, sich so zu verhalten.

      »Ich muss zur Polizei. Die müssen was tun. Die haben doch ganz andere Möglichkeiten als wir. Fahndung und so. Wenn Finn die Zeitung liest und sieht, dass ich mir das nicht gefallen lasse, wird er sich melden.«

      Ben schüttelte den Kopf.

      »Nee, da machste nur die Pferde scheu. Vielleicht kommt er dann gar nicht mehr zurück.«

      »Der muss doch zurückkommen. Der hat doch seine Arbeit, die ihm so wichtig ist.« Ihr war kalt und sie war so müde. Trotzdem wusste sie, sie würde nicht schlafen können.

      »Was macht er denn für ’ne Arbeit?«

      Katie schnaubte. Inzwischen war ihr fast alles egal.

      »Er ist Pfarrer und hat eine eigene Gemeinde.«

      »Pfarrer? Ein Pfaffe?« Ben japste und schlug sich auf die Schenkel. »Meine Fresse, Sweetie. Du bist ja eine Nummer. Dass du eine ganz Heiße bist, hab ich ja schon immer gewusst, aber so was! Lässt es dir von ’nem Pfaffen besorgen und dann gleich mit Ergebnis. Na, wenn du das mal gleich gesagt hättest. Ist doch klar, dass der jetzt den Kopp unter der Decke hält. Wahrscheinlich weiß er nicht, wie er aus der Nummer wieder rauskommt, und deswegen hörst du keinen Pieps. Der ist ruiniert, wenn du den Mund aufmachst. Jetzt entspann dich mal. Der kommt gekrochen und bettelt, dass du ihn nicht anschwärzt. Das kannst dir bezahlen lassen, und da würd’ ich an deiner Stelle nicht drauf verzichten.«

      Ein müdes Lächeln huschte über ihr Gesicht, und für einen Moment empfand sie ein warmes herzliches Gefühl für den schlichten massigen Mann, der sein Geld nur mit Gelegenheitsjobs verdiente, seit er aus dem Gefängnis raus war.

      »Na komm, Kätzchen. Jetzt komm her zu mir.« Er schlug sich auf die Schenkel.

      »Wir warten noch auf den 25., und dann ist alles wieder gut. Komm her.« Ben streckte die Hand aus. Katie ließ sich auf seinen Schoß ziehen und legte ihm den Kopf an den Hals. Vielleicht hatte er ja recht. Und bis zum 25. konnte sie jetzt auch noch warten, auch wenn ihr jede Minute eine Qual war. Wenn Basti wieder hier war, würde sie ihn in Zukunft jeden Tag zum Kindergarten begleiten, das schwor sie sich.

      Kapitel 5

      Jake ging bedächtig und mit schleppenden Schritten über den mit terrakottafarbenen Pflastersteinen belegten Fußweg zur Haustür. Vereinzelt knirschten einige der Kieselsteinchen unter seinen Turnschuhen, die Großmutter Martha regelmäßig sorgfältig zwischen die Fugen kehrte, damit möglichst wenig Unkraut wuchs. Er steckte den Schlüssel in Schloss, vergewisserte sich noch einmal, dass der Taxifahrer bereits das Weite gesucht hatte, und drückte die Haustür nach innen auf. Klamme Kälte lag wie ein schwerer nasser Mantel um seine Schultern und wollte ihn zu Boden drücken. Er öffnete den Mund, um versuchsweise nach der Großmutter zu rufen, und klappte ihn wieder zu. Eine eiskalte Faust drückte ihm die Kehle zu, presste seinen Adamsapfel nach innen und drohte ihn zu ersticken. Sein Herz drosch gegen die Rippen. Großmutter Marthas Koffer stand im Flur, ihr Schlüsselbund lag auf dem Schuhschrank. Im Haus herrschte Stille. Grabesstille. Jake drückte die Haustür hinter sich zu.

      ›Sie ist tot‹, hämmerte es wie ein Stakkato hinter seiner Stirn. ›Sie liegt unten und ist tot.‹ Ein stechender Schmerz flammte in seinem Schädel auf.

      ›Ich muss hinunter und nach ihr sehen‹, dachte er. Vielleicht gab es ja noch eine winzige Chance. Seine Beine waren stocksteif und er brauchte alle Willenskraft, zur Kellertreppe zu gehen, die zum Erdgeschoss mit einer Tür verschlossen war. Mit feuchtkalten Fingern klammerte Jake sich am Treppengeländer fest und nahm Stufe für Stufe hinunter. Zitternde Schwäche und grauenvolle Furcht saßen wie kleine hässliche Teufel in jeder Zelle seines Körpers. Dann stand er vor dem Verschlag. Die hölzerne Tür war zu, der Metallriegel noch immer vorgeschoben, dahinter war kein Laut zu vernehmen. Es kostete ihn übermenschliche Kraft, die Sperre zurückzuschieben und die Tür zu öffnen.

      Großmutter Martha lag auf der Seite in zusammengekrümmter Haltung. Ihre Augen waren starr und halb geöffnet, ebenso ihr Mund, als hätte sie mit letzter Kraft geschrien und mitten in einem Atemzug das Leben aus sich herausgestoßen. Die rechte Wange, die er sah, war eingefallen, ihre Haut war fahl, die Finger der rechten Hand krallten sich in den erdigen Boden, der über 200 Jahre lang festgetreten worden war. Mit bebenden Gliedern ging Jake neben der Toten in die Hocke. Seine Wunde am Bein durchjagte ein stechender Schmerz, den er ignorierte. Er zwang sich, nach Marthas Handgelenk zu greifen und nach dem Puls zu suchen. Die Haut war kalt und wächsern, und er gab es auf. Vielleicht am Hals? Vielleicht war da noch Leben? Vorsichtig tastete er den Bereich ab, an dem er die Schlagader vermutete. Die unbewegten Augen der Großmutter starrten unter den halb gesenkten Lidern ins Leere.

      Jake quälte sich in aufrechte Haltung. Es war vorbei. Die alte Frau, die