Hillmoor Cross. Shannon Crowley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shannon Crowley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958130425
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und infolgedessen für Marthas Tod gesorgt. Jake drückte auf ›Nummer verwenden‹. Nach dem zweiten Läuten kam die Bandansage einer Telefongesellschaft, die Werbung für einen neuen Mobilfunkvertrag machte. Jake ließ den Arm sinken, mit dem er das Gerät ans Ohr gehalten hatte. Seine Großmutter war wegen eines Werbeanrufes gestorben, der ihn bei überhöhter Geschwindigkeit erschreckt hatte. Hätte er sich nicht so kraftlos gefühlt, er hätte das Handy zertreten mögen. Sein Blick fiel auf Marthas Koffer, der wie eine stumme Anklage im Flur stand. Er sollte ihn sofort wegräumen. Eine gewaltige Schwäche überkam ihn, und er fühlte kalten Schweiß aus sämtlichen Poren kriechen. Der Koffer musste bis morgen warten.

      Jake nahm zwei Schmerztabletten und legte sich ins Bett. Die Tabletten wirkten nach einer halben Stunde, der Schlaf aber wollte nicht kommen. Als er im Morgengrauen schließlich doch eindämmerte, plagten ihn Albträume. Schweigend und übergroß stand Martha vor ihm, hinter ihm und über ihm, wie eine Macht die ihn umzingelte, immer näher kam und ihn ersticken wollte. Schweißgebadet fuhr Jake hoch. Durch die zugezogenen dunkelroten Vorhänge in seinem Schlafzimmer blinzelte die Morgensonne. Er sah auf den Wecker neben seinem Bett. Kurz nach acht Uhr. Ein paar Minuten blieb er liegen, ehe er aufstand, um sich anzuziehen. Als er auf dem Weg hinunter ins Erdgeschoss war, erblickte er Marthas Koffer, der noch immer im Flur stand. Er schleppte ihn die Treppe hoch, stieß die Tür zum Schlafzimmer der Großmutter auf, das am Ende des Flures lag, und schob ihn hinein. Er würde sich später überlegen, ob er ihn ausräumen oder samt Inhalt über die Cliffs of Moher werfen sollte, wenn die Straßensperre wieder weg war.

      Jake schloss die Tür, ging hinunter in die Küche, setzte Teewasser auf und hörte von der Straße her ein Motorengeräusch. Mit gerunzelter Stirn trat er ans Fenster. Ein orange-roter R5 älteren Baujahres rumpelte über die Zufahrt zur Schaffarm. Die letzten 200 Meter waren nicht betoniert, sondern bestanden aus einer festgefahrenen Schicht Kies und machten dem klapprigen Fahrzeug sichtlich zu schaffen. Jake versuchte den Fahrer hinter dem Steuer auszumachen, doch die Morgensonne blendete ihn. Er war sicher, es war jemand, der sich verfahren hatte und nun nach dem Weg fragen wollte. Der R5 parkte direkt am Gartenzaun, und damit etwa zu einem Drittel auf der Schotterstraße. Die füllige Frau, die ausstieg, kam Jake vage bekannt vor. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Sie blieb stehen und betrachtete einen Moment das Haus, ehe sie um das Auto herumlief und aus dem Kofferraum einen Korb heraushob. Zielstrebig machte sie sich auf den Weg zur Tür. Zwei Schläge mit dem Türklopfer hallten durchs Haus. Jake ging öffnen.

      Es dauerte einige Sekunden, ehe er in der Frau mit den derben Wildlederstiefeln und dem zu engen schwarzen Parka die Krankenschwester aus der Klinik erkannte. Genau genommen erkannte er sie erst, als sie die Lippen zu einem künstlichen Lächeln auseinanderzog.

      »Jake, wie schön, Sie halbwegs munter zu sehen! Guten Morgen. Ich habe gehört, Sie wollten unbedingt vorzeitig nach Hause. Ich hoffe, ich störe nicht?«, plapperte sie los und streckte ihm die Hand entgegen. Zögerlich nahm er sie. Ihre Haut war kühl und trocken, der Händedruck nicht fest genug für seinen Geschmack.

      »Sie erinnern sich doch an mich?«, fuhr sie fort, als er keine weitere Reaktion zeigte.

      »Doch natürlich. Aus der Klinik«, erwiderte er. Ihm fiel auf, dass sie ihn beim Vornamen genannt hatte, und sie sah aus, als würde sie so rasch nicht wieder gehen.

      »Lacey Stone, genau. Darf ich reinkommen?« Sie hob ihren Korb ein Stück in die Höhe. »Ich habe Ihnen ein paar Kleinigkeiten zu essen mitgebracht. Ich dachte, solange Ihre Großmutter verreist ist, kümmert sich vielleicht niemand um Sie. Oder ist sie schon zurück?«

      »Nein.« Er rührte sich nicht von der Stelle. Jemand, der sich um ihn kümmerte, hatte ihm gerade noch gefehlt.

      »Ich habe Cheesecakes gebacken, und Schinken und Soda-Brot gekauft. Wenn Sie möchten, koche ich Ihnen einen Tee dazu, dann können Sie sich hinsetzen und ausruhen. Oder haben Sie schon gefrühstückt?«

      In der Küche begann der Teekessel zu pfeifen. Jake zwang sich zu einem Lächeln.

      »Nein, aber wie Sie hören, ist das Teewasser gerade fertig. Es ist sehr nett, dass Sie sich Gedanken um mich machen, aber es ist wirklich nicht nötig. Ich komme gut zurecht.«

      »Ich mache es gern. Und jetzt koche ich Ihnen den Tee. Sie sind ja gewissermaßen noch Patient«, entschied sie und stellte ihren Fuß auf die Stufe vor der Haustür.

      Er hätte unhöflich sein können und sie wegschicken. Appetit auf den Schinken hatte er schon, doch nichts rechtfertigte das Eindringen einer Lacey Stone in sein Leben, und wenn es nur für einen Krankenbesuch war. Lacey schob sich an ihm vorbei.

      »Die Küche ist hier vorne?«, erkundigte sie sich überflüssigerweise, denn die Tür stand offen und man sah direkt auf den Herd, auf dem der Teekessel stand. Der Wasserdampf entwich lautstark als heiße Nebelfahne. Jake stieß einen brummenden Ton aus, den man kaum als Zustimmung verstehen konnte, und beobachtete, wie die füllige Frau ihren Korb auf seinem Küchentisch abstellte.

      »Es war übrigens gar nicht so einfach, hierher zu finden, obwohl ich selber in der Gegend wohne und groß geworden bin. Ich wohne in Clifden. Na ja, in Clifden kann man das eigentlich nicht mehr nennen, sondern mehr ganz am Rand. Aus der Klinik wusste ich Ihre Anschrift und dachte, ich finde schon her. Aber in dieser Ödnis hat das Navi gestreikt.«

      Sie griff in ihren Korb, zog eine Tageszeitung heraus, die zwischen den Lebensmitteln steckte, und reichte sie ihm.

      »Hier, Ihre Zeitung. Ich habe an der einzigen Kreuzung nach hierher einen Postboten getroffen und nach dem Weg gefragt. Er hat mich gebeten, Ihnen die Zeitung gleich mitzubringen. Mehr Post ist es heute nicht.«

      Jake schmeckte Galle. Er würde sich den Mann beim nächsten Besuch vorknöpfen. Lacey zog ihre Jacke aus, legte sie über einen Stuhl und nahm den Kessel vom Herd.

      »Miss Stone, Sie brauchen sich keine Mühe zu machen. Ich fühle mich gut und ich kann das alleine«, machte er einen weiteren Versuch, ihren Aktionismus zu stoppen.

      »Lacey. Sagen Sie bitte Lacey zu mir. Schon gut. Eigentlich gehören Sie ins Krankenhaus und ins Bett. Außerdem habe ich heute frei, es macht mir keine Mühe. Wo sind die Teeblätter?«, fragte sie. Jake deutete stumm auf eine Anzahl bunter Metalldosen, die ordentlich aufgereiht auf der Arbeitsfläche direkt an der Wand standen.

      »Teller und Tassen?«, forschte sie weiter.

      Fünf Minuten später hatte Lacey den Tisch für zwei Personen gedeckt und schenkte den Tee ein. Jake gab sich geschlagen, war jedoch wild entschlossen, so ein Vorgehen kein zweites Mal zuzulassen. Je gründlicher er sie beobachtete, umso mehr hatte er den Eindruck, sie würde gerade in seiner Küche die Herrschaft an sich reißen. Nach der kurzen Stippvisite einer besorgten Klinikschwester sah ihr Verhalten jedenfalls nicht aus.

      Er zwang sich, ein Stück Schinken und eine kleine Scheibe Soda-Brot zu essen und vermied es, Lacey dabei zuzusehen, wie sie selbst frühstückte. Ob es ihm recht war, hatte sie nicht gefragt. Ihm ging durch den Kopf, wie Großmutter Martha reagieren würde, wenn sie ihn in dieser Zweisamkeit hier anträfe, und plötzlich schoss helle Panik in ihm auf. Was, wenn Martha plötzlich in die Küche kam und Lacey anklagend erzählte, dass er sie getötet hatte? Das musste er unbedingt verhindern. Lacey musste fort, und zwar rasch. Er umklammerte das Messer, mit dem er den Schinken geschnitten hatte. Schweiß sammelte sich auf seinem Rücken.

      ›Fang bloß nicht an zu spinnen!‹, befahl er sich. ›Martha ist tot. Sie kann nicht in die Küche kommen und …‹

      Der Türklopfer donnerte an die Haustür und unterbrach seine wirren Gedanken. Jake fuhr zusammen und stieß mit dem Handrücken an die Teetasse. Das noch immer heiße Getränk schwappte über und traf seine Haut.

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