Der Tod in der Salzwiese. Sibyl Quinke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sibyl Quinke
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958131729
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sollten sie sich unterhalten wollen? Diese Frage stand in Bresniaks Miene, während er immer noch grübelte, woher er dieses Gesicht kannte, das von aschblondem Haar umrahmt war und dessen Locken sich strikt weigerten, sich in eine Frisur bannen zu lassen.

      »Puschkin? – Helfen Sie mir, wo haben wir uns schon einmal gesehen?«

      »Bresniak, alter Knabe, erkennst du mich nicht mehr? Peter – Peter Garnix«, half er ihm auf die Sprünge.

      »Aber Inka sagte gerade Puschkin …«

      »Ich habe bei der Heirat den Namen meiner Frau angenommen. Du musst zugeben, Puschkin klingt besser als Garnix.«

      Es machte klick.

      Bresniak erkannte seinen alten Kumpel, den er aus der Pfadfindergruppe kannte – lange war es her.

      »Mann, wie bist du nach Norddeutschland gekommen?«

      »Die Liebe, die Liebe, meine Frau Puschkin hat für mich einen sehr großen Anziehungsfaktor, immer noch!«, dabei wurden seine Gesichtszüge weich, seine Augen nahmen einen Glanz an, der seine Aussage bestätigte, und wieder zuckte er mit der Schulter und drehte sie nach hinten.

      »Deine Schulter hat sich jedenfalls nicht geändert, sie tanzt immer noch ihren eigenen Rhythmus.«

      »Stimmt – mal mehr, mal weniger. Wenn ich aufgeregt bin, dann mehr. – Ihr seid die beiden, denen ich dieses Leichenteil zu verdanken habe?«

      »Was hast du mit unserem glitschigen Arm zu tun?«

      »Das weißt du gar nicht? Ich bin bei der Polizei gelandet. Ich leite die Mordkommission in Wittmund.«

      »Ist nicht wahr? Dann sind wir Kollegen!«

      Das Erstaunen war beidseitig. Es folgten ein Austausch über Werdegang und die Lebensläufe in Kurzfassung.

      »Da bist du tatsächlich Polizist geworden – davon hast du schon bei unseren Gruppenstunden in der Gemeinde geträumt.«

      »Ja, ich lebe meinen Traum. Deshalb bin ich nun hier, und ihr sollt mir berichten, wo und wie ihr einzelne Arme einsammelt.«

      Lilli und Bresniak schilderten, was und wie sie den heutigen Morgen erlebt hatten.

      »Mmhh«, brummte Puschkin, »könntest du mich bei den Ermittlungen unterstützen? Ich habe zurzeit einen Fall, der nicht nur mich, sondern unsere ganze Polizeiinspektion auf dem Festland auf Trab hält. Du weißt, Du könntest harmlos oder meinetwegen auch mit deinem Dienstausweis Aussagen sammeln, die uns weiterbringen.«

      »Du, ich habe keine Lust, mir Schwierigkeiten mit eurem Polizeidirektor einzuhandeln; der wird sich ein Einmischen in eure Belange verbitten.«

      »Du könntest dich als neugieriger Tourist in Kneipen oder im Heimatverein oder Ähnlichem untermischen, ohne dass es einen offiziellen Charakter hat. Du könntest etwaige Zeugen vorsortieren, nach dem Motto ‚Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen‘, sodass die offizielle Befragung nur die wirklich wichtigen Kandidaten betrifft. Unser Polizeidirektor, der denkt pragmatisch, außerdem stimmt die Chemie zwischen uns. Das spreche ich mit ihm ab. Da sind keine Schwierigkeiten zu erwarten. Außerdem müsste ich mich länger hier einquartieren, was nicht das Schlechteste wäre«, dabei grinste Puschkin, »oder ich müsste die Leute nach Wittmund einbestellen, jedes Mal eine Tagesreise mit Übernachtung, nichts für einen normalen Alltag.«

      »Das überzeugt mich, und ehrlich, mir hat sich dieser Arm zwischen meine Gehirnwindungen festgesetzt. Solch einen Fall hatte ich noch nicht. Hast du schon Informationen aus der Rechtsmedizin?«

      »Wir sind zwar schnell, aber so fix nun doch nicht. Außerdem, unser Rechtsmediziner ist zurzeit in der Reha … mehr brauche ich dir nicht zu sagen.«

      »Wäre das nichts für euren Mortes?«, brachte sich Lilli ein. Sie hatte die ganze Zeit schweigend zugehört.

      »Lilli, du hast recht«, und an Puschkin gewandt: »Wir haben in Wuppertal einen sehr ehrgeizigen und informierten Rechtsmediziner, der findet alles! Und wenn er es nicht weiß, ist er so wissbegierig, dass er erst aufhört, wenn er es gefunden hat. Er geht bis in die kleinsten Details.«

      »Warum höre ich bei deiner Rede so eine merkwürdige Schwingung? Welchen Haken hat die Sache?«

      »Du bist ein guter Polizist, du hörst und siehst Dinge, die nicht gesprochen oder gezeigt werden. Also, der Kollege ist fachlich wirklich spitze; meine Bedingung wäre: Er darf nicht auf die Insel kommen!«

      »Wieso das?«

      »Er hat ein großes Mitteilungsbedürfnis, und er meint, er müsse alle an seinem Wissen teilhaben lassen, und das nervt manchmal. Er hat immer noch nicht begriffen, dass zumindest in der zwischenmenschlichen Kommunikation weniger mehr ist. Deshalb laufen die Kollegen regelmäßig vor ihm weg. Doch im Grunde ist der Kerl in Ordnung, arbeitswillig und fachlich echt gut. Frag doch mal in Wuppertal an, vielleicht fährt der auch gerne mal gen Norden.«

      Puschkin machte sich Notizen. »Das klingt doch alles recht gut. Was machen wir mit dem angebrochenen Tag? Heute bringt mich kein Flugzeug mehr zurück und die Polizeistation hier auf der Insel wird auch nicht mehr besetzt sein. Der werde ich morgen einen Besuch abstatten.«

      »Lass uns auf einen Absacker in die Bar vom Hotel Atlantic gehen. Die ist schön ansprechend, und leckere Cocktails gibt es dort auch. Polizeikontrollen, die deinen Alkoholkonsum überprüfen, brauchst du hier nicht zu fürchten, wir fahren heute nicht mehr.«

      Sie verließen die Villa Charlotte, und Inka Extra winkte ihnen noch nach.

      Im Gegensatz zum Wittmunder Kollegen hatten Lilli und Bresniak ausschlafen können, und den Restalkohol hatte ihnen der gute Ostfriesentee aus dem Kopf geblasen. Dieser merkwürdige Fund von gestern hielt sie immer noch gefangen. Bresniak war im Ermittlungsmodus. Er konnte nicht anders. Eine Leiche, besser ein Leichenteil – das war aufzuklären!

      »Hallo, Charly«, dabei schnippte Lilli vor seinen Augen, »wo bist du? Wenn ich dir helfen darf: Wir sind in Urlaub – auf Töwerland. Du darfst dich hier verzaubern lassen, am besten von meiner Person. Kannst du wieder zurückkommen?«

      »Dieser Arm. Was steckt dahinter? Bisher nahm ich an, dass solche Grausamkeiten nur in Killerspielen am Computer zu finden sind.«

      »Herr Karl-Friedrich Bresniak. Hier bin ich. ICH! Deine Lilli. Haben Sie vergessen, dass Sie mit MIR in Urlaub sind?«

      Bresniaks Blick blieb in die Ferne gerichtet. Seine Augen zeigten eindeutig, dass er in eine andere Welt abgedriftet war. Selbst die Ansage seiner Freundin hatte ihn nicht zurückgeholt. Da hatte Lilli ein Urlaubsziel ausgesucht, das Entspannung pur gewährleisten sollte, ohne Ablenkung, ohne Leichen, zu denen er plötzlich wieder an einen Tatort, besser einen Fundort gerufen würde. Hatte fast geklappt. Bis auf die Insel hatten sie es ohne Störungen geschafft, wenn man von dem Düsseldorfer Junggesellenabschied einmal absah, der sie gen Norden begleitet hatte. Was musste so ein Sturm auch einen Arm an Land spülen. Eigentlich war es Puschkins Aufgabe, zu ermitteln – schließlich war die Mordkommission aus Wittmund dafür zuständig. Warum hatte sich Bresniak einwickeln lassen, zwar nicht zu ermitteln, doch sich ein wenig umhören? Aber was sollte das heißen? Puschkin fuhr wieder auf das Festland zurück und verließ sich auf den Wuppertaler Kollegen, und Lilli war ihren Urlauber los. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie stupste ihn in die Seite:

      »Charly, hast du mich vergessen?« Sie musste ihn erneut anstoßen, bis er endlich reagierte.

      »Ja, was ist?«

      »Das frage ich dich. Seit heute Morgen siehst du ständig an mir vorbei. Unter einem gemeinsamen Urlaub verstehe ich etwas anderes.«

      »Liebes«, dabei wandte er sich ihr zu und strich mit dem Handrücken über ihre Wange. »Du bist das Beste, was mir in meinem Leben noch passieren konnte!« Seine Aussage unterstrich er, indem er ihr dabei einen Kuss auf die Wange hauchte und sie verliebt ansah.

      »Warum