»Ja bitte?«, fragt er distanziert, aber nicht unfreundlich. In seinem klaren Englisch schwingt deutlich der niederländische Akzent mit. Er beobachtet mich, schätzt mich ein, prüfend, sondierend. Hinter seinen Augen scheint ein Feuer zu brennen, das er sorgfältig verschlossen hält. Ein leichter Kitzel rieselt durch meinen Hals. Er sieht wirklich gut aus!
»Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen hier so auflauere, Mr van Brueggen, aber Ihr Sekretariat wollte mich nicht durchstellen, deshalb bin ich Ihnen heute Morgen hierher gefolgt.«
Hier zieht er die Brauen hoch und mustert mich misstrauisch. Ich bemühe mich, nervös und etwas zerknirscht zu wirken. Von Berufs wegen spricht er niemals mit Reportern oder anderen naseweisen Menschen und ist entsprechend vorsichtig.
»Mein Name ist Jana Talker, ich studiere Politikwissenschaft in Berlin und Amsterdam. Für eine Seminararbeit recherchiere ich gerade über die APLA, die ›All People Liberation Army‹ in Unganda. Ich weiß nicht, ob Sie mir hier helfen können, aber in einem Artikel in der ›Financial Times‹ wurde einmal Ihr Unternehmen genannt. Zwar nicht im direkten Zusammenhang mit der APLA, aber vielleicht können Sie mir ja trotzdem ein paar Hinweise geben. Oder mir sagen, an wen ich mich wenden kann.« Diesen Text stoße ich recht atemlos hervor, ganz die blutjunge Studentin, nervös beim Gespräch mit einem erfahrenen Geschäftsmann.
Dann warte ich gespannt. Wenn die APLA zu seinem Kundenkreis gehört, dann dreht er sich gleich mit einem knappen »Kein Kommentar« um und geht. Aber dieses Risiko ist gering. Die APLA hat meinen Nachforschungen gemäß nicht genug Geld, um sich teure Softwaresysteme leisten zu können.
»Das ist aber ein ungewöhnliches Thema«, meint Georg dann langsam und mustert mich immer noch. »Vielleicht sogar gefährlich. Die APLA ist ein bunter Haufen von ziemlich … hm … abenteuerlichen Leuten. Denen würde es sicher nicht gefallen, wenn zu viel über sie berichtet wird.«
»Ich weiß!«, antworte ich schnell. »Das soll auch keine Veröffentlichung geben. Aber mein Professor steht auf diesen Scheiß, und ich will eine Eins bei der Arbeit.«
Georg lacht. Ein gutes Zeichen. Ich lächle ihn zaghaft an und schlage mädchenhaft die Wimpern hoch.
»Also schön!« Er sieht kurz auf seine Armbanduhr (eine dieser sündteuren Schweizer Edelmarken) und nickt mir verbindlich zu. »Zwischen dem letzten Gespräch und dem nächsten habe ich zwei Stunden Zeit. Eigentlich wollte ich noch kurz in die Firma, aber im Moment steht nichts Dringendes an. Was halten Sie davon, wenn ich Sie zum Essen einlade?«
Ich reiße überwältigt die Augen auf.
»Im Ernst? Wow, das ist ... Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!« Dabei breite ich erfreut die Arme weit aus. Mein knapper Blazer klafft auseinander und gibt den Blick auf das tiefe Dekolleté meiner Bluse frei. Sein Blick rutscht hinein. In manchen Dingen sind Männer so berechenbar wie ein Lichtschalter.
Ich erlaube, dass er mich freundschaftlich am Ellenbogen nimmt und mich von der Lounge in das Restaurant des Fünfsternehotels führt. Das »Karel V« ist das erste Haus am Platz, was es zu seinem natürlichen Biotop macht. Fünf Minuten später hat Georg formvollendet in Französisch für uns beide bestellt und mir einen leichten Weißwein aufgedrängt.
»Also gut, die APLA«, nimmt er den Faden wieder auf. »Der Kopf ist ein gewisser Major James Umbriega. Eigentlich nur ein Leutnant, aber er behauptet, bei der Beförderung übergangen worden zu sein.« Georg grinst mir vertraulich zu. Ich grinse verständnisinnig zurück. Natürlich steht er weit über solch profanen Dingen, wie dem Streben nach einem oder zwei Sternen mehr auf einer Schulterklappe. Ich kritzelte eifrig auf meinen billigen Notizblock.
»Denken Sie, dass die APLA ein wichtiger Faktor im politischen Gefüge in Zentralafrika ist?«, spule ich die erste meiner studentischen Fragen ab und sehe erwartungsvoll zu ihm auf.
»Nein, eigentlich nicht. Umbriega hat zwar ein paar hundert Leute um sich gescharrt, aber er hat keine ordentliche Geschäftsbasis«, doziert Georg, ganz geopolitischer Experte.
Ich lausche, kritzle, nicke.
»Er hat weder Rauschgift, das in seinem Gebiet angepflanzt wird noch kann er Waffen an irgendjemanden schmuggeln noch hat er politische Geldgeber im Hintergrund. Nein« – er nimmt einen Schluck Wein – »Umbriega hat lediglich das Vakuum in den Provinzen ausgenutzt, den der letzte Bürgerkrieg hinterlassen hat. Sobald wieder jemand fest im Sattel der Regierung sitzt, wird Umbriegas Truppe eine der ersten sein, die sich unterwirft. Solange kann er noch plündern und morden und von einer glorreichen Zukunft als Staatsmann träumen, aber dann wird er ziemlich schnell weg vom Fenster sein.«
»Aha, das ist sehr interessant! So etwas steht nicht in den Zeitungen, da wird mein Prof richtig begeistert sein!«, frohlocke ich und beuge mich noch tiefer über meinen Block. Meine Bluse kann so etwas nach vorn hängen und den Blick auf meine Brüste freigeben. Die Tatsache, dass ich noch zwei Sätze schreiben muss, gibt Georg genügend Zeit, sie gebührend zu bewundern. Seine Frau sieht auch sehr schlank aus, fast dünn. Ich vermute also, dass er auf meine Formen steht. Der Gedanke an die Verlockungen, die vor uns liegen, lässt meine Nippel schön hart werden. Auch das ist durch die dünne Bluse gut zu sehen.
Wir unterhalten uns angeregt über Afrika und über alles mögliche andere. Die Rolle einer jungen, unerfahrenen, aber geistreichen Studentin liegt mir, die Zeit mit Georg macht richtig Spaß. Und ihm geht es ganz ähnlich, wie ich aus seinen Reaktionen entnehme.
»Jetzt ist es aber genug mit der Politik!«, bestimmt er schließlich, als das Essen kommt. »Erzählen Sie mir lieber von sich.«
»Ach, da gibt es nicht so viel zu erzählen«, wehre ich ab. »Ich komme aus der Nähe von London, meine Eltern waren Lehrer. Aber sie sind vor ein paar Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.« Das mit London stimmt. Das mit dem Autounfall nicht. Kurz blitzt das verzerrte Gesicht meines Stiefvaters in meinem Kopf auf. Er greift sich an den Hals, wo das Blut in einem breiten Schwall aus einem tiefen Schlitz quillt. Den habe ich dort hineingeschnitten. Ich war vierzehn Jahre alt.
Georg nickt mitfühlend.
»Na, und dann bin ich bei entfernten Verwandten in Colchester aufgewachsen. Nach der Schule bin ich ein wenig herumgereist, und seit drei Jahren studiere ich jetzt in London.« Die paar Jahre auf dem Babystrich in London und die ganzen Toten lasse ich der Einfachheit halber weg, das interessiert Georg bestimmt nicht so.
»Und was wollen Sie nach dem Studium machen?«, fragt er nach.
»Tja, weiß ich noch nicht. Vielleicht in die Entwicklungshilfe gehen, eine NGO oder so. Oder zur UNO, aber dafür sind meine Fremdsprachenkenntnisse vielleicht nicht gut genug. Oder ich werde halt Lehrerin wie meine Mutter.«
Wir lachen über diesen schwachen Scherz, und glücklicherweise kann er nicht sehen, wie meine Gedanken kurz ungewollt abschweifen und ich das hagere, von Alkohol und Drogen völlig verwüstete Gesicht meiner Mutter vor Augen habe. Als das Feuer die schäbige Wohnung im sechsten Stock und die Leiche meines Stiefvaters verschlang, da ist sie in ihrem Bett vermutlich einfach explodiert, so viel Schnaps muss da schon durch ihre Adern geflossen sein. Ich schlucke schnell den rabenschwarzen Hass wieder hinunter, der mit der Gewalt einer Wasserstoffbombe in mir aufwallt. Hass auf meinen wirklichen Vater, der kurz nach meiner Geburt abgehauen ist und den ich nicht kenne. Hass auf meine lebensuntüchtige, weinerliche Mutter. Hass auf den Stiefvater, das elende Schwein, das jetzt hoffentlich in der Hölle brutzelt.
Georg erzählt dann auch ein wenig über sich selbst. Vornehmlich Heldengeschichten. Wie er sein Informatikstudium mit Programmierarbeiten finanzieren musste, wie er direkt danach seine Firma gegründet hatte und wie er erfolgreich war mit allem, was er anpackte. Mein Haus, mein Auto, meine Yacht!
Ich mache ein gebührend beeindrucktes Gesicht und die richtigen Geräusche an den richtigen Stellen. Abgesehen davon versuche ich, ihn nur als Körper zu sehen, nur als attraktiven Mann. Das wird es später einfacher machen.
Die