Selina schaute ihrer Freundin tief in die Augen. Die Worte und Sätze konnten von ihr sein. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, setzte sich aufrecht hin.
Elena seufzte: »Jetzt muss ich das nur noch meinen Eltern beibringen. Natürlich bin ich erwachsen genug und bräuchte ihren Segen nicht. Mir ist es allerdings lieber, sie müssen sich keine unnötigen Gedanken oder gar Sorgen machen. Offiziell arbeite ich im Haus des Medienpaars als Sekretärin und Übersetzerin und das zunächst für ein halbes Jahr bei angemessener Bezahlung. Das ist auch dein offizieller Wissensstand, denn die eine oder andere unserer Freundinnen wird dich schon fragen, was mich in die Ferne zieht. Das hört sich doch gut an, findest du nicht!« Elena sah in das zustimmende Gesicht ihrer Freundin, hob ihre Hand und gab der Bedienung ein Zeichen. »Bitte noch zwei Cappuccino!«
Die Bedienung nickte ihr zu und nahm die Teller und das Besteck mit.
»Wenn ich daran denke, dass der Oberarsch, mein Ex-Freund Roman, meine Neugierde und Neigung zu härteren Sexspielen entscheidend mitgeprägt hat, könnte mir der ganze Spaß an der Sache schon wieder vergehen. Aber wie du ja immer sagst: Wir leben im Hier und Jetzt.« Sie musste plötzlich schmunzeln. »Da fällt mir ein Witz ein, den Roman mir mehrfach erzählt hatte. So oft, dass ich den bestimmt bis an mein Lebensende mit mir herumtrage.«
Sie sah zu der Bedienung hoch, die ihre Cappuccino vor ihr abstellte und nickte ihr dankend zu.
»Ein Pärchen beim Ficken. Sie wird immer geiler und flüstert ihm erregt zu: ›Ja, gib’s mir! Sag mir dreckige Sachen!‹ Er flüstert zurück: ›Küche … Bad … Wohnzimmer …‹«
Selina hielt sich die Hand vor den Mund, hatte sie sich beim Trinken doch etwas verschluckt. Beide grinsten sich an.
»Jetzt wieder ernsthaft!«, nahm Elena den Faden wieder auf. »Mit Alex gab es ein langes Gespräch. Er war enttäuscht, aber nach seiner Aussage hatte er etwas Ähnliches erwartet. Ich hatte ja im Vorfeld schon die eine oder andere Andeutung gemacht. In den letzten Wochen stimmte es einfach nicht mehr zwischen uns, und das ging in erster Linie von mir aus. Das Feuer in mir brannte nur noch auf Sparflamme. Wir wollen Freunde bleiben, auch wenn jeder ab sofort seinen eigenen Weg gehen wird. Ich fühle einen Schmerz in mir, eine Traurigkeit. Das habe ich ihm gesagt. Er hat sich immer fair und anständig benommen, aber bei aller Abwägerei, ich konnte nicht anders. Für ihn hat sich sicherlich eines seiner geplanten Lebensziele in Luft aufgelöst. Er wird eine Frau finden, die ihm zur Seite steht, dessen bin ich mir ganz sicher.«
Elena öffnete das Päckchen mit dem Zucker und verteilte den Inhalt über den Milchschaum. Für einen Moment war Stille. Etwas war zu Ende.
»Du möchtest jetzt sicherlich meine Meinung hören«, führte Selina ihr Zwiegespräch weiter.
Elena nickte.
»Ich glaube aber, die kennst du. Ganz einfach. Ich kann dich, was Alex betrifft, voll und ganz verstehen. Dieser feste Lebensrahmen hätte dich als Persönlichkeit stark eingeschränkt. Und nun zu deinem weiteren Weg. Hier finde ich dein Verhalten absolut mutig. Diese Stelle bei dem ›Global Player‹ nicht anzunehmen, alle Achtung! Jetzt noch dieser mutige Aufbruch in das ungewisse Abenteuer … Also meinen Respekt hast du! Du bist gerade dabei, mich in den Schatten zu stellen. Du verstehst genau, wie ich das meine.« Selina berührte die Hand ihrer Freundin. »Und ich bin tatsächlich etwas neidisch. Neidisch, wie offen und mutig du mit dieser Situation umgehst. Da denkt man, man kennt seine beste Freundin … und dann erlebt man, dass diese ihren eigenen unerwarteten Weg geht. Du wirst mir ganz schön fehlen. Jetzt muss mein Freund noch mehr ran. Deine Abwesenheit reißt eine richtige Lücke in meinen Alltag. Ich werde dich richtig, wirklich richtig, vermissen, auch wenn du nicht aus der Welt bist. Dein Handy wird glühen, verlass dich darauf!«
Die Freundinnen lächelten sich verständnisvoll an. Jetzt ging alles seinen Lauf.
Die Villa
»Das ist Ihr Zimmer. Im Schrank finden Sie Latex-, Leder- und Lackkleidung.« Christina entnahm dem Schrank drei schlichte, luftige Stoffkleider. »Das ist Ihre Alltagskleidung. Es ist unser Wunsch, dass Sie eines dieser Kleider tragen. Im Sommer sind Hosen hier verpönt. Sie können später Ihren Koffer auspacken und es sich gemütlich machen. Mit Ihrem Handy und Laptop haben Sie keinerlei Einschränkungen, soweit Sie die von uns gewünschte Diskretion einhalten. Bitte keine Fotos in oder außerhalb des Gebäudes. Ansonsten steht Ihnen unsere Villa samt Garten uneingeschränkt zur Verfügung. Fühlen Sie sich hier wie im Urlaub, oder noch besser, wie zu Hause. Hier ist ein Flachbildschirm mit angeschlossener Spielekonsole. Es sind nicht die neuesten Spiele, denn sie stammen noch von meinem Sohn, aber besser als gar nichts«, sagte sie mit einem Zwinkern und fuhr mit ernstem Gesichtsausdruck fort: »Sind Sie nicht im Dienst, oder wie wir das auch immer nennen wollen. Gestalten Sie sich ihre Freizeit, wie Sie es möchten. Nun das Wichtigste: Dieses Handy, das ich Ihnen jetzt gebe, haben Sie immer eingeschaltet und bei sich oder im nahen Umfeld von sich zu haben. Gegebenenfalls erhalten Sie unsere Anweisungen über dieses Handy. Machen Sie sich in den nächsten Stunden mit allem etwas vertraut, auch was Dusche und Bad betrifft. Jetzt machen wir beide einen Rundgang durch die Villa. Kommen Sie!«
Die Küche war technisch und optisch vom Feinsten. Elena kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Besonders gefiel ihr der frei stehende Küchenblock mit integriertem Kochfeld und Grillfläche. Über dem ganzen Block hing eine übergroße Metallabzugshaube. Gegenüber stand ein eleganter Esstisch.
Als Christina ihr das Bad zeigte, nickte Elena bewundernd leicht mit dem Kopf. Besonders gefiel ihr die in den Boden eingelassene, großzügig bemessene Badewanne. Zwei Personen passten da locker hinein. Der offene Duschbereich war mit hochwertigen Kacheln versehen. Ein Duschsystem mit Massagedüsen an zwei Seitenwänden ließ Elena innerlich jubeln. Wasser war eines ihrer Elemente.
Der Wohnbereich war fast schon ein kleiner Saal. Ein sehr langer rustikaler Holztisch mit vierzehn ebensolchen Stühlen wurde noch von dem wuchtigen, gemauerten offenen Kamin an der Stirnseite des Raumes übertroffen. Aus drei großen Kübeln ragten meterhohe Palmen in Richtung der überhohen Decke. Mehrere bodenhohe Sprossenfenster gaben die Sicht auf den Garten frei. Wiederholt kam Elena das Wort »feudal« in den Sinn. Hier brauchte man den Begriff nicht erklären. Hier war alles real im Sinne dieses Wortes.
Sie gingen in den Kellerbereich.
»Hier können Sie etwas für Ihre Gesundheit und Wohlbefinden tun. Unser Fitnessbereich mit Solarium und Whirlpool. Es steht alles jederzeit ohne Nachfrage zu Ihrer Verfügung.«
Elena zählte sieben verschiedene Fitnessgeräte, diverse Gewichte und mehrere Matten, um Übungen zu tätigen. Den Blickpunkt bildete der Whirlpool, der auf einem erhöhten Podest stand. Daneben gab es eine weitere offene Dusche.
Sie gingen in den Gang zurück.
»Dort sind noch diverse Räume, die Sie alle noch kennenlernen werden.« Christina lächelte Elena vielversprechend an, die sich denken konnte, was sich hinter den Türen verbarg.
Großzügig gab ihr Christina an ihrem ersten Tag nur eine einzige Aufgabe. Elena hatte ihre Latex-, Leder- und Lackkleider anzuprobieren, sich mit ihnen vertraut zu machen.
»Wir sehen uns zum Abendessen gegen neunzehn Uhr. Lassen Sie es sich gut gehen. Genießen Sie den Tag.«
Sekunden später war Elena allein im Zimmer.
»Also, dann mal los!«, murmelte sie vor