Elena ging sofort etwas durch den Kopf: Christina stand auch auf Frauen. Das war absolutes Neuland für sie. Bisher hatte sie überhaupt keine Neigung in diese Richtung bei sich festgestellt. Diese Frau, die ihr gegenübersaß, hatte eine liebenswerte Ausstrahlung und Elena empfand von der ersten Minute an eine Sympathie für sie. Wenn es wirklich eines ihrer Faibles war, musste und würde Elena damit klarkommen, hatte ihr ihre Wünsche zu erfüllen. Die nächste Überraschung also.
Das war schon eine besondere Beziehung, die die beiden Herrschaften miteinander auslebten. Christinas Aussagen wirkten ehrlich und aufrichtig.
Christina fuhr mit weiteren Instruktionen fort. »Hier im Haupthaus leben wir und Annemarie. Ihre Aphorismen und Sprichwörter sind gefürchtet und geliebt. Ihre Lebensweisheit hat uns allen schon geholfen. Sie ist ein ruhender Pol in unserer hektischen Zeit. Ihr Zimmer, Elena, wird auch hier im Gebäude sein. Der Verwalter und die Gärtner mit ihren Familien wohnen in den ehemaligen Gesindehäusern hinten am Waldrand.« Sie deutete in die Richtung. »Unser Sohn Maximilian absolviert sein Studium und besucht uns ab und zu und unsere Tochter Corinna treibt sich wieder einmal irgendwo in der weiten Welt herum.«
Elena blickte in ein ernstes Gesicht.
Nachdem Annemarie beiden etwas Kaffee nachgeschenkt hatte, kam Christina erneut auf ihre sexuellen Neigungen zu sprechen. »Es geht uns um Ihre Erziehung von der Novizin zur Sub. Es geht um SM, auch mit einem deutlichen masochistischen Anteil. Mein Mann ist ein Herr. Er liebt die Weiblichkeit. Sexuell steht er auf Erziehung, Gehorsam und Benutzung. Ich denke, das ist deutlich genug. Das müssten Sie akzeptieren. Dirty Talk ist in diesem Spiel der Devotheit selbstverständlich. Ich bin seine Frau und seine devote, jederzeit benutzbare Sub.«
Christina machte eine kleine Pause.
»Um etwas klarzustellen«, fuhr sie dann fort. »Wir führen im herkömmlichen Sinne keine offene Ehe. Wir lieben SM, praktizieren das auch, aber immer mit dem Wissen des Partners. Wir kennen das Wort Eifersucht nicht, da wir uns in diesem Punkt absolut vertrauen. Wir sind ein Paar, haben und leben unsere Neigungen. Eines ist selbstverständlich: Auf alles, was gesundheitlich nicht verantwortbar ist, verzichten wir! Wir erkennen an, dass Sie SM-Anfängerin sind. Novizin.«
Christina schaute Elena offen ins Gesicht.
»Wir erwarten aber auch, dass Sie unseren Weg mitgehen. Eines können Sie mir glauben. Ein anfänglicher Schmerz kann sich in Lust verwandeln. SM kann sich tief in Ihre Seele eingraben. Es kann zur Sucht werden. Bedenken Sie das für Ihr weiteres Leben, insbesondere, was eine künftige Partnerschaft betrifft. Nochmals: Wenn es Ihnen allein um Geld oder einen gewissen Luxus geht, den wir Ihnen sicherlich bieten können, wären Sie hier fehl am Platz. Es geht absolut um Sie, um Ihr Verständnis, um Ihre Lust, um Ihre Neigung. Einfacher gesagt, Sie müssen ein ›Ja, ich will‹ tief in Ihrer Seele, Ihrem Kopfkino, Ihrem Bauchgefühl verankert haben, nur dann sind Sie hier richtig.«
Das waren klare Ansagen. Elena bewunderte diese Frau immer mehr. Alles erklärte sie mit einer Ruhe, mit einer Sachlichkeit und Selbstverständlichkeit, die Elena tief in ihre Seele traf. Ihr gegenüber saß eine hochgebildete, finanziell abgesicherte und mehr als attraktive Frau mit einer beeindruckenden Ausstrahlung, aber auch mit klaren Vorstellungen und Forderungen.
»Haben Sie das alles soweit verstanden?«, fragte Christina.
Wieder das zustimmende Nicken von Elena.
»Ich habe Ihnen ja geschrieben, dass Sie für dieses Abenteuer angemessen bezahlt werden sollen. Wenn Sie unser Angebot annehmen, zunächst für sechs Monate mit der Option einer möglichen Verlängerung, möchten wir Sie wie folgt entschädigen: Offiziell melden wir Sie als Haushaltshilfe an. Sie bekommen von uns achtzehnhundert Euro pro Monat offiziell, dazu dreitausend Euro pro Monat bar auf die Hand. Essen und Logis sind selbstverständlich frei. Auch Ihre Arbeitskleidung wird von uns gestellt.«
Elena erkannte, dass sich Christina über den letzten Satz doch ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Es ging wohl um das Wort Arbeitskleidung. Die war bestimmt etwas extravagant und exklusiv auf sie zugeschnitten.
»Sie haben uns eine schriftliche Schweigepflichterklärung zu unterschreiben. Wenn alles so abläuft, wie wir uns das vorstellen, bekommen Sie nach Ablauf der sechs Monate noch eine Abfindung von sechstausend Euro. Kosten entstehen Ihnen keine. Auch wenn wir Sie mit auf Reisen nehmen, ist selbstverständlich alles für Sie frei. Soweit unser Angebot.«
Das mit dem »etwas dazuverdienen« hörte sich jetzt richtig gut an! Dazu auch die Teilnahme an den Urlauben der Herrschaften … Hier war alles so anders, so ungewohnt anders.
»Elena, Sie müssen sich jetzt entscheiden. Und nochmals: Schauen Sie bitte nicht nur auf das Geld. Es muss und sollte Ihrer Neigung, Ihrem Lebensverständnis entsprechen. Ohne echte Lust auf den expliziten Job, ohne eine spezielle, sexuelle Neigung Ihrerseits, wäre das alles ein großes Missverständnis und ich denke, das wollen wir beide nicht.«
Christina schaute sie abschätzend an.
»Sicherlich fragen Sie sich, warum wir auf Sie gekommen sind. Und wenn Sie ehrlich sind, beschäftigt Sie diese Frage schon seit Langem. Habe ich recht?«
Elena schaute Christina mit ernstem Gesicht an. »Das wäre tatsächlich meine nächste Frage gewesen. Warum gerade ich?«
»Ihre Körperdaten, Ihr Alter, alles entspricht unseren Wünschen. Ihr Profil hatte etwas Ehrliches. Das habe ich gespürt. Auch Sie hatten diesen Instinkt, sonst wären Sie nicht hier. So einfach ist das. In Ihrem Alter haben sie selbstverständlich reichlich sexuelle Erfahrung, von dem gehe ich zumindest mal aus. In SM sind Sie laut Ihrer Aussage Anfängerin. Genau darum geht es uns. Das ist unser Kick. Das ist es, was wir uns wünschen. Unser Anforderungsprofil beinhaltet Intelligenz, eine attraktive gepflegte Erscheinung, gutes Auftreten und Benehmen, und das Wichtigste: eine ungemeine Neugierde auf alles, was kommt. Wenn mich meine Menschenkenntnis nicht im Stich gelassen hat, sehe ich genau das hier vor mir sitzen!«
Das klang alles aufrichtig, offen und ehrlich. Elena griff zu ihrer Gabel und nahm sich den Rest des Kuchenstückes. Von innerer Ruhe konnte keine Rede sein. Das alles hatte sie ganz schön aufgewühlt. Sie versuchte, ihre Nervosität so gut es ging zu überspielen und ihre Gedanken zu ordnen. Natürlich war das finanzielle Angebot verlockend, und Elena war bewusst, dass das von den Herrschaften genau so gewollt war. Mit Speck fängt man Mäuse. Weltfremd war sie nun wirklich nicht, aber sie musste sich auch ehrlich eingestehen, dass sich bisher alles ausgesprochen positiv anfühlte. Ihre sexuelle Sehnsucht, ihr Wunsch auf Abenteuer, auch der Zeitpunkt, der passender nicht sein konnte, machten ihr die nahende Entscheidung immer leichter.
»Wann soll ich meinen Dienst antreten? Welchen Termin haben Sie sich vorgestellt?« Elena trank einen Schluck Kaffee, spürte, wie ihre Hand ganz leicht zitterte.
»So bald wie möglich«, entgegnete Christina. »Letztendlich entscheiden Sie das, aber zeitnah wäre uns schon recht. Das hier ist übrigens mein Mann. Zumindest auf einem Foto sollten Sie ihn wenigstens zu Gesicht bekommen, denn so ganz unwichtig dürfte das für Ihre Entscheidung nicht sein, man wird sich doch sehr nahekommen. Eine gewisse Empathie wäre da wichtig.«
Christina reichte ihr das Handy.
»Tippen Sie ruhig durch. Es sind verschiedene Aufnahmen von ihm. Thorsten ist dreiundfünfzig, eins neunzig groß. Ich bin Mitte vierzig … Aber das haben Sie ja dem Profil entnommen.«
Optisch war Christinas Ehepartner in Elenas Augen ein sportlicher, attraktiver, gut aussehender Mann. Den Geschäftsmann konnte er nicht verleugnen. Sie hatte nichts anderes erwartet. Sein sichtbar maßgeschneiderter Anzug saß wie angegossen. Seine leicht grau melierten Haare, sein etwas kantiges Gesicht unterstrichen seine markante Männlichkeit. Er war ein Herr, dessen war sich Elena sicher. Ein Herr, der wusste, was er wollte. Soweit passte auch das.
Sie gab das Handy zurück.
»Was ich Ihnen jetzt sagen möchte, ist mir ungemein wichtig«,