»Vielleicht, aber Jana, bitte behalte es für dich!«
»Ja ... sicher.« Sie wirkte irgendwie betroffen, als würde sie ein Gedanke quälen. »Du denkst also, Amistad wäre immer zärtlich zu Santiago?«
»Ja ... warum?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»War er schon mal brutal zu ihm?«, fragte ich entrüstet.
»Nein.« Jana lächelte verlegen. »Aber ich hatte mal ein sehr merkwürdiges Erlebnis und seit dem bin ich etwas verwirrt. Vor zirka einem Monat – als du noch in New York warst – wurde ich zu Santiago, Amistad und Cheyenne ins Schlafzimmer gebracht. Ich durfte nicht sprechen. Sie haben mich ans Bett geführt, Santiago lag auf dem Rücken und ich sollte ihn befriedigen. Und, obwohl ich mich ausschließlich zwischen seinen Beinen aufgehalten habe, glaube ich sagen zu können, dass seine Hände nicht frei waren!«
Entsetzt sah ich sie an. »Du meinst ... er war gefesselt?« Ich flüsterte, als würden schrecklich unanständige Worte meine Lippen verlassen.
»Ich glaube, er war ans Bett gefesselt«, entgegnete Jana, »mit Gurten oder so, auf jeden Fall lautlos, denn normalerweise fasst er mir dabei immer in die Haare, wirklich immer! Und an diesem Abend habe ich nicht ein einziges Mal seine Hand gespürt. Außerdem war er die ganze Zeit über sehr kurzatmig – als hätte er Schmerzen – und an seiner Körperspannung habe ich gemerkt, dass er nicht allein auf mich reagiert hat. Irgendetwas haben sie mit ihm gemacht.«
»Das kann ich nicht glauben ... gerade Cheyenne ... Er ist doch ganz verschossen in Cheyenne. Ich denke, er liebt ihn.«
»Ja. Ich weiß. Cheyenne möchte ich auch gar nicht beschuldigen, die Verantwortung hatte sicher Amistad, aber Cheyenne ist ihm hörig – er macht alles, was Amistad ihm sagt. Und ich glaube, Santiago wertet es auch so. Er würde Cheyenne deswegen nie böse sein – das war von Anfang an so vereinbart – Cheyenne gehört schon seit Jahren Amistad und Amistad erlaubt ihm, Santiago zu lieben.«
»Das verstehe ich nicht ... Sie gehören doch beide Santiago.«
»Ja, trotzdem ... Amistad kann Cheyenne etwas befehlen und die Verantwortung dafür übernehmen. Ich sage ja auch gar nicht, dass das, was an jenem Abend passiert ist, gegen Santiagos Willen war. Santiago hat immer noch die Oberhand. Wenn er es hätte abbrechen wollen, hätte er es bestimmt getan.« Jana griff nach meiner Hand. »Zahira ... Er hat sich von Amistad dominieren lassen ... freiwillig!«
Ich schluckte. »Warum tut er das?«
»Ich weiß nicht. Er wird seine Gründe dafür haben. Ich schätze mal, es macht ihn an! Allzu viel Bewegungsfreiheit wird er Amistad dabei sicher nicht gewähren. Vielleicht war es auch eine einmalige Geschichte und er wollte nur etwas ausprobieren. Er ist doch ständig auf der Suche nach dem ultimativen Kick.«
»Santiago in Fesseln?! Wie soll ich dieses Bild jemals wieder aus meinem Kopf bekommen?«
Jana seufzte. »Am besten ganz schnell! Komm, wir laufen weiter, bevor jemand misstrauisch wird ...«
***
Wir verbrachten den Nachmittag auf der Dachterrasse im Schatten und im Pool, denn es wurde tatsächlich einer der heißesten Tage des Jahres. Auch die anderen Mädchen durften an die frische Luft, Alice und Natalie, sowie Amistads Gespielinnen, Irina und Jessica, was wirklich eine Seltenheit war, denn Santiago mochte sie nicht so gern um sich haben. Zum ersten Mal sah ich die beiden befreit von den massiven Fesseln, in rosa-weiß gestreiften Bikinis. Ein völlig neuer Anblick für mich – ohne die schweren Eisen wirkten sie direkt lieblich und grazil.
Beim Mittagessen fehlte mal wieder Cheyenne und ich nahm mir vor, bei Gelegenheit Amistad nach ihm zu fragen. Und diese Gelegenheit kam schneller, als geplant.
»Bin ich noch immer dein Gott?«, fragte er und setzte sich zu mir auf meine Sonnenliege.
»Santiago ist mein Gott!«, entgegnete ich stolz.
Amistad lehnte sich über mich, stützte seine Unterarme neben meinem Kopf ab, und kam mir so nahe, dass ich seinen Atem spüren konnte. »Sicher?«, fragte er nach.
Etwas eingeschüchtert zwinkerte ich. »Ja ... außer, er ... ist gerade nicht da.«
Amistad lächelte und küsste mich.
Es war mir unangenehm, denn Santiago war sehr wohl da ... und zwar gar nicht weit von uns. Er stand mit Natalie an der Brüstung. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass Amistads fordernde Küsse ihre Wirkung in meinem Körper zeigten – mir wurde augenblicklich heiß zwischen den Beinen – doch plötzlich rief Santiago nach Amistad. Ich dachte zuerst, er hätte ein Problem damit, dass Amistad an meinen Lippen hing, aber er deutete hinaus aufs Meer.
Auch ich wurde nun neugierig, nahm Jana an die Hand und wir gingen ebenfalls nach vorn an die Brüstung. Mein Blick fiel auf ein riesiges Kreuzfahrtschiff.
»Das ist jetzt das zweite Mal in diesem Monat, dass sie den Abstand nicht einhalten!«, beschwerte sich Santiago.
»Ja, offensichtlich nützt eine schriftliche Beschwerde nichts. Wir sollten den Fall unserem Anwalt übergeben«, schlug Damian vor. »Es ist auch immer dieselbe Linie, exakt alle vierzehn Tage.«
Hinter vorgehaltener Hand beschrieb ich Jana, welche Ausmaße dieses Schiff hatte, ich zählte die Stockwerke und schätzte grob, wie nahe es der Insel war.
»Die offizielle Route verläuft mindestens eine Meile weiter westlich von hier. Der Kapitän gehört suspendiert!«, meinte Amistad.
»Da siehst du mal wieder, wie interessant eine Privatinsel für die Leute ist. Sie wollen sehen, wie die Reichen leben. Bestimmt sind jetzt Hunderte Ferngläser auf uns gerichtet«, entrüstete sich Santiago. »Ich komme mir vor, wie ein Schimpanse im Zoo!«
Ich musste lachen. Alle mussten lachen. Der Vergleich hinkte ein wenig. Wir kehrten dem Kreuzfahrtschiff bewusst den Rücken und Santiago begann, sich mit Natalie abzulenken.
Wenig später – wir lehnten noch immer an der Brüstung – war das Schiff hinter dem Hügel der Insel verschwunden. »Es fehlt noch, dass sie hier anlegen«, scherzte Santiago und strich durch Natalies lange blonde Haare. »Ich könnte Eintrittskarten verkaufen ... für eine Kellerbesichtigung«, schmeichelte er.
Natalie lächelte und kam ihm mit ihren Lippen entgegen, um ihn zu küssen. Offenbar versuchte auch sie, ihn diese Verletzung seiner Privatsphäre vergessen zu machen. Wir alle waren stets um seine gute Laune bemüht.
Im Augenwinkel beobachtete ich die beiden, verspürte einen Hauch von Eifersucht und musste an Jana denken, die direkt neben mir stand, aber von all dem kaum etwas mitbekam. Sie ersparte sich eine ganze Menge, dachte ich, so entspannt, wie sie gerade an der Brüstung lehnte und vermutlich ihren Gedanken nachhing.
Plötzlich fiel neben mir klirrend ein Glas zu Boden und im selben Moment flog Natalie quer über die Terrasse. Einige Mädchen schrien auf. Ich griff erschrocken nach Janas Hand und mein Herz pochte wie verrückt. Er hatte Natalie geschlagen, mit einer Wucht, sodass sie erst kurz vor dem Pool auf ihrem Bauch liegen blieb. Und jetzt wirkte er so außer sich, als hätte man ihn geschlagen! Seine Augen waren weit aufgerissen und seine Blicke starr – wie im Schock! Im nächsten Moment bückte er sich, nahm eine Glasscherbe, und stürzte auf Natalie zu, bevor sie aufstehen konnte. Er kniete sich über sie und drückte ihren Kopf zu Boden. Sie schrie und wehrte sich. Damian und Amistad eilten zu Hilfe und versuchten, ihn zu beruhigen, aber sie gossen damit nur Öl ins Feuer.
»Sie hat mich ANGEFASST!«, brüllte Santiago Damian an. »HALT SIE!«
Mir wurde schlecht. Sogar Jana schlug sich eine Hand vors Gesicht. Die beiden Männer hielten Natalie fest, während Santiago ihr mit der Glasscherbe eine Wunde an ihrem Hinterkopf zufügte. Natalie schrie und schlug mit ihren High Heels auf den Boden, sodass ich meinte, sie würden jeden Moment in tausend Teile zerbersten. Dann stand er auf, packte sie wutentbrannt an einem Arm und einem Bein und warf sie in hohem Bogen in den Pool. Zu dritt blieben die Männer am Rand stehen und beobachteten,