Ich hatte mich noch nie übermäßig für sogenanntes »Millionärsspielzeug« begeistern können, waren es teure Autos, Flugzeuge, Helikopter oder protzige Yachten gewesen. Allerdings hatte ich bis jetzt auch kein Problem damit gehabt. An Komfort und Luxus gewöhnte man sich schnell, doch dieses Gefährt war mir schon auf den ersten Blick nicht geheuer. Es war metallisch schwarz, hatte eine äußerst schnittige Form und so etwas Ähnliches wie Tragflügel an den Seiten. An einem davon entdeckte ich die Aufschrift Black Shark. Also sollten es vielleicht doch eher Flossen sein? Ein schwarzer Hai. Es hatte auch eine mächtige Rücken- und eine Schwanzflosse! Vielleicht konnte man das Ding fernsteuern? Aber dafür erschien es mir wiederum reichlich groß.
Santiago besprach sich mit Damian, während Marcus den Black Shark vom Beiboot langsam ins Wasser gleiten ließ. Ich ging entlang der Reling ein Stück nach vorn, in Richtung der beiden Männer, und als ich beiläufig hinaus aufs Meer blickte, bemerkte ich, dass wir doch in der Nähe einer kleinen Insel waren! Eine karge Felsformation ragte nicht weit von uns aus dem Meer. Vermutlich hatte mir zuvor die Kajüte der Yacht die Aussicht dorthin verstellt. Und Damian hatte nun tatsächlich eine Art Fernbedienung in der Hand, während Santiago sich seiner Kleidung entledigte und nur noch rote Badeshorts anbehielt.
»Ist das ferngesteuert?«, fragte ich Damian und war leicht irritiert, weil Santiago sich entkleidete. Das konnte aber auch an der Hitze liegen. Was mich viel mehr beunruhigte, war, dass Santiago keineswegs den Eindruck erweckte, als wolle er sich nun mit einem Spielzeug vergnügen. Seine Miene war ernst und konzentriert, als hätte er in Kürze eine geschäftliche Besprechung.
»Die Fernbedienung ist nur für das Glasdach«, erklärte Damian. Santiago kam näher und während wir auf Sharky hinabblickten, schob sich der vordere Teil des Dachs auseinander und zum Vorschein kam ein Cockpit, ähnlich wie in einem kleinen Flugzeug – ein edles Armaturenbrett, Steuerknüppel und zwei sportlich schmale Ledersitze. Unter dem getönten Glas hatte man all das zuvor nicht erkennen können. Nun wurde mir erst recht mulmig zumute, denn die schnittige Form schrie geradezu nach Geschwindigkeit. Santiago strich sich affektiert über die Haare. Er wollte sich doch nicht etwa da hineinsetzen?!
»Sie soll besser die High Heels ausziehen«, empfahl Damian.
Santiago nickte.
Ich lachte ... »Nein, ich steige da bestimmt nicht ein!«
Nun hatte auch Santiago wieder ein Lächeln auf den Lippen.
Mir schauderte. »Was ist das überhaupt?«, fragte ich. »Ein U-Boot oder ein Speed-Boot?«
»Beides! Man kann damit auf der Oberfläche gleiten, aber auch abtauchen«, erklärte Damian freundlich. »Und mit genügend Schub kann man bis zu vier Meter aus dem Wasser springen. Es ist das schnellste Modell derzeit auf dem Markt. Der Ferrari unter den Sport-U-Booten.«
Ich suchte verzweifelt nach meiner Stimme. »Und da soll ich mitfahren?!«, hauchte ich.
»Ja, Santiago wird mit dir fahren. Aber erst ziehst du die High Heels aus!«
Fassungslos wandte ich mich an Santiago, der mir gerade näher kam. »Warum ich?«, hauchte ich entsetzt. »Die Männer reißen sich vermutlich um so etwas. Warum ist Edward nicht hier?«
»Weil ich mit dir fahren will!«, fauchte er mir direkt ins Gesicht.
Das klang höchst überzeugend. Trotzdem fragte ich mich, ob man das nicht erst lernen musste. Immerhin hatte Damian vorhin erzählt, es wäre ein »neues« Spielzeug. Also war Santiago vielleicht noch nie damit gefahren!
»Muss man das nicht lernen?«, fragte ich schüchtern.
»Zweifelst du an meinen Fahrkünsten?«, raunte Santiago.
»Nein«, hauchte ich eilig und verkniff mir jeden weiteren Einwand.
Santiago trat zur Seite. Marcus reichte ihm die Hand und half ihm hinunter auf den Fahrersitz. Inzwischen half Damian mir aus den High Heels. Mein Herz raste. Ein wenig fühlte ich mich ja auch geschmeichelt, dass er tatsächlich mit mir allein irgendwohin fahren wollte – ohne Leibwächter! Ich konnte mir nicht mal vorstellen, mit ihm zu zweit in einem Auto zu sitzen und durch die Straßen von Miami zu düsen. Aber trotzdem hatte ich auch Angst.
Nun reichte Marcus mir die Hand. Barfuß stieg ich auf das schwarze Fieberglasdach, über Santiago hinweg und einen großen Schritt hinunter auf den Beifahrersitz. Augenblicklich wurde mir noch mulmiger zumute, denn die Sitze waren nicht wie in einem Sportwagen komfortabel und breit, jeder für sich, sondern dicht beisammen, sodass ich Santiago an seinem Oberarm und Oberschenkel zwangsläufig berührte. Langsam schloss sich das Dach und ich lächelte hilflos verzweifelt – konnte selbst nicht glauben, was ich da tat. Plötzlich musste ich an meine Eltern denken ... Nicht mal in Disney-World wäre ich in ein solches Gefährt gestiegen!
»Bitte sag mir, dass du schon einmal damit gefahren bist«, flehte ich leise flüsternd.
Santiago sah mich an und auf dem engen Raum hier konnte ich nicht mal vor ihm zurückweichen! Es war, als hätte man uns unzertrennlich miteinander verbunden und ich fühlte mich in seiner atemberaubenden Aura mit eingeschlossen! Mit zittrigen Fingern fuhr ich durch meine Haare, wagte aber nicht, Santiago anzusehen.
»Ich hab den ›Shark‹ schon seit meinem Geburtstag«, brummte er. »Es gab eine Einweisung vom Hersteller, ein Fahrtraining und ich bin auch schon mit Lilienné unterwegs gewesen! Beruhigt dich das?!«
»Ja«, hauchte ich dankbar. Auch wenn er das mit Lilienné nicht hätte erwähnen müssen, in diesem Fall beruhigte es mich tatsächlich.
Santiago schnaubte. »Gurte dich an!« Dann legte er seine Hände an die zwei Steuerknüppel. Mein Sitz begann zu vibrieren, ein dumpfes Dröhnen erklang, zuerst lauter, dann pendelte es sich auf ein erträgliches Summen ein. Wir fuhren los und wurden kontinuierlich schneller, glitten auf der Wasseroberfläche dahin ... bis Sharky schließlich zum Geschoss wurde ...
Wir zogen Kurven und Kreise, die spektakuläre Fontänen hinterließen. Sharky war wendig. Die ganze Zeit erwartete ich, dass wir abtauchen würden, doch Santiago reizte alle Techniken aus, die er über Wasser zu bieten hatte. Ich kämpfte verzweifelt gegen die Fliehkraft, mein Kopf und meine Beine schlugen von links nach rechts, meine Haare wirbelten herum, ich stöhnte, japste, schnappte nach Luft, versuchte ständig, mich irgendwo festzuhalten, mich zu beruhigen und tapfer zu sein. Die kleine Felseninsel hatte ich längst aus den Augen verloren, wir steuerten immer weiter aufs offene Meer hinaus, wo der Seegang etwas lebendiger wurde. Plötzlich betätigte Santiago einen anderen Hebel und wir tauchten ab.
Von einer Sekunde auf die andere veränderte sich die Kulisse um hundert Prozent. Hatten wir gerade noch Himmel, Meer und Sonnenschein gehabt, war nun die Sicht erheblich beeinträchtigt. Ich fand keine Anhaltspunkte mehr, unterschiedliche Blautöne wechselten einander ab. So heftig, wie es mich allerdings in den Sitz presste, wusste ich, dass wir nach wie vor unsagbar schnell unterwegs waren und meine größte Angst war nur noch, hier im Meer mit voller Wucht gegen irgend ein Hindernis zu prallen. Santiago kannte diese Angst offensichtlich nicht, denn meinem Gefühl nach wurden wir immer schneller. Wie es schien, hatte ihn jetzt der Geschwindigkeitsrausch gepackt. Immer wieder entkam mir ein kleiner Schrei, wenn er unvermittelt die Richtung wechselte. Ich atmete kaum noch, hielt mit einer Hand meine Haare fest und mit der anderen fallweise meine Augen zu. Plötzlich zogen wir in die Höhe, durchbrachen die Oberfläche und Sharky schoss aus dem Wasser ...
Ich kreischte wie von Sinnen ... Wir flogen viele Meter, dann die Landung, der Aufschlag, und sofort tauchte er wieder ab. Keuchend und zitternd saß ich neben Santiago und zum ersten Mal wagte ich nun doch einen Blick zur Seite, um in sein Gesicht zu sehen. Er sah konzentriert nach vorn, aber nebenbei grinste er unverhohlen. Und schon wieder flogen wir durch die Luft. Der Aufprall traf mich mit voller Wucht. Ich schrie und krümmte mich zusammen, konnte mir kaum vorstellen, dass sein Platz besser gefedert war als meiner, aber Santiago