Als sie nach draußen an die frische Luft kamen, hielt Samantha Charlie eine Zigarette hin. Er nahm sie und ließ sich Feuer geben.
»Und jetzt noch einmal von vorn«, sagte Samantha mit einem Lächeln. »Was ist los?«
»Tja«, machte Charlie. »Ich habe mich mit meiner Freundin gestritten.«
»Lynn, nicht wahr?«
Charlie nickte.
»Sie war doch auf der Weihnachtsfeier.«
»Ja.«
»Sie ist niedlich.«
Charlie wusste nicht, was er darauf sagen sollte, und rauchte still weiter vor sich hin. Das Rauchen tat gut.
»Um was ging es denn, wenn ich fragen darf?«
»Das ist ein bisschen kompliziert«, druckste Charlie.
»Hin und wieder habe ich meinen helle Momente. Vielleicht versteh ich es ja.«
»Na ... also ... Ich weiß nicht. Vielleicht lassen wir das Thema besser.«
»Okay, du musst ja nicht darüber reden.«
»Danke.« Charlie nahm einen weiteren tiefen Zug.
Eine Weile standen sie schweigend nebeneinander. Er schloss seine Augen und hielt sein Gesicht in die Sonne. Es war Juni. Die Luft war angenehm warm, nicht zu heiß, und ein leichter Wind ging. Außer ihm und Samantha war niemand sonst auf der Dachterrasse. Der Verkehr unten auf der Straße war nur leise zu hören.
»Hat dir Freddy eigentlich schon Bescheid gesagt?«
Charlie blickte Samantha an.
Jener Freddy, von dem Samantha sprach, war seit zwei Jahren der Chefredakteur des CHRONICLE. Charlie hatte noch nie viel mit ihm zu tun gehabt. Die meisten Fragen klärte er mit Samantha und es gab ohnehin nicht viele Fragen. Üblicherweise gingen Charlies Texte so durch, wie er sie niederschrieb.
»Weswegen?«
»Er ist der Ansicht, dass deine Kolumnen in letzter Zeit einen Tick zu weit gehen.«
»Inwiefern?«
»Manche deiner Sätze sind zynisch und verletzend.«
»Natürlich, deshalb lesen die Leute meine Kolumne. Das sind die Markenzeichen der ›Bad Notes‹.«
»Das sehe ich genauso, aber Freddy hat seine Probleme damit.«
»Aha«, sagte Charlie wenig begeistert.
»Besonders der Text letzte Woche hat ihm nicht gefallen.«
»Warum?«
»Charlie, du hast geschrieben, dass Leute, die ... Also, du weißt, was du geschrieben hast.«
»Ja klar. Diese Typen sind nun einmal ...«
»Ist schon gut«, fuhr ihm Samantha dazwischen. »Ich bin ja auf deiner Seite, aber ich habe Freddy versprochen, mit dir das ganze Konzept für die Kolumne noch einmal ruhig durchzusprechen.«
»Aha.«
»Aber beim Meeting wird das nichts. Es geht hier gerade drunter und drüber. Hast du heute Abend schon was vor?«
»Hm«, machte Charlie nachdenklich.
»Nun sei man nicht so. Ich werde dir schon nicht zu arg ins Handwerk pfuschen. Wir sollten nur mal reden. Ich sage dir, was Freddy gesagt hat, und verkaufe ihm dann später deine Meinung. Ich spiele die Moderatorin.«
»Na schön.«
»Dann komm bei mir zu Hause vorbei.«
»Okay«, sagte Charlie.
»Ich schreib dir gleich meine Adresse auf. Sagen wir gegen neun?«
»Okay.«
Seine Zigarette ging zur Neige. Er drückte sie im Aschenbecher aus.
»Schön«, sagte Samantha und drücke ebenfalls ihre Zigarette aus. »Dann tun wir uns jetzt mal dieses verflucht öde Meeting an.«
***
»Das ist die Luftaufnahme von einem indischen Ashram«, sagte Benn erklärend, »ein indisches Meditationszentrum.«
»Ich weiß«, sagte Lynn. »Ich habe auch ein Bild von einem Ashram zu Hause.« Sie stand, Benns Buch vor der Brust haltend, neben ihm. Beide schauten auf die Fotografie, die an der Wohnzimmerwand hing. Sie war sehr groß.
Es war schon Abend geworden. Eigentlich wollte Lynn ja nur schnell ein Exemplar von Benns Buch mitnehmen, aber dann war es anders gekommen. Sie hatten stundenlang geredet. Benn hatte im vorigen Jahr eine Asienreise unternommen und viel davon erzählt, besonders von Indien. Lynn hatte von ihrer Arbeit gesprochen und den Meditationsübungen, die sie regelmäßig absolvierte. Sie hatte auch von ihrer Fastenkur erzählt. Die laufende Chakra-Übung und die einmonatige Enthaltsamkeit hatte sie nicht erwähnt. Außerdem waren ihr ein paar Worte über Charlie herausgerutscht. Sie hatte nicht das Bedürfnis, ihren Ex-Freund allzu viel über ihre aktuelle Beziehung wissen zu lassen, aber einige Bemerkungen und Andeutungen ließen sich nicht verhindern. Irgendwie wollten sie einfach gesagt werden. Benn hatte dankenswerterweise kein einziges Mal nachgehakt. Er war immer ein zurückhaltender Typ gewesen, ein guter Zuhörer. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Lynn das geliebt.
Draußen war immer noch herrliches Wetter. Die Abendsonne schien. Das Licht, das in den Raum fiel, war golden.
Eine Weile bestaunte Lynn noch die fantastische Aufnahme von dem Ashram. Dann sagte sie: »Ich muss jetzt wirklich los. Wir haben ja den ganzen Tag verquatscht.«
»Ja«, sagte Benn und lächelte glücklich. »Das war doch schön. Wie in alten Zeiten.«
Lynn ging auf die Tür zum Flur zu.
»Lynn?«
»Ja.«
»Ich würde jetzt gern etwas Dummes tun.«
»Was meinst du?«
Er kam dicht an sie heran und umarmte sie. Lynns Herzschlag beschleunigte sich, fing an zu rasen an. Ihre Beine gaben etwas nach.
»Etwas sehr Dummes.« Er küsste sie. Seine Lippen fühlten sich voll und kühl an.
»Ist das zu dumm?«
Er küsste sie noch einmal, bevor sie antworteten konnte. Seine Zunge strich sanft an ihrer Oberlippe entlang. Lynn öffnete den Mund und sie begannen, miteinander zu spielen. Benn hielt sie jetzt fester.
»Du hast mir gefehlt«, flüsterte Benn, als sich ihre Lippen getrennt hatten. »Ich glaube, ich begreife erst jetzt, wie sehr du mir gefehlt hast.«
Wieder zog er sie an sich. Seine Küsse waren sanft, aber sehr leidenschaftlich. Der Rest der Welt schien auf einmal ganz fern zu sein. Lynn ließ das Buch aus ihren Fingern gleiten und presste sich an Benn. Es fühlte sich unwirklich an, als wäre sie in eine Trance verfallen.
Benn drehte sie so herum, dass Lynn an die Wand stieß. Dann glitt sein großer Körper an ihrem herab. Oh Gott, das war alles so schrecklich falsch. Sie spürte, wie Benn ihre Jeans öffnete. Warum tat sie nichts dagegen? Am Morgen hatte sie Charlie zurückgewiesen, aber jetzt ...
Sie hörte, wie Benn ihren Gürtel aufzog. Dann rieb der Jeansstoff an ihrer Haut entlang. Die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Monate kamen zurück. So hatte es sich ganz am Anfang angefühlt, als sie frisch verliebt gewesen waren, so aufregend, intim und ehrlich.
Ihre Hände senkten sich auf Benns Haupt und sie spürte seine langen, weichen Haare in ihren Handflächen. Wie automatisch schlüpfte sie mit Benns Hilfe aus ihrer Jeans.
»Das habe ich immer geliebt ...«, hörte sie ihn sagen. Er kniete vor ihr auf dem Boden. »... dich auszuziehen.«
Jetzt fasste Benn an ihren Slip. Er zog ihn nur bis zu ihren Knien herunter. Dort blieb er, während Benns Lippen ihre Oberschenkel liebkosten.