Und ohne mich weiter zu fragen, hakt er mich unter und führt mich die Gasse hinab. Auch jetzt schlägt mein Herz wieder im schnellen Takt. Doch momentan ist der Grund ein anderer. Ja. Ich bin auf meinem Weg. Ich habe den ersten Schritt gemacht. Und nun bin ich bereit für alles, was mich erwartet.
***
Das Maison de l’amour ist eine enge verrauchte Kneipe. Von wegen Haus der Liebe. Das ist ganz schön hochtrabend für diese Absteige hier. Ein langer Tresen bildet die Rückseite des Gastraums. An ein paar grob behauenen Tischen sitzen Männer und auch einige Frauen. Jacques führt mich zu einer Stelle, wo gerade noch ein paar Plätze für uns frei sind. Dort sitzen bereits drei andere Männer. Jeder etwa in seinem Alter so um die 30 Jahre. Die könnten mir alle gefallen. Er stellt sie der Reihe nach vor: »Dies sind meine Freunde und Kollegen George, Maxime und Pascal.« Dann winkt er den Wirt heran und bestellt einen Krug roten Wein für uns. Dazu lässt er knuspriges Brot und eine delikate Paste reichen. Während ich noch die leckeren Schnitten verschlinge, beginne ich die vier auszufragen. »Du ... und deine Kollegen ... Was arbeitet ihr denn?«
»Nun ... weißt du, Julie ... Wir sind Künstler. Pascal, George und ich beschäftigen uns mit der Malerei, während Maxime etwas Neues und Ausgefallenes macht.«
»Na, kommt schon, lasst es euch nicht so aus der Nase ziehen«, necke ich die vier. »Jetzt habt ihr mich neugierig gemacht. Also, Maxime ... Womit beschäftigst du dich?«
Ein breites Grinsen umspielt seine Lippen.
»Du hast sicher schon davon gehört. Fotografie. Etwas total Neues. Ich mache Bilder. Aber nicht so wie die anderen drei.«
Und dann erklärt er mir lange und breit, wie seine neue Technik funktioniert. Mit seinem Höllenapparat, wie ihn die anderen aufziehen. Ja, ich habe davon schon mal gehört. So von gestern sind wir auf unserer Insel ja auch nicht. Doch dann entsteht plötzlich ein seltsames Schweigen. Keiner der Männer sagt einen Ton. Sie starren mich irgendwie so seltsam an.
»Was ist los, Jacques? Warum seid ihr plötzlich alle so schweigsam? Los, raus mit der Sprache.«
Doch irgendwie will keiner der vier so recht damit heraus, was jetzt los ist. Dann fasst sich Maxime ein Herz.
»Weißt du, Julie ... Wir kennen dich erst seit wenigen Minuten. Aber ich weiß nicht, wie es den anderen geht. Du bist einfach das perfekte Modell. Du bist ... Du bist so wundervoll ...«
Ich lache. »Und das ist alles? Darum seid ihr plötzlich so schüchtern? Wo soll das Problem liegen? Ich bin gern euer Modell, wenn ihr mich wollt.«
»Ja ... ja weißt du, Julie ... Da gibt es schon noch ein Problem. Denn ...«
Dieses Herumgedruckse macht mich noch ganz kirre.
»Ja, was ist denn? Rück damit raus. Sprich frei von der Leber weg.«
»Weißt du, Julie. Du müsstest ...«
Er schnauft ganz tief ein. Als ob jetzt etwas Gigantisches, Überwältigendes kommen würde.
»Ich weiß, dass das nicht geht. Nein, Julie, es geht nicht. Du bist eine vornehme englische Lady.«
»Na ganz so vornehm nun auch wieder nicht. Also, was macht denn eine englische Lady in deinen Augen nicht?«
»Nun ... Du müsstest ... Nun, du müsstest ... hmmmm ... äh, nackt posieren ...«
Ich tue ein wenig geschockt, doch dann lege ich meine Hand auf Maximes Arm.
»Wisst ihr, ihr habt euch da mit mir keine sooo vornehme englische Lady aufgegabelt. Ich möchte euch meine ganze Geschichte erzählen.«
Und so erzähle ich ihnen von meiner Ehe, vom Tod meines ungeliebten Ehemanns und von meinem Plan, um die ganze Welt zu reisen. Nur mit der Hoffnung, dass wohlwollende Gentlemen mich bei meinem Unterfangen unterstützen. Dabei deute ich an, dass eine englische Lady natürlich für einen Gefallen auch eine Gefälligkeit erweisen würde. Dabei zwinkere ich mit den Augen. Sie verstehen. Und so kommen wir überein. Der Handel gilt. Ich werde den vier Künstlern als Aktmodell zur Verfügung stehen. Ich wünsche mir lediglich eine venezianische Maske, die mein Gesicht verbergen soll, da ja nicht auszuschließen ist, dass meine erotischen Bilder auch den Weg in die feine englische Gesellschaft finden werden. Dafür erwarte ich mir ein paar Francs, um meine Weiterreise nach Marseille zu finanzieren. Sie sind damit einverstanden und beschreiben mir den Weg zu ihrem Atelier.
***
Am nächsten Tag mache ich mich auf den Weg. Obwohl die Sonne ihre wärmenden Strahlen über die Stadt legt, habe ich eine Gänsehaut. Mit jedem Schritt, den ich mache, nimmt meine Nervosität zu. Ich werde mich in wenigen Minuten nackt vor vier Männern präsentieren, die ich gestern um diese Zeit noch gar nicht gekannt habe. Es ist wie ein Schritt über eine verbotene Linie. Früher hat mich nur mein Ehemann entblößt gesehen. Und auch James. Sonst niemand. Und jetzt diese vier jungen Franzosen. Ich habe Angst. Angst vor dem Unbekannten. Ich gehe immer langsamer und meine Gedanken rasen. Ich könnte umkehren. Könnte mich verstecken. Sie würden mich nie finden. Sie wären vielleicht enttäuscht und würden sich denken: ja, das haben wir schon geahnt. Diese englische Lady. Sie hat nicht das Zeug dazu. Schade ... Sie hat einen Rückzieher gemacht.
Weiter unten in der engen Straße sehe ich das Haus, das sie mir gestern Abend noch gezeigt haben, bevor sie mich nach Hause gebracht haben. Ich bleibe stehen und atme tief durch. Schelte mich selbst: »Na, komm schon, Julie! Sei keine Memme!« Und so nehme ich allen Mut zusammen und gehe auf den Eingang zu. Klopfe, und schon bald öffnet sich die Tür. Es ist Jacques, der mich einlässt. Das Atelier der vier befindet sich im obersten Stockwerk. Weil da das Licht am besten ist. So erklären sie es mir. Dann schließt sich die Tür hinter mir. Jetzt wird es ernst. Doch alle Künstler sind redlich darum bemüht, mir die Unsicherheit zu nehmen. Auf einem kleinen Tisch ist eine Mahlzeit angerichtet worden.
»Hier, trink erst mal etwas.« Maxime kriecht hinter seinem Fotoapparat hervor und reicht mir ein Glas mit einem kräftigen Rotwein.
»Das hilft dir, die Nervosität abzubauen.«
Sie kümmern sich wirklich um mich und bald lachen und blödeln wir wie kleine Kinder herum. Und ich vergesse, warum ich eigentlich hier bin. Die Zeit vergeht und dann sagt Maxime plötzlich:
»Julie, ich glaube, wir sollten anfangen. Das Licht ist jetzt optimal.«
Meine Knie werden plötzlich ganz weich, als Pascal mir sanft das Weinglas aus der Hand nimmt. Jacques streichelt mir zärtlich über die Stirn.
»Ja, Julie ... Maxime hat recht. Lass uns anfangen. Bist du bereit?«
Wilde Gedanken rasen durch meinen Kopf. Immer noch könnte ich einen Rückzieher machen. Die vornehme Julie in meinem Kopf rät mir auch dazu. »Los, hau ab ... Lass diesen Unsinn. Denk doch daran, wer du eigentlich bist.« Doch dann drängt sich die wilde Julie nach vorne. »Ja, komm, du willst es doch auch. Zeig ihnen, was du hast und dann lass es dir von ihnen so richtig besorgen. Vier junge Kerle versprechen doch einen geilen Fick.« Und meine wilde Seite gewinnt die Oberhand. Langsam knöpfe ich mein Bustier auf. Ich mache die Jungs so richtig an. Ich spiele mit meinen Fingern an jedem einzelnen Knopf herum, bevor ich ihn öffne. Dann habe ich alles aufgeknöpft und meine vollen Brüste lugen vielversprechend hervor. Die Burschen kommen genauso außer Atem wie ich. Mit einer lässigen Bewegung schlüpfe ich erst aus einem Ärmel und dann aus dem anderen. Das Bustier gleitet zu Boden und ich lasse meine langen Haare wirbeln.
»Mein Gott ... welche Schönheit ...«
Ich weiß nicht, wer von den vieren das gesagt hat. Aber ich scheine durchaus Eindruck zu machen. Da heißt es, die Gunst der Stunde zu nutzen. Ich streife meine Stiefel ab und ziehe dann auch noch meine Hose aus. Unterwäsche habe ich absichtlich keine angezogen und so stehe ich nackt wie Gott mich schuf vor den Männern. Langsam nimmt mich Maxime in den Arm