Zu Beginn des Tages hatte Vera tatsächlich etwas Angst vor Bendix’ Jähzorn gehabt, doch je mittlerweile fühlte sie sich nur noch wohl. Sie lag an seiner Schulter und ließ den Tag Revue passieren.
***
»Bendix«, fragte sie nach einer Weile, »könntest du mich bitte noch einmal ganz sanft küssen. Ich brauche das jetzt irgendwie.«
»Aber natürlich mein Herz – wie könnte ich dir jemals auch nur einen Wunsch abschlagen.«
Wohl war Bendix ein gestrenger Arbeitgeber, doch einmal geknackt mutierte er zu einem ganz besonderen Menschen, wie Vera immer wieder feststellen musste. Sie würde bleiben und noch einige Abenteuer mit ihm erleben.
Der SchafHirte
Hark Laasen war Schäfer auf Föhr und genoss das Leben auf einer der schönsten Insel in der Nordsee. Früher hatte er im tiefsten Bayern sein Dasein gefristet. Mal hier, mal dort ausgeholfen – sich als Knecht verdingt. Doch als er in der Zeitung gelesen hatte, dass man auf Föhr (er wusste noch nicht einmal, wo dieses Föhr überhaupt liegt), einen Schäfer für eine große Herde sucht, schrieb er versuchsweise an die Heimatzeitung, ohne sich große Hoffnungen zu machen. All dies war nun bereits fünf Jahre her und Hark saß vor dem Stall.
Damals hatte er sein Glück kaum fassen können, denn diese Insel hatte es ihm von Beginn an angetan. Das raue Seeklima tat seiner Seele gut – die Wiesen und ausladenden Weiden waren wie geschaffen für die Schafzucht und das Föhrer Hinterland war ein Kleinod für sich. Der bloß Gedanke, wieder in dieses Kuhkaff zurückzumüssen, ließ seine Haare zu Berge stehen.
Er war angekommen bei sich, liebte seine Tiere über alles, liebte seinen Hund Caspar, der ihm beim Eintreiben der Herde half – mit den Frauen hatte er so einige Probleme – doch solange ihm immer noch süße Schauer der Lust über den Rücken liefen, wenn er an sie dachte, sah er all das nicht als sonderlich gravierend an.
Er blickte in den tiefblauen Himmel, auf welchem nur winzigkleine Schönwetterwolken entlangzogen, pfiff nach seinem Hund Caspar und machte sich auf den Weg.
Momentan hatte er gutzutun, es standen einige Geburten an – die Lämmchen wollten unbedingt ans Tageslicht, und traten ihren Müttern ganz schön in den Leib – strampelten gewaltig und Hark konnte sich über dieses Wunder immer nur wieder von Neuem wundern. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, dachte er daran, wie die kleinen Wilden wieder Pep in seinen Alltag brachten, denn die kleinen Lämmer waren reichlich ungestüm, und so sorgte Hark für viel Stroh im Stall, damit die Jungen es warm und bequem hatten.
***
Er kniff die Augen zusammen, schaute in das warme Sonnenlicht und ließ sich einfach treiben. Er zählte die Muttertiere durch, isolierte sie von der anderen Herde und wandte sich dann der Dickbäuchigsten von allen zu: »Na, mein Mädchen, bald ist es so weit – dann bist du deinen drallen Bauch endlich los und kannst wieder richtige Bocksprünge machen. Wird nun doch recht mühselig für dich, nicht wahr?«
Das Schaf blökte laut und Hark grinste darüber. Offenbar konnte es die Aufmunterung gut gebrauchen.
»Hmh«, vernahm er da eine Stimme aus dem Hintergrund: »So verwöhnt zu werden, das hätte ich auch mal wieder ganz gern. Ist ja echt niedlich, dir bei all dem zuzusehen. Ich stell mich gern dazu!«
Hark lachte. »Fenja, wie lieb von dir, mal wieder vorbeizuschauen.«
Die junge Frau näherte sich dem Schäfer und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Stirn. »Na, hat Käthe schon ihr Lämmchen – sie platzt ja bald – muss ja bald losgehen, so rund, wie sie ist.«
Hark nickte nur und meinte: »Regelt alles die Natur.«
An »Liebenswürdigkeit« war dieser Mann oftmals nicht zu überbieten, dazu kam noch Maulfaulheit, doch das machte dieser Prachtkerl mit seinem Aussehen alles wieder wett.
Fenja schnalzte mit der Zunge. Dieser Mensch gehörte normalerweise auf die Titelseite des GQ und nicht auf die Weiden des Föhrer Hinterlandes.
Das pechschwarze, relativ lange Haar hatte Hark sich mit einem Gummiband nach hinten gebunden und er strahlte ein Charisma aus, wie Fenja es selten bei einem Mann erlebt hatte. Seine Augen waren grün gesprenkelt – es wirkte auf sie, als wären kleine Goldstücke darin verankert, die bei strahlendem Sonnenlicht lustig schimmerten – und so ein Prachtkerl verbrachte Tag und Nacht bei seinen Schaffen – egal, ob es regnete und schneite – Fenja hätte sich auch etwas anderes vorstellen können. Sie geriet nahezu ins Schwärmen.
Mannomann, dieser Typ war jede Sünde wert, wenn er doch nur ein bisschen mehr Augen für das vermeintlich schwache Geschlecht hätte, als für seine Schafe, dachte sie bei sich, und plötzlich merkte die junge Frau, dass hier irgendetwas anders war als sonst.
Wieso lag hier überall Stroh herum? Vielleicht hatte es Hark für die Neuzugänge bereitgelegt und … hm, da stieg ein Gedanke in Fenja hoch, der nicht unberücksichtigt blieb. Natürlich, auch zu zweit machte es im Stroh unsäglich Spaß. Sich so richtig verwöhnen zu lassen, das wäre schon etwas.
Fenja schaute zu Hark hinüber, der gerade ein Zwiegespräch mit seinem Hund hielt.
»Heute bist du fällig Hark Laasen«, sagte sie zu sich selbst, »ich warte schon sehr lange auf ein Abenteuer mit dir … ahnst du eigentlich, wie verrückt du uns hier alles machst. Ich lasse dich nicht mehr von der Angel.«
Sprachs und sah sich nach Hark um, registrierte mit scharfem Blick, was die Natur diesem Naturburschen so alles an Kostbarkeiten mitgegeben hatte, und musste an sich halten, nicht sofort über ihn herzufallen.
Hark machte sie scharf, Hark machte alle Frauen hier scharf, doch er war ein klein wenig begriffsstutzig, und so bemerkte er oftmals gar nicht, wie die Frauen ihn anhimmelten. Doch er war in seiner Art und Weise so süß, dass er keiner Fliege etwas zuleide tun konnte.
Seitdem Hark hier auf der Insel angelandet war, hatte er nur selten einer Frau sein Bett angeboten – das sollte nun anders werden, denn auch Hark hatte ein Auge auf Fenja geworfen. Er wusste, dass sie ihn mochte und Fenja konnte sich durchaus vorstellen, mit ihm über die Weiden zu ziehen und ihm bei der Schafzucht zu helfen.
Sie selbst war ein Kind der Insel, hatte diese noch nie verlassen – lebte von einer Pension, welche sie von ihrer Mutter geerbt hatte, und welche immer gut gebucht war. Fenja war mit ihren dreiundzwanzig Jahren die jüngste Pensionswirtin auf Föhr.
***
Der Zauber, welchen Hark auf Fenja ausübte, war nicht zu übersehen. Sie wäre ihm verfallen, würde er ihr nur eine einzige Chance geben. Dass er dieselben Gedanken hegte, ahnte Fenja nicht.
Das musste sie auch nicht zwingend, denn Fenja sah so viel mehr in Hark. Sie sah einen in sich ruhenden Menschen, der mit sich und der Welt im Einklang stand, sah einen muskelbepackten Oberkörper, dem auch schwere Arbeit genehm war, und wer annahm, dass ein Schäfer nur für seine Herde da sein musste, der hatte keine Ahnung von der Schäferei. Tiere, die ausbrachen, mussten wieder eingefangen werden, Pfählen mussten in den Boden gerammt werden, die Schafschur, die in die Knochen ging. All das war Fenja sehr präsent und sie hatte Respekt vor der Arbeit, die Hark hier tat.
Wenn er doch nur ein einziges Mal diese starke Hand über meinen Hintern gleiten ließ, dachte Fenja bei sich – das wäre doch schon mal was. Sie würde ihn sich schon holen, wieso sonst lag hier so viel Stroh herum. Wieso wohl?
***
Auch wenn das Lämmchen in dieser Nacht kommen würde – auch Fenja würde kommen, und zwar mächtig gewaltig – wer danach erschöpfter wäre, sie oder die Lammmutter, das würde sich erst noch zeigen.
Auf jeden Fall würden sie diesen verdammt gut aussehenden Schäfer Hark Laasen heute Nacht knacken – sie war in der richtigen Stimmung und echt scharf auf dieses Exemplar von Mann.
Die junge Frau fand es äußerst spannend, wie sich der Rest des Tages entwickeln würde. Sie selbst überlegte bereits wie sie den Abend gestalten konnte, ahnte sie doch