Da hob der Mann den Kopf und sah Parnell an. Parnell erschrak vor diesen Augen. Es gab nichts, vor dem sich ein Marine des Jahres 1977 mehr fürchtete als vor diesen Augen. Sie waren schmal und schlitzförmig. Ein »Gelber«, durchzuckte es Parnell. (S. 9)
Ein Unbekannter stellt den Kontakt mit Parnell her: Er soll Broch 0951 anrufen, von dem er wiederum angewiesen wird, sich ins »Andromeda« zu begeben und nach Conister zu fragen, der ihm Informationen über Victor Oscar Romeo geben würde. Als Parnell feststellt, dass während seines Krankenhausaufenthalts bei ihm eingebrochen wurde und die Unterlagen seines Freundes Orwell, mit denen dieser ein wichtiges Patent anmelden wollte, gestohlen worden waren, ist für Parnell klar, dass hier der Feind am Werk ist.
In der Bar wird er hinterhältig niedergeschlagen und vor den Chef der Gangster geschleppt:
Jetzt erst merkte Parnell, dass zwei der Männer mongoloid waren. Ihre leicht gelbliche Hautfarbe war geschickt überschminkt. Auf dem Tisch lagen Sonnenbrillen, die sie in der Öffentlichkeit trugen, um nicht aufzufallen. Er war entsetzt, dass es anscheinend doch eine recht starke Unterwanderung der freien Welt gab. Nach dem Saharakrieg hatten sich alle Völker zusammengeschlossen, um gegen die Machtgier der Gelben einzuschreiten. Seit einigen Jahren befand man sich im Kriegszustand. Zwar war nie eine Kriegserklärung abgegeben worden, doch war es mehr als ein kalter Krieg. Täglich ereigneten sich Überfälle auf bedeutende Führer der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens. So war es auch nicht verwunderlich, wenn das FBI stets auf der Jagd nach Angehörigen der gelben Rasse war. Und dennoch trieben sie sich überall herum. Sie waren der Schrecken der Großstädte, das Schreckgespenst der Kinder, die heimliche Furcht der Erwachsenen. (S. 13)
Parnell ahnt, was ihm bevorsteht: Man will ihn foltern, bis er alle Informationen über VOR preisgibt. Gleichzeitig erfährt er, dass der Orkan Pepsy alias Yellow Rose, der gerade die Vereinigten Staaten von Süd nach Nord verwüstet, das Werk der Gelben ist, die offenbar im Jahr 1977 technisch schon so weit fortgeschritten sind, dass sie das Wetter beeinflussen können.
Parnell, obwohl von dem Unfall noch geschwächt, stürzt sich auf die Gangster – und verliert das Bewusstsein. Er wurde durch eine Gasbombe von drei FBI-Agenten gerettet, sodass er in einem Flugzeug mit Kurs kanadische Grenze erwacht. Die Allersympathischsten sind die FBIler allerdings auch nicht, findet jedenfalls Parnell:
Der Schönstimmige brach in gurrendes Gelächter aus.
»Er denkt, haha – hätten Sie nicht eher daran denken können, dass gerade die Fähigkeit zu denken Sie vor einigen Unannehmlichkeiten bewahrt hätte? Ja, da staunen Sie! Wenn Mister Quaker und ich nicht gerade im ›Andromeda‹ gewesen wären, wo wir die überaus interessante Aufgabe hatten, Sie ein wenig zu beobachten, dann hätten Sie Ihr Spielchen mit den Gelben nicht so angenehm über die Runden gebracht. Danken Sie Mister Quaker, wenn er in letzter Sekunde ein winziges Gasbömbchen in den Gang warf. Er meinte nämlich, wir würden Sie noch gebrauchen können, und außerdem …«
»Halt den Mund, Süßer, soviel wollte Mister Parnell gar nicht wissen. Aber wenn es Sie beruhigt, kann ich Ihnen verraten, dass Sie in der einmaligen Situation sind, mit drei braven Leuten vom FBI, die für Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen, als einziger Fluggast der Staaten dicht an der kanadischen Grenze entlang zu gondeln.«
»Und wohin wollen Sie mich bringen?«
»Ist doch Staatsgeheimnis«, sang der Schönstimmige.
»Na, dann nicht«, resignierte Parnell. »Soll schon vorgekommen sein, dass jemand ’ne Faust im Gesicht gefunden hat, aber vielleicht überlege ich mir das noch.«
Der Schönstimmige schnappte nach Luft. »Das schlägt dem Fass die Krone mitten ins Gesicht.« (S. 15 f.)
Rekapitulieren wir die Handlung der ersten fünfzehn Seiten:
Parnell betritt einen Bus, dessen Insassen durch ihre Teilnahmslosigkeit Zeugnis für den bedauerlichen Zustand der künftigen Welt abgeben.
Ein Autounfall lässt ihn das Bewusstsein verlieren.
Parnell hat Halluzinationen, die in ein psychedelisches Nahtoderlebnis münden, wobei er nur knapp vor dem Tor in die nächste Welt zurückweicht.
Uralte Marsianer beklagen nicht nur ihr eigenes trauriges Schicksal, sondern auch die Grausamkeit der Erdenmenschen gegeneinander.
Die Gelben verwüsten Nordamerika mit einem Tornado, ohne als Urheber enttarnt zu werden.
Parnell wird von den Gelben entführt und mit Folter bedroht, aber von überaus unsympathischen FBI-Agenten, einer davon möglicherweise schwul, gerettet und mit unbekanntem Ziel fortgebracht.
Doch das ist erst der Auftakt zu einer unglaublich dramatischen und ebenso fantastischen Handlung, aus der Parnell am Ende als Erbe des marsianischen Wissens mit einer Flugscheibe, begleitet von seinem Freund Mike Trapp, in die Weiten des Weltalls entschwebt.
So bizarr »Unternehmen Dämmerung« auch teilweise ist, so deutlich kann man schon an einzelnen Passagen – etwa die ausgezeichnet geschilderten Halluzinationen nach dem Unfall – spüren, dass hier ein Science-Fiction-Autor am Werk ist, der über ein deutlich größeres Talent verfügt als die Masse seiner Kollegen und der nur noch einiger Erfahrung bedarf, um seine späteren großen Romane schreiben zu können.
Parnells machohaftes Auftreten und das Gruseln vor der Gelben Gefahr scheinen aus heutiger Sicht etwas kurios, waren aber in den frühen Sechzigerjahren gängige Kost in der Unterhaltungsliteratur.
Der Held des Romans, Parnell, hat keinen Vornamen, aber wenn man den seines besten Freundes Mike Trapp hinzunimmt, ist das Pseudonym »Mike Parnell« für diesen Roman fertig.
Für die Lektüre lag mir leider das originale Leihbuch von 1961 aus dem Verlag Widukind/Gebrüder Zimmer nicht vor. Aber das Zauberkreis-Taschenheft verspricht auf der Titelseite, es handle sich um eine »ungekürzte Ausgabe«.
Mike Parnell [Thomas Rudolf Peter Mielke]:
Unternehmen Dämmerung.
Zauberkreis Exklusiv Band 107, 128 S.
Rastatt/Baden: Zauberkreis, 1961.
Sabine Frambach: Herr Lauffers Stunde
Für R. P. Mielke, der mich auf Fehlersuche schickte.
Wir haben alle Zeit der Welt.
Erst vor einigen Tagen war er angekommen in diesem Dorf, nicht weit von seiner Heimat Nürnberg entfernt. Neben seiner Schlafstelle benötigte Herr Lauffer einen Tisch, eine Feuerstelle und das Licht des hellen Tages. Nicht weit entfernt stand die Kirche, für die er die Predigtuhr schaffen sollte.
Herr Lauffer, einst als Glasbläser tätig, hatte sein Gewerbe um die Fertigung der neuen Sanduhren erweitert. Für die Prüfung hatte er eine Uhr mit vier Gläsern erstellt, gefüllt mit weißem Sand, davon das erste Glas die Viertel, das zweite die halbe, das dritte drei Viertel, und das vierte die ganze Stunde zeigte. Seither führte er den Titel geprüfter Sanduhrenmacher, und kurz danach erhielt er Aufträge.
Dieser Auftrag umfasste eine große Predigtuhr, die an der Kanzel arretiert werden sollte. Herr Lauffer hatte zwei große Glaskolben in seiner Werkstatt geblasen, sie in Stroh verpackt und mitgebracht. Achtsam holte er sie hervor. Offenbar war der Transport geglückt.
Die zweite wichtige Zutat für eine feine Sanduhr war das Sandgemisch.
In Herrn Lauffers geheime Rezeptur kamen drei Teile fein gemahlene Eierschalen, ein Teil Marmorstaub, zwei Teile Bleisand und eine Zutat, die er niemandem verriet. Die Mischung siebte er, bis sie fein rieselte, kochte sie nochmals ab, um sie zu säubern, und trocknete sie.
Während der Herr Lauffer prüfend eine Prise der Mischung zwischen seinen Fingerspitzen zerrieb, öffnete