Das Winterthurer Stadtoriginal Robert Frommherz alias «Hanfpapst».
Bild: Facebook
Reza flüchtet nicht. Er steht allein im Zimmer vor Frommherz, der wegen des Pfeffersprays kaum etwas sieht, weil ihm die Augen überlaufen. Der Hanfpapst fuchtelt herum, schreit voller Wut «Spinnet ihr eigentlich!», packt eine Schere und will sich verteidigen. Reza schlägt sie ihm daraufhin mit einem Fusstritt aus der Hand und prügelt plötzlich wie von Sinnen mit den Fäusten auf das Gesicht des Hanfpapstes ein. Die Schläge sind so brutal, dass sich Reza dabei den rechten Daumen und Ringfinger bricht. Frommherz taumelt, fällt nach hinten und schlägt mit dem Kopf ungebremst auf den harten Holzboden. Er liegt, schutzlos und unfähig sich zu wehren, auf dem Rücken, währenddessen Reza auf seinen Oberkörper hockt und ihn zu würgen beginnt. Dann steht der junge Mann auf und tritt mit seinem linken Schuh mit voller Wucht ins Gesicht von Frommherz. Die Rechtsmediziner konnten später den exakten Abdruck der Schuhsohle auf der linken Wange des Opfers identifizieren. Als wäre das alles noch nicht genug, zückt Reza sein Handy und filmt das blutende und röchelnde Opfer zwischen seinen Beinen. Stunden später stirbt Frommherz einen qualvollen Tod in seiner Wohnung.
Wie es zu dieser Gewaltorgie kommen konnte, zeigen später die psychiatrischen Untersuchungen und die sind erschreckend. Reza hat eine schwere dissoziale Persönlichkeitsstörung. Er erfülle alle Diagnosekriterien für diese Krankheit, schreibt der Psychiater im Gutachten und nennt herzloses Unbeteiligtsein, Verantwortungslosigkeit, Missachtung sozialer Regeln und Normen, geringe Frustrationsgrenze, niedere Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten, Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein, gepaart mit massivem Cannabismissbrauch.
Während Reza Frommherz in dessen Wohnung noch mit roher Gewalt traktiert, warten die drei Kumpels in der Nähe des Mehrfamilienhauses ungeduldig auf ihn. Ihnen ist unwohl, sie spüren, dass der Raub total aus dem Ruder gelaufen ist – spätestens dann, als einer der Drei Reza in der Wohnung anruft und fragt, was los sei. Reza antwortet: «De Hanfpapst schlaft jetzt.» Er fordert sie auf, wieder in die Wohnung zu kommen. «Nein, komm herunter», antwortet der Kumpel. Kurze Zeit später schliesst sich Reza den Dreien wieder an. Zuvor hat er noch weitere 15 Gramm Marihuana mitgenommen, das portioniert in der Wohnung lag. Voller Stolz klaubt er mit blutverschmierten Händen sein Handy aus dem Hosensack und sagt «Hey lueged» und spielt das Video ab, auf dem Frommherz im Todeskampf zu sehen ist. «Ich war schockiert», sagte Pedro später am Prozess, «Frommherz blutete stark, aber er lebte noch.» Er habe das Video nur kurz angeguckt, dann habe er wegschauen müssen. Auch die beiden Kumpels waren «mega» schockiert, wie sie in der Untersuchung zu Protokoll gaben: «Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können, die Bilder verfolgten mich.» Frommherz habe Blut gespuckt, sein ganzes Gesicht sei blutverschmiert gewesen. Sie fragen Reza mehrmals, ob Frommherz wieder aufstehen würde. Reza beruhigt sie: «Der wird schon wieder aufstehen.» Danach teilen sie sich die Beute, wobei Reza die 15 Gramm Marihuana für sich behält, die er später gestohlen hatte. Auch die Schere nimmt er mit und wirft sie weg. Anschliessend löscht er den Film vom Handy und die vier Räuber trennen sich.
Reza (Name geändert) vor dem Bezirksgericht Winterthur.
Illustration: TA-Gerichtszeichnerin Julia Kuster.
15 Stunden nach dem Raubüberfall wird Frommherz in der Wohnung von einer Bekannten gefunden. Jede Hilfe kam zu spät, der Hanfpapst war tot. Anfänglich tappte die Polizei im Dunkeln, bis Pedro und ein Kollege eine Woche nach der Tat sich in Begleitung eines Anwalts bei der Polizei meldeten und ein Geständnis ablegten. Ihr schlechtes Gewissen hatte sie geplagt, nachdem in den Medien gross über den brutalen Tod berichtet wurde. Kurz darauf verhaftete die Polizei auch Reza bei einer seiner Schwestern und den vierten Komplizen. Auf der Flucht hatte Reza in einem Chat an Freunde geschrieben «Bin öppis am erledige gsi, ha ha ha» und berichtete von der schmerzenden Hand.
Vor Gericht ist Reza überfreundlich und spricht den Oberrichter gar mit «Euer Ehren» an. Von echter Reue ist wenig zu spüren. Es sei ein Unfall gewesen, er habe sich gewehrt, als Frommherz eine Schere packte, sagte Reza. Er sprach von einer «Schockstarre» in der er sich befand, als er den Hanfpapst mit der Schere in der Hand sah. Für seine Anwältin war es deshalb nur eine fahrlässige Tötung. Davon wollten die Oberrichter nichts wissen. Sie verurteilten – wie schon das Bezirksgericht Winterthur zuvor – den voll schuldfähigen Iraner wegen eventualvorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren, wobei die Tötung «nahe bei Mord» liege. Die Strafe wäre sogar noch höher ausgefallen. Weil aber der Staatsanwalt nach dem ersten Urteil vor dem Bezirksgericht keine Anschlussberufung gemacht hatte, konnte das Obergericht nicht über das Mass der Vorinstanz hinausgehen.
Das Obergericht schob die Strafe zugunsten einer geschlossenen stationären Massnahme auf, der so genannten kleinen Verwahrung. Denn die Rückfallgefahr für weitere Gewaltdelikte sei hoch, schrieb der Gerichtspsychiater im Gutachten. Reza brauche eine intensive psychiatrische Behandlung, neige er doch seit seiner Kindheit zu aggressivem und gewalttätigem Verhalten. Weder Strafen noch Therapien hätten in der Vergangenheit eine Besserung bewirkt.
Das Gericht ordnet eine so genannte «kleine Verwahrung» an, wenn beim verurteilten Täter eine schwere, behandlungsfähige psychische Störung vorliegt, die mit seinem Verbrechen oder Vergehen zusammenhängt. Zudem muss beim Täter Flucht- oder Wiederholungsgefahr bestehen. Die Therapie wird in einer geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik oder in einer psychiatrischen Abteilung in einem Gefängnis durchgeführt. Ziel der kleinen Verwahrung ist es, die psychische Störung des Täters zu behandeln, so dass sich die Rückfallgefahr senken lässt. Die Dauer der Therapie beträgt grundsätzlich höchstens fünf Jahre, sie kann aber um jeweils höchstens fünf weitere Jahre verlängert werden. Die Strafe wird zugunsten der Therapie aufgeschoben, und der mit der Therapie verbundene Freiheitsentzug wird auf die Strafe angerechnet.
Bei einer Verwahrung dagegen steht die Sicherheit im Vordergrund. Hier wird die Strafe nicht aufgeschoben, sondern der verurteilte Täter muss sie vorweg absitzen. Vor Antritt der Verwahrung muss mittels eines psychiatrischen Gutachtens zuerst geprüft werden, ob die Voraussetzungen dafür immer noch gegeben sind. Der Verurteilte kann bedingt frühzeitig aus der Verwahrung entlassen werden, wenn zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. Dies muss das Gericht überprüfen, welches die Verwahrung ausgesprochen hat.
Robert Frommherz hätte nicht sterben müssen, wenn die drei Kollegen von Reza sich nicht feige vom Tatort davongeschlichen, sondern die Rettungskräfte alarmiert hätten. Pedro und seinen beiden Mittätern musste klar gewesen sein, dass Frommherz im Sterben lag, als sie die Fotos und das Video auf dem Handy angeschaut hatten. Ansonsten hätten sie Reza nicht unzählige Male gefragt, ob er davon ausgehe, dass der Hanfpapst wieder aufstehe. «Wäre der Rettungsdienst frühzeitig gerufen worden, wäre der