Den beiden Priestern folgten Frau von Chandour und ihr Gatte. Das waren ungewöhnliche Wesen, und wer die Provinz nicht kennt, mochte versucht sein, sie für Phantasiegebilde zu halten. Der Gatte Amélies, der Frau, die sich zur Gegnerin der Frau von Bargeton aufgeworfen hatte, Herr von Chandour, den man Stanislaus nannte, war mit fünfundvierzig Jahren noch schlank, spielte sich auf den jungen Mann hinaus und hatte ein Gesicht, das wie ein Sieb aussah. Seine Krawatte war immer so geknüpft, dass sie zwei drohend herausstehende Enden hatte, von denen das eine hoch hinauf bis zum rechten Ohr ging, das andere sich in die Tiefe bis zu dem roten Band seines Ordenskreuzes neigte. Seine Rockschöße waren breit zurückgeschlagen. Seine tief ausgeschnittene Weste ließ eine aufgeblähte, gestärkte Hemdenbrust sehen, die mit geschmacklos überladenen Busennadeln geschlossen war. Kurz, sein ganzer Anzug sah so exzentrisch aus, dass er die größte Ähnlichkeit mit einer Karikatur besaß und die Fremden, die ihn sahen, sich des Lächelns nicht erwehren konnten. Stanislaus betrachtete sich fortwährend von oben bis unten mit einer Art Selbstzufriedenheit, zählte seine Westenknöpfe, verfolgte die Wellenlinien seiner enganschließenden Hose und liebkoste seine Beine mit einem Blick, der zärtlich an den Spitzen seiner Stiefel hängen blieb. Wenn er aufgehört hatte, sich so zu betrachten, suchten seine Augen einen Spiegel, er prüfte, ob seine Frisur in Ordnung war, sah forschend mit glücklichen Augen nach den Frauen, wobei er einen Finger in die Westentasche steckte, sich zurückbog und sich ganz auf die Seite drehte. Diese Hahnenkampfstellung sicherte ihm in dieser aristokratischen Gesellschaft, deren Lieblingsgeck er war, seinen Erfolg. Meistens waren seine Gespräche mit verblümten Zoten gespickt, wie sie im achtzehnten Jahrhundert beliebt waren. Diese abscheuliche Art, sich zu unterhalten, verschaffte ihm bei den Frauen einigen Erfolg: er brachte sie zum Lachen. Über Herrn du Châtelet fing er an sich zu beunruhigen. In der Tat bemühten sich die Frauen, die sich über die Missachtung, die sie von dem Gecken von der Steuerverwaltung erfuhren, nicht beruhigen konnten, die gereizt waren durch das Ansehen, das er sich gab, als sei es unmöglich, ihn aus seinem Marasmus zu reißen, und die sein Ton eines blasierten Sultans ausstachelte, noch lebhafter um ihn als bei seiner Ankunft, seitdem Frau von Bargeton sich in den Byron von Angoulême verliebt hatte. Amilie war eine kleine Frau im Stil der Schmierenkomödiantin, dick, weiß, mit schwarzen Haaren; sie übertrieb alles, sprach sehr laut, bewegte immer den Kopf, auf dem sie im Sommer Federn, im Winter Blumen trug, im Kreise hin und her, als ob sie mit ihm radschlagen wollte; sie sprach gut, aber sie konnte keinen Satz vollenden, ohne ihm das Keuchen eines Asthmas zum Geleit zu geben, das sie nicht eingestehen wollte.
Herr von Saintot, Astolf genannt, der Präsident der Landwirtschaftsgesellschaft, ein großer, schwerer Mann mit gerötetem Gesicht, wurde von seiner Frau hereingeschleppt, die große Ähnlichkeit mit einem vertrockneten Farnkraut hatte; man nannte sie Lili, was aus Elise abgekürzt war. Dieser Name, der auf etwas Kindliches schließen ließ, stach grell gegen den Charakter und die Manieren der Frau von Saintot ab, die eine feierliche, überaus fromme Frau und beim Spiel sehr schwer zu behandeln und zänkisch war. Astolf galt für einen großen Gelehrten. Er war zwar dumm wie ein Karpfen, aber er hatte trotzdem für ein landwirtschaftliches Lexikon die Artikel »Zucker« und »Branntwein« geschrieben, die er aus alten Zeitungsartikeln und Büchern, in denen von den beiden Produkten die Rede war, zusammengestohlen hatte. Das ganze Departement glaubte ihn mit einer Abhandlung über die moderne Bodenbestellung beschäftigt. Obwohl er den ganzen Vormittag sich in seinem Arbeitszimmer einschloss, hatte er seit zwölf Jahren noch keine zwei Seiten geschrieben. Wenn ihn jemand besuchte, ließ er sich überraschen, damit man sah, wie er Papier verschmierte, eine verlegte Notiz suchte oder seine Feder schnitt; aber er verbrachte die ganze Zeit, die er in seinem Arbeitszimmer weilte, mit Albernheiten: er las lang und breit die Zeitung, er schnitt mit seinem Federmesser an Pfropfen herum, zeichnete groteskes Zeug auf seine Schreibunterlage, blätterte im Cicero, um sich eilig einen Satz oder ganze Stellen aufzuschreiben, die man auf die Tagesereignisse anwenden konnte; am Abend bemühte er sich dann, die Unterhaltung auf einen Gegenstand zu bringen, der ihm die Bemerkung erlaubte: »Man findet bei Cicero eine Stelle, die für das, was sich in unsern Tagen ereignet; geschrieben zu sein scheint.« Er zitierte dann zum großen Erstaunen seiner Zuhörer seine Stelle, und sie sagten wieder einmal untereinander: »Wahrhaftig, Astolf ist ein Abgrund von Gelehrsamkeit.« Dieser merkwürdige Vorfall sprach sich dann in der ganzen Stadt herum, und so blieb sie bei ihren schmeichelhaften Meinungen über Herrn von Saintot.
Nach diesem Paar kam Herr von Bartas, Adrian genannt. Er sang ersten Bass und tat sich riesig viel auf sein musikalisches Talent zugute. Die Eigenliebe hatte ihn auf den Gesang gebracht und ließ ihn nun nicht mehr herunter; er hatte damit angefangen, sich selbst als Sänger zu bewundern, dann hatte er begonnen, von Musik zu sprechen, und schließlich beschäftigte er sich mit nichts anderem mehr. Die Musik war bei ihm eine Art Monomanie geworden; er wurde nur lebhaft, wenn er von Musik sprach; er litt den ganzen Abend über, bis man ihn bat, er möchte singen. Erst wenn er eins seiner Lieder gebrüllt hatte, fing er an zu leben. Er paradierte, er streckte sich, wenn er Komplimente entgegennahm, er spielte den Bescheidenen, ging aber trotzdem von Gruppe zu Gruppe, um sich loben zu lassen; und wenn schließlich gar nichts mehr zu sagen war, kam er wieder auf die Musik zu sprechen, indem er ein Gespräch über die Schwierigkeiten seines Liedes anschnitt oder den Komponisten rühmte.
Herr Alexander von Brébian, der Held der Tusche, der Zeichner, der die Zimmer seiner Freunde mit abgeschmackten Malereien unsicher machte und jedes Album des Departements verschmierte, begleitete Herrn von Bartas. Jeder von beiden gab der Frau des andern den Arm. Wenn man der chronique scandaleuse glauben wollte, war diese Umstellung eine vollkommene. Die beiden Frauen, Lolotte – Frau Charlotte von Breblan – und Fifine – Frau Iosephine von Bartas –, die sich beide mit nichts weiter beschäftigten als mit einem Busentuch, einem Bänderbesatz oder mit der Zusammenstellung einiger nicht zusammenpassender Roben, waren von der Sehnsucht verzehrt, Pariserinnen zu scheinen, und vernachlässigten ihr Haus, wo alles drunter und drüber ging. Wenn die beiden Frauen, die wie Puppen in zu knapp bemessenen Kleidern eingezwängt waren, eine grelle und bizarre Farbenausstellung zur Schau trugen, gestatteten sich ihre Gatten in ihrer Eigenschaft als Künstler eine provinzmäßige Nachlässigkeit, die sie sehenswert machte. Ihre abgetragenen Röcke gaben ihnen das Aussehen von Statisten, wie sie in kleinen Theatern Leute aus der feinen Gesellschaft darstellen, die an einer Hochzeit teilnehmen.
Unter den Gestalten, die im Salon landeten, war eine der originellsten der Graf von Senonches, der in der aristokratischen Gesellschaft kurz Jacques genannt wurde, ein großer Jäger, hochmütig, trocken, mit sonnverbranntem Gesicht, liebenswürdig wie ein Eber, misstrauisch wie ein Venezianer, eifersüchtig wie ein Mohr und sehr befreundet mit Herrn du Hautoy, der Francis hieß und Hausfreund war.
Frau von Senonches – Zéphirine – war groß und schön, aber ihr Gesicht infolge eines Leberleidens stark gerötet; sie machte den Eindruck einer Frau, die große Ansprüche stellt. Ihre feine Taille, ihre zarte Gestalt erlaubten ihr ein schmachtendes Wesen, das affektiert schien, aber nur der Ausdruck der immer befriedigten Leidenschaften und Launen einer Frau war, die geliebt wurde.
Francis war ein sehr vornehmer Herr, der das Konsulat von Valencia und seine diplomatischen Hoffnungen aufgegeben hatte, um in Angoulême bei seiner Zéphirine zu sein, die auch Zizine genannt wurde. Der frühere Konsul kümmerte sich um den Haushalt, nahm sich der Erziehung der Kinder an, unterrichtete sie in den fremden Sprachen und verwaltete das Vermögen von Herrn und Frau von Senonches mit großer Hingabe. Die Adligen, die Beamten und die Bürger von Angoulême hatten lange über die völlige Eintracht dieser Haushaltung zu dreien geredet; aber auf die Dauer erschien dieses Mysterium von Dreieinigkeit in der Ehe so selten und reizend, dass man Herrn du Hautoy für überaus unmoralisch gehalten hätte, wenn er Miene gemacht hätte, sich zu verheiraten. Überdies fing man an, hinter der außergewöhnlichen Neigung der Frau von Senonches für ein Patenkind, das Fräulein de la Haye hieß und das ihr als Gesellschafterin diente, aufregende Geheimnisse zu wittern; und trotz einiger scheinbarer Unmöglichkeiten in den Daten fand man eine frappierende Ähnlichkeit zwischen Françoise de la Haye und Francis du Hautoy. Wenn Jacques in der Gegend jagte, fragte ihn jeder, wie es Francis gehe, und er erzählte von den kleinen Unpässlichkeiten seines freiwilligen Verwalters, noch bevor er von seiner Frau sprach. Diese Blindheit schien bei einem eifersüchtigen Menschen so seltsam, dass seine besten