Endlose Nacht, was brütest du für Flammen!
Selbst Vogelseufzer schweigt zur Abendzeit,
Mein Jammer nur bricht nicht in Schlaf zusammen.
Die Glut erlosch – und dennoch fehlt der Schlummer!
Ist’s doch nicht mehr für ihn, wenn meinem Kummer
Die Muse folgt und mit mir ruhlos schweift
Und über Blumen schreitend oder Moos
In meine Verse Duft und Tränen streift.
Er liest mein Lied nicht mehr; gedankenlos
Vermeint er, meine Seele sei erstorben;
Sein kaltes Herz, das einst um mich geworben,
Begreift die Qualen nicht, die in mir ringen.
Erfahr er’s nie! Kann er mir Heilung bringen?
Sein Stolz soll nie die herbe Wollust kennen,
Daß meine Tränen die Gewalten nennen,
Die mich voll Anmaß ihm entgegenzwingen.
Was dankt ich meinem Schrei? Er wird erschrecken,
In Mitleid wiederkehren? Lieber Tod!
Wer kann ein ganz Zerstörtes neu erwecken?
Ist er denn noch das Glück? Er selbst zerbrach
Sein Bild und warf mein Herz in bittre Not.
Kann er die süße Unschuld wiedergeben
Und Unerfahrenheit, statt Schmerz und Schmach?
Die Liebe floh mit aller meiner Habe,
Und was ich gab, das ist verlorne Gabe.
Die Verzeihung
Ich sterbe, von der Pein des Schicksals übermannt;
Willst du des letzten Augenblicks Entsetzen lindern?
Leg wieder auf mein Herz die schuldige Hand –
Laß nichts dich hindern!
Sobald es aufgehört, dich flammend zu erleben,
Macht keine überflüssige Reue dir Beschwer;
Sprich nur: »Dies Herz, so zärtlich mir ergeben,
Es liebt nicht mehr…«
Die Liebe flieht aus meiner wunden Brust; ich sterbe!
Schau an dein grausam Werk, schließ nicht die Augen zu:
Der Tod in mir ist nicht so kalt und herbe,
So Eis wie du!
Nimm hin dein Gut! Dies Herz, das nur für dich gewesen,
Hat keine andre Gabe als sich selbst bereit;
Zerreiß es! Und noch immer wirst du lesen,
Daß es verzeiht.
Schlafe
Dein Schicksalssturm bat mich ins Knie gebogen,
Und deine Tränen weinte ich mit dir;
Wie hoch du flogst, ich bin dir nachgezogen,
Dein Weheschrei fand Widerhall in mir.
Doch was ist Freundschaft dem, der Liebe fühlt?
Ich habe nichts geheilt und nichts erworben.
Verbrannter Boden, den die Woge kühlt,
Er bleibt verbrannt – so bleibt das Herz gestorben.
Ich liebe noch – o nein! Ich bin nicht tot!
Ich gleite vor dir her durch die Gelände;
Wie erster blasser Schein von Morgenrot
Erwärm ich deine Blicke, deine Hände.
Der Kranke fühlt in seinem Schlummer nicht
Den kühlen Hauch, der seine Leiden wendet,
Den sanften Traum, der Schmerz und Fieber bricht:
Ich bin der Traum, den Gott für dich gesendet.
Wie müder Cherubim, der das Gefunkel
Der goldnen Schwingen fest zusammenrafft,
Verhülle deinen Glanz – und durch das Dunkel
Geleite dich mein Licht und meine Kraft.
Gebet
Laß nicht mich sterben unterm Eis der Jahre,
Gott, der mein Herz aus reinem Feuer schuf.
Mich ängstet Nacht; gib mir in tagesklare
Und sturmdurchjagte Stunde deinen Ruf!
Und vor dem Tod des Einen sei’s vollbracht,
Den ich geliebt; zu schwer ist andres Sterben!
Sein Atem hauche Glut in mein Verderben
Und dulde nicht, daß Frost mich fühllos macht…
Seele und Jugend
Da meiner Kindheit Traum
So rasch entflieht
Wie Vogelflug vom Baum,
Der talwärts zieht –
Da mich des Schöpfers Gnade
In Irre wies,
Nur unbeständige Pfade
Und Hoffnung ließ – So komm mit goldnem Flug,
Du Jugendzeit,
Die Seele ist zum Zug
Ins All bereit.
Komm, eine mit der andern,
Wie Duft und Licht,
Laß uns zusammen wandern
In Zuversicht.
Du Schöne bist das Kleid,
Der Perlbehang,
Mit dem Verborgenheit
Mich sanft umschlang.
Es schützt die scheue Meise
Der Rosenstrauch,
Du birgst und schützest leise
Mich Scheue auch.
O schmerzgebeugtes Haupt
Durch lange Nacht,
Die noch an Liebe glaubt,
Jugend, hab acht!
In Stürmen lebt die Liebe,
Und wer sie stellt,
Wie mutig er auch bliebe,
Wird leicht zerschellt.
Gott ist die Liebe; nur,
O Jugend, sieh,
Such ihre Flammenspur
Hier drunten nie:
Kein Blühn und keine Gabe
Uns bleiben kann;