“Dem hochheiligen Statthalter des Herrn hat es gefallen, mich seines Blicks zu würdigen. – Ich habe ihn verehrt im Staube, wie es der
Автор: | E. T. A. Hoffmann |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | |
Жанр произведения: | Языкознание |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9788027209156 |
einer bösen Macht, die die Kirche Teufel nennt?” – Ich wollte antworten, der Papst fuhr fort: “Glaubt Ihr, daß der Wein, den Ihr aus der Reliquienkammer stahlt und austranket, Euch zu den Freveln trieb, die Ihr beginget?” – “Wie ein von giftigen Dünsten geschwängertes Wasser gab er Kraft dem bösen Keim, der in mir ruhete, daß er fortzuwuchern vermochte!” – Als ich dies erwidert, schwieg der Papst einige Augenblicke, dann fuhr er mit ernstem, in sich gekehrtem Blick fort: “Wie, wenn die Natur die Regel des körperlichen Organism auch im geistigen befolgte, daß gleicher Keim nur Gleiches zu gebären vermag? … Wenn Neigung und Wollen, – wie die Kraft, die im Kern verschlossen, des hervorschießenden Baumes Blätter wieder grün färbt – sich fortpflanzte von Vätern zu Vätern, alle Willkür aufhebend? … Es gibt Familien von Mördern, von Räubern! … Das wäre die Erbsünde, des frevelhaften Geschlechts ewiger, durch kein Sühnopfer vertilgbarer Fluch!” – “Muß der vom Sünder Geborne wieder sündigen vermöge des vererbten Organism …, dann gibt es keine Sünde”, so unterbrach ich den Papst. “Doch!” sprach er, “der ewige Geist schuf einen Riesen, der jenes blinde Tier, das in uns wütet, zu bändigen und in Fesseln zu schlagen vermag. Bewußtsein heißt dieser Riese, aus dessen Kampf mit dem Tier sich die Spontaneität erzeugt. Des Riesen Sieg ist die Tugend, der Sieg des Tieres die Sünde.” Der Papst schwieg einige Augenblicke, dann heiterte sein Blick sich auf, und er sprach mit sanfter Stimme: “Glaubt Ihr, Mönch Medardus, daß es für den Statthalter des Herrn schicklich sei, mit Euch über Tugend und Sünde zu vernünfteln?” – “Ihr habt, hochheiliger Herr”, erwiderte ich, “Euern Diener gewürdigt, Eure tiefe Ansicht des menschlichen Seins zu vernehmen, und wohl mag es Euch ziemen, über den Kampf zu sprechen, den Ihr längst, herrlich und glorreich siegend, geendet.” – “Du hast eine gute Meinung von mir, Bruder Medardus”, sprach der Papst, “oder glaubst du, daß die Tiara der Lorbeer sei, der mich als Helden und Sieger der Welt verkündet?” – “Es ist”, sprach ich, “wohl etwas Großes, König sein und herrschen über ein Volk. So im Leben hochgestellt, mag alles rings umher näher zusammengerückt, in jedem Verhältnis kommensurabler erscheinen und eben durch die hohe Stellung sich die wunderbare Kraft des Überschauens entwickeln, die wie eine höhere Weihe sich kundtut im gebornen Fürsten.” – “Du meinst”, fiel der Papst ein, “daß selbst den Fürsten, die schwach an Verstande und Willen, doch eine gewisse wunderliche Sagazität beiwohne, die, füglich für Weisheit geltend, der Menge zu imponieren vermag. Aber wie gehört das hieher?” – “Ich wollte”, fuhr ich fort, “von der Weihe der Fürsten reden, deren Reich von dieser Welt ist, und dann von der heiligen, göttlichen Weihe des Statthalters des Herrn. Auf geheimnisvolle Weise erleuchtet der Geist des Herrn die im Konklave verschlossenen hohen Priester. Getrennt, in einzelnen Gemächern frommer Betrachtung hingegeben, befruchtet der Strahl des Himmels das nach der Offenbarung sich sehnende Gemüt, und ein Name erschallt wie ein die ewige Macht lobpreisender Hymnus von den begeisterten Lippen. – Nur kundgetan in irdischer Sprache wird der Beschluß der ewigen Macht, die sich ihren würdigen Statthalter auf Erden erkor, und so, hochheiliger Herr! ist Eure Krone, im dreifachen Ringe das Mysterium Eures Herrn, des Herrn der Welten, verkündend, in der Tat der Lorbeer, der Euch als Helden und Sieger darstellt. – Nicht von dieser Welt ist Euer Reich, und doch seid Ihr berufen zu herrschen über alle Reiche dieser Erde, die Glieder der unsichtbaren Kirche sammelnd unter der Fahne des Herrn! – Das weltliche Reich, das Euch beschieden, ist nur Euer in himmlischer Pracht blühender Thron.” – “Das gibst du zu”, unterbrach mich der Papst, – “das gibst du zu, Bruder Medardus, daß ich Ursache habe, mit diesem mir beschiedenen Thron zufrieden zu sein. Wohl ist meine blühende Roma geschmückt mit himmlischer Pracht, das wirst du auch wohl fühlen, Bruder Medardus! hast du deinen Blick nicht ganz dem Irdischen verschlossen … Doch das glaub ich nicht… Du bist ein wackrer Redner und hast mir zum Sinn gesprochen … Wir werden uns, merk ich, näher verständigen! … Bleibe hier! … In einigen Tagen bist du vielleicht Prior, und später könnt’ ich dich wohl gar zu meinem Beichtvater erwählen… Gehe … gebärde dich weniger närrisch in den Kirchen, zum Heiligen schwingst du dich nun einmal nicht hinauf – der Kalender ist vollzählig. Gehe.” – Des Papstes letzte Worte verwunderten mich ebenso wie sein ganzes Betragen überhaupt, das ganz dem Bilde widersprach, wie es sonst von dem Höchsten der christlichen Gemeinde, dem die Macht gegeben zu binden und zu lösen, in meinem Innern aufgegangen war. Es war mir nicht zweifelhaft, daß er alles, was ich von der hohen Göttlichkeit seines Berufs gesprochen, für eine leere, listige Schmeichelei gehalten hatte. Er ging von der Idee aus, daß ich mich hatte zum Heiligen aufschwingen wollen und daß ich, da er mir aus besondern Gründen den Weg dazu versperren mußte, nun gesonnen war, mir auf andere Weise Ansehn und Einfluß zu verschaffen. Auf dieses wollte er wieder aus besonderen, mir unbekannten Gründen eingehen. Ich beschloß – ohne daran zu denken, daß ich ja, ehe der Papst mich rufen ließ, Rom hatte verlassen wollen – meine Andachtsübungen fortzusetzen. Doch nur zu sehr im Innern fühlte ich mich bewegt, um wie sonst mein Gemüt ganz dem Himmlischen zuwenden zu können. Unwillkürlich dachte ich selbst im Gebet an mein früheres Leben; erblaßt war das Bild meiner Sünden, und nur das Glänzende der Laufbahn, die ich als Liebling eines Fürsten begonnen, als Beichtiger des Papstes fortsetzen und wer weiß auf welcher Höhe enden werde, stand grell leuchtend vor meines Geistes Augen. So kam es, daß ich, nicht weil es der Papst verboten, sondern unwillkürlich meine Andachtsübungen einstellte und statt dessen in den Straßen von Rom umherschlenderte. Als ich eines Tages über den spanischen Platz ging, war ein Haufen Volks um den Kasten eines Puppenspielers versammelt. Ich vernahm Pulcinells komisches Gequäke und das wiehernde Gelächter der Menge. Der erste Akt war geendet, man bereitete sich auf den zweiten vor. Die kleine Decke flog auf, der junge David erschien mit seiner Schleuder und dem Sack voll Kieselsteinen. Unter possierlichen Bewegungen versprach er, daß nunmehr der ungeschlachte Riese Goliath ganz gewiß erschlagen und Israel errettet werden solle. Es ließ sich ein dumpfes Rauschen und Brummen hören. Der Riese Goliath stieg empor mit einem Ungeheuern Kopfe. – Wie erstaunte ich, als ich auf den ersten Blick in dem Goliathskopf den närrischen Belcampo erkannte. Dicht unter dem Kopf hatte er mittelst einer besondern Vorrichtung einen kleinen Körper mit Ärmchen und Beinchen angebracht, seine eigenen Schultern und Arme aber durch eine Draperie versteckt, die wie Goliaths breit gefalteter Mantel anzusehen war. Goliath hielt mit den seltsamsten Grimassen und groteskem Schütteln des Zwergleibes eine stolze Rede, die David nur zuweilen durch ein feines Kickern unterbrach. Das Volk lachte unmäßig, und ich selbst, wunderlich angesprochen von der neuen fabelhaften Erscheinung Belcampos, ließ mich fortreißen und brach aus in das längst ungewohnte Lachen der innern kindischen Lust. – Ach, wie oft war sonst mein Lachen nur der konvulsivische Krampf der innern herzzerreißenden Qual. Dem Kampf mit dem Riesen ging eine lange Disputation voraus, und David bewies überaus künstlich und gelehrt, warum er den furchtbaren Gegner totschmeißen müsse und werde. Belcampo ließ alle Muskeln seines Gesichts wie knisternde Lauffeuer spielen, und dabei schlugen die Riesenärmchen nach dem kleiner als kleinen David, der geschickt unterzuducken wußte und dann hie und da, ja selbst aus Goliaths eigner Mantelfalte zum Vorschein kam. Endlich flog der Kiesel an Goliaths Haupt, er sank hin, und die Decke fiel. Ich lachte immer mehr, durch Belcampos tollen Genius gereizt, überlaut, da klopfte jemand leise auf meine Schulter. Ein Abbate stand neben mir. “Es freut mich”, fing er an, “daß Ihr, mein ehrwürdiger Herr, nicht die Lust am Irdischen verloren habt. Beinahe traute ich Euch, nachdem ich Eure merkwürdige Andachtsübungen gesehen, nicht mehr zu, daß Ihr über solche Torheiten zu lachen vermöchtet.” Es war mir so, als der Abbate dieses sprach, als müßte ich mich meiner Lustigkeit schämen, und unwillkürlich sprach ich, was ich gleich darauf schwer bereute, gesprochen zu haben. “Glaubt mir, mein Herr Abbate”, sagte ich, “daß dem, der in dem buntesten Wogenspiel des Lebens ein rüstiger Schwimmer war, nie die Kraft gebricht, aus dunkler Flut aufzutauchen und mutig sein Haupt zu erheben.” Der Abbate sah mich mit blitzenden Augen an. “Ei”, sprach er, “wie habt Ihr das Bild so gut erfunden und ausgeführt. Ich glaube Euch jetzt zu kennen ganz und gar und bewundere Euch aus tiefstem Grunde meiner Seele.” “Ich weiß nicht, mein Herr! wie ein armer büßender Mönch Eure Bewunderung zu erregen vermochte!” “Vortrefflich, Ehrwürdigster! – Ihr fallt zurück in Eure Rolle! – Ihr seid des Papstes Liebling?”