- – - Und es begab sich, daß die Republik Genua, hart bedrängt von den algierischen Korsaren, sich an den großen Seehelden Camillo, Fürsten von P., wandte, daß er mit vier wohlausgerüsteten und bemannten Galeonen einen Streifzug gegen die verwegenen Räuber unternehmen möge. Camillo, nach ruhmvollen Taten dürstend, schrieb sofort an seinen ältesten Sohn Francesko, daß er kommen möge, in des Vaters Abwesenheit das Land zu regieren. Francesko übte in Leonardo da Vincis Schule die Malerei, und der Geist der Kunst hatte sich seiner so ganz und gar bemächtigt, daß er nichts anders denken konnte. Daher hielt er auch die Kunst höher als alle Ehre und Pracht auf Erden, und alles übrige Tun und Treiben der Menschen erschien ihm als ein klägliches Bemühen um eitlen Tand. Er konnte von der Kunst und von dem Meister, der schon hoch in den Jahren war, nicht lassen und schrieb daher dem Vater zurück, daß er wohl den Pinsel, aber nicht den Zepter zu führen verstehe und bei Leonardo bleiben wolle. Da war der alte, stolze Fürst Camillo hoch erzürnt, schalt den Sohn einen unwürdigen Toren und schickte vertraute Diener ab, die den Sohn zurückbringen sollten. Als nun aber Francesko standhaft verweigerte zurückzukehren, als er erklärte, daß ein Fürst, von allem Glanz des Throns umstrahlt, ihm nur ein elendiglich Wesen dünke gegen einen tüchtigen Maler und daß die größten Kriegestaten nur ein grausames irdisches Spiel wären, dagegen die Schöpfung des Malers die reine Abspiegelung des ihm inwohnenden göttlichen Geistes sei, da ergrimmte der Seeheld Camillo und schwur, daß er den Francesko verstoßen und seinem jüngern Bruder Zenobio die Nachfolge zusichern wolle. Francesko war damit gar zufrieden, ja er trat in einer Urkunde seinem Jüngern Bruder die Nachfolge auf den fürstlichen Thron mit aller Form und Feierlichkeit ab, und so begab es sich, daß, als der alte Fürst Camillo in einem harten, blutigen Kampfe mit den Algierern sein Leben verloren hatte, Zenobio zur Regierung kam, Francesko dagegen, seinen fürstlichen Stand und Namen verleugnend, ein Maler wurde und von einem kleinen Jahrgehalt, den ihm der regierende Bruder ausgesetzt, kümmerlich genug lebte. Francesko war sonst ein stolzer, übermütiger Jüngling gewesen, nur der alte Leonardo zähmte seinen wilden Sinn, und als Francesko dem fürstlichen Stand entsagt hatte, wurde er Leonardos frommer, treuer Sohn. Er half dem Alten manch wichtiges, großes Werk vollenden, und es geschah, daß der Schüler, sich hinaufschwingend zu der Höhe des Meisters, berühmt wurde und manches Altarblatt für Kirchen und Klöster malen mußte. Der alte Leonardo stand ihm treulich bei mit Rat und Tat, bis er denn endlich im hohen Alter starb. Da brach, wie ein lange mühsam unterdrücktes Feuer, in dem Jüngling Francesko wieder der Stolz und Übermut hervor. Er hielt sich für den größten Maler seiner Zeit, und die erreichte Kunstvollkommenheit mit seinem Stande paarend, nannte er sich selbst den fürstlichen Maler. Von dem alten Leonardo sprach er verächtlich und schuf, abweichend von dem frommen, einfachen Stil, sich eine neue Manier, die mit der Üppigkeit der Gestalten und dem prahlenden Farbenglanz die Augen der Menge verblendete, deren übertriebene Lobsprüche ihn immer eitler und übermütiger machten. Es geschah, daß er zu Rom unter wilde, ausschweifende Jünglinge geriet, und wie er nun in allem der erste und vorzüglichste zu sein begehrte, so war er bald im wilden Sturm des Lasters der rüstigste Segler. Ganz von der falschen, trügerischen Pracht des Heidentums verführt, bildeten die Jünglinge, an deren Spitze Francesko stand, einen geheimen Bund, in dem sie, das Christentum auf frevelige Weise verspottend, die Gebräuche der alten Griechen nachahmten und mit frechen Dirnen verruchte, sündhafte Feste feierten.
Es waren Maler, aber noch mehr Bildhauer unter ihnen, die wollten nur von der antikischen Kunst etwas wissen und verlachten alles, was neue Künstler, von dem heiligen Christentum entzündet, zur Glorie desselben erfunden und herrlich ausgeführt hatten. Francesko malte in unheiliger Begeisterung viele Bilder aus der lügenhaften Fabelwelt. Keiner als er vermochte die buhlerische Üppigkeit der weiblichen Gestalten so wahrhaft darzustellen, indem er von lebenden Modellen die Karnation, von den alten Marmorbildern aber Form und Bildung entnahm. Statt wie sonst in den Kirchen und Klöstern sich an den herrlichen Bildern der alten frommen Meister zu erbauen und sie mit künstlerischer Andacht aufzunehmen in sein Inneres, zeichnete er emsig die Gestalten der lügnerischen Heidengötter nach. Von keiner Gestalt war er aber so ganz und gar durchdrungen als von einem berühmten Venusbilde, das er stets in Gedanken trug. Das Jahrgehalt, was Zenobio dem Bruder ausgesetzt hatte, blieb einmal länger als gewöhnlich aus, und so kam es, daß Francesko bei seinem wilden Leben, das ihm allen Verdienst schnell hinwegraffte und das er doch nicht lassen wollte, in arge Geldnot geriet. Da gedachte er, daß vor langer Zeit ihm ein Kapuzinerkloster aufgetragen hatte, für einen hohen Preis das Bild der heiligen Rosalia zu malen, und er beschloß, das Werk, das er aus Abscheu gegen alle christliche Heiligen nicht unternehmen wollte, nun schnell zu vollenden, um das Geld zu erhalten. Er gedachte die Heilige nackt und in Form und Bildung des Gesichts jenem Venusbilde gleich darzustellen. Der Entwurf geriet über die Maßen wohl, und die freveligen Jünglinge priesen hoch Franceskos verruchten Einfall, den frommen Mönchen statt der christlichen Heiligen ein heidnisches Götzenbild in die Kirche zu stellen. Aber wie Francesko zu malen begann, siehe, da gestaltete sich alles anders, als er es in Sinn und Gedanken getragen, und ein mächtigerer Geist überwältigte den Geist der schnöden Lüge, der ihn beherrscht hatte. Das Gesicht eines Engels aus dem hohen Himmelreiche fing an, aus düstern Nebeln hervorzudämmern; aber als wie von scheuer Angst, das Heilige zu verletzen und dann dem Strafgericht des Herrn zu erliegen, ergriffen, wagte Francesko nicht, das Gesicht zu vollenden, und um den nackt gezeichneten Körper legten in anmutigen Falten sich züchtige Gewänder, ein dunkelrotes Kleid und ein azurblauer Mantel. Die Kapuzinermönche hatten in dem Schreiben an den Maler Francesko nur des Bildes der heiligen Rosalia gedacht, ohne weiter zu bestimmen, ob dabei nicht eine denkwürdige Geschichte ihres Lebens