Franceskos Entfernung brachte der Gräfin S. den Tod, denn nun erst erwachte sie zum Bewußtsein der Sünde, und nicht überstehen konnte sie den Kampf der Liebe zum Verbrecher und der Reue über das, was sie begangen. Graf Filippo wurde neunzig Jahr alt, dann starb er als ein kindischer Greis. Sein vermeintlicher Sohn Pietro zog mit seiner Schwester Angiola an den Hof Franceskos, der dem Zenobio gefolgt war. Durch glänzende Feste wurde Paolo Franceskos Verlobung mit Vittoria, Fürstin von M., gefeiert, als aber Pietro die Braut in voller Schönheit erblickte, wurde er in heftiger Liebe entzündet, und ohne der Gefahr zu achten, bewarb er sich um Vittorias Gunst. Doch Paolo Franceskos Blicken entging Pietros Bestreben, da er selbst in seine Schwester Angiola heftig entbrannt war, die all sein Bemühen kalt zurückwies. Vittoria entfernte sich von dem Hofe, um, wie sie vorgab, noch vor ihrer Heirat in stiller Einsamkeit ein heiliges Gelübde zu erfüllen. Erst nach Ablauf eines Jahres kehrte sie zurück, die Hochzeit sollte vor sich gehen, und gleich nach derselben wollte Graf Pietro mit seiner Schwester Angiola nach seiner Vaterstadt zurückkehren. Paolo Franceskos Liebe zur Angiola war durch ihr stetes, standhaftes Widerstreben immer mehr entflammt worden und artete jetzt aus in die wütende Begier des wilden Tieres, die er nur durch den Gedanken des Genusses zu bezähmen vermochte. – So geschah es, daß er durch den schändlichsten Verrat am Hochzeitstage, ehe er in die Brautkammer ging, Angiola in ihrem Schlafzimmer überfiel und, ohne daß sie zur Besinnung kam, denn Opiate hatte sie beim Hochzeitmahl bekommen, seine frevelige Lust befriedigte. Als Angiola durch die verruchte Tat dem Tode nahe gebracht wurde, da gestand der von Gewissensbissen gefolterte Paolo Francesko ein, was er begangen. Im ersten Aufbrausen des Zorns wollte Pietro den Verräter niederstoßen, aber gelähmt sank sein Arm nieder, da er daran dachte, daß seine Rache der Tat vorangegangen. Die kleine Giazinta, Fürstin von B., allgemein für die Tochter der Schwester Vittorias geltend, war die Frucht des geheimen Verständnisses, das Pietro mit Paolo Franceskos Braut unterhalten hatte. Pietro ging mit Angiola nach Deutschland, wo sie einen Sohn gebar, den man Franz nannte und sorgfältig erziehen ließ. Die schuldlose Angiola tröstete sich endlich über den entsetzlichen Frevel und blühte wieder auf in gar herrlicher Anmut und Schönheit. So kam es, daß der Fürst Theodor von W. eine gar heftige Liebe zu ihr faßte, die sie aus tiefer Seele erwiderte. Sie wurde in kurzer Zeit seine Gemahlin, und Graf Pietro vermählte sich zu gleicher Zeit mit einem teutschen Fräulein, mit der er eine Tochter erzeugte, so wie Angiola dem Fürsten zwei Söhne gebar. Wohl konnte sich die fromme Angiola ganz rein im Gewissen fühlen, und doch versank sie oft in düsteres Nachdenken, wenn ihr wie ein böser Traum Paolo Franceskos verruchte Tat in den Sinn kam, ja es war ihr oft so zumute, als sei selbst die bewußtlos begangene Sünde strafbar und würde gerächt werden an ihr und ihren Nachkommen. Selbst die Beichte und vollständige Absolution konnte sie nicht beruhigen. Wie eine himmlische Eingebung kam ihr nach langer Qual der Gedanke, daß sie alles ihrem Gemahl entdecken müsse. Unerachtet sie wohl sich des schweren Kampfes versah, den ihr das Geständnis des von dem Bösewicht Paolo Francesko verübten Frevels kosten würde, so gelobte sie sich doch feierlich, den schweren Schritt zu wagen, und sie hielt, was sie gelobt hatte. Mit Entsetzen vernahm Fürst Theodor die verruchte Tat, sein Inneres wurde heftig erschüttert, und der tiefe Ingrimm schien selbst der schuldlosen Gemahlin bedrohlich zu werden. So geschah es, daß sie einige Monate auf einem entfernten Schloß zubrachte; während der Zeit bekämpfte der Fürst die bittern Empfindungen, die ihn quälten, und es kam so weit, daß er nicht allein versöhnt der Gemahlin die Hand bot, sondern auch, ohne daß sie es wußte, für Franzens Erziehung sorgte. Nach dem Tode des Fürsten und seiner Gemahlin wußte nur Graf Pietro und der junge Fürst Alexander von W. um das Geheimnis von Franzens Geburt. Keiner der Nachkömmlinge des Malers wurde jenem Francesko, den Graf Filippo erzog, so ganz und gar ähnlich an Geist und Bildung als dieser Franz. Ein wunderbarer Jüngling, vom höheren Geiste belebt, feurig und rasch in Gedanken und Tat. Mag des Vaters, mag des Ahnherrn Sünde nicht auf ihm lasten, mag er widerstehen den bösen Verlockungen des Satans. Ehe Fürst Theodor starb, reiseten seine beiden Söhne Alexander und Johann nach dem schönen Welschland, doch nicht sowohl offenbare Uneinigkeit als verschiedene Neigung, verschiedenes Streben war die Ursache, daß die beiden Brüder sich in Rom trennten. Alexander kam an Paolo Franceskos Hof und faßte solche Liebe zu Paolos jüngster mit Vittoria erzeugten Tochter, daß er sich ihr zu vermählen gedachte. Fürst Theodor wies indessen mit einem Abscheu, der dem Fürsten Alexander unerklärlich war, die Verbindung zurück, und so kam es, daß erst nach Theodors Tode Fürst Alexander sich mit Paolo Franceskos Tochter vermählte. Prinz Johann hatte auf dem Heimwege seinen Bruder Franz kennengelernt und fand an dem Jünglinge, dessen nahe Verwandtschaft mit ihm er nicht ahnte, solches Behagen, daß er sich nicht mehr von ihm trennen mochte. Franz war die Ursache, daß der Prinz, statt heimzukehren nach der Residenz des Bruders, nach Italien zurückging. Das ewige unerforschliche Verhängnis wollte es, daß beide, Prinz Johann und Franz, Vittorias und Pietros Tochter Giazinta sahen und beide in heftiger Liebe zu ihr entbrannten. – Das Verbrechen keimt, wer vermag zu widerstehen den dunkeln Mächten!
Wohl waren die Sünden und Frevel meiner Jugend entsetzlich, aber durch die Fürsprache der Gebenedeiten und der heiligen Rosalia bin ich errettet vom ewigen Verderben, und es ist mir vergönnt, die Qualen der Verdammnis zu erdulden hier auf Erden, bis der verbrecherische Stamm verdorret ist und keine Früchte mehr trägt. Ober geistige Kräfte gebietend, drückt mich die Last des Irdischen nieder, und das Geheimnis der düstern Zukunft ahnend, blendet mich der trügerische Farbenglanz des Lebens, und das blöde Auge verwirrt sich in zerfließenden Bildern, ohne daß es die wahre innere Gestaltung zu erkennen vermag! – Ich erblicke oft den Faden, den die dunkle Macht, sich auflehnend gegen das Heil meiner Seele, fortspinnt, und glaube töricht, ihn erfassen, ihn zerreißen zu können. Aber dulden soll ich und gläubig und fromm in fortwährender reuiger Buße die Marter ertragen, die mir auferlegt worden, um meine Missetaten zu sühnen. Ich habe den Prinzen und Franz von Giazinta weggescheucht, aber der Satan ist geschäftig, dem Franz das Verderben zu bereiten, dem er nicht entgehen wird. – Franz kam mit dem Prinzen an den Ort, wo sich Graf Pietro mit seiner Gemahlin und seiner Tochter Aurelie, die eben fünfzehn Jahr alt worden, aufhielt. So, wie der verbrecherische Vater Paolo Francesko in wilder Begier entbrannte, als er Angiola sah, so loderte das Feuer verbotener Lust auf in dem Sohn, als er das holde Kind Aurelie erblickte. Durch allerlei teuflische Künste der Verführung wußte er die fromme, kaum erblühte Aurelie zu umstricken, daß sie mit ganzer Seele ihm sich ergab, und sie hatte gesündigt, ehe der Gedanke der Sünde aufgegangen in ihrem Innern. Als die Tat nicht mehr verschwiegen bleiben konnte, da warf er sich, wie voll Verzweiflung über das, was er begangen, der Mutter zu Füßen und gestand alles. Graf Pietro, unerachtet selbst in Sünde und Frevel befangen, hätte Franz und Aurelie ermordet. Die Mutter ließ den Franz ihren gerechten Zorn fühlen, indem sie ihn mit der Drohung, die verruchte Tat dem Grafen Pietro zu entdecken, auf immer aus ihren und der verführten Tochter Augen verbannte. Es gelang der Gräfin, die Tochter den Augen des Grafen Pietro zu entziehen, und sie gebar an entfernten Orten ein Töchterlein. Aber Franz konnte nicht lassen von Aurelien, er erfuhr ihren Aufenthalt, eilte hin und trat in das Zimmer, als eben die Gräfin, verlassen vom Hausgesinde, neben dem Bette der Tochter saß und das Töchterlein, das erst acht Tage alt worden, auf dem Schöße hielt. Die Gräfin stand voller Schreck und Entsetzen über den unvermuteten Anblick des Bösewichts auf und gebot ihm, das Zimmer zu verlassen. “Fort … fort, sonst bist du verloren; Graf Pietro weiß, was du Verruchter begonnen!” So rief sie, um dem Franz Furcht einzujagen, und drängte ihn nach der Türe; da übermannte den Franz wilde, teuflische Wut, er riß der Gräfin das Kind vom Arme, versetzte ihr einen Faustschlag vor die Brust, daß sie rücklings niederstürzte, und rannte fort. Als Aurelie aus tiefer Ohnmacht erwachte, war die Mutter nicht mehr am Leben, die tiefe Kopfwunde (sie war auf einen mit Eisen beschlagenen Kasten gestürzt) hatte sie getötet. Franz hatte im Sinn, das Kind zu ermorden, er wickelte es in Tücher, lief am finstern Abend die Treppe hinab und wollte eben zum Hause hinaus, als er ein dumpfes Wimmern vernahm, das aus einem Zimmer des Erdgeschosses zu kommen schien. Unwillkürlich blieb er stehen, horchte und schlich endlich jenem Zimmer näher. In