Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E. T. A. Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027209156
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Nur mühsam erholte ich mich aus der Betäubung, finster blieb es, endlich brachen einige matte Streiflichter des Tages herein in das niedrige, kaum sechs Fuß hohe Gewölbe, in das, wie ich jetzt zu meinem Entsetzer, wahrnahm, man mich aus meinem vorigen Kerker gebracht hatte. Mich dürstete, ich griff nach dem Wasserkruge, der neben mir stand, feucht und kalt schlüpfte es mir durch die Hand, ich sah eine aufgedunsene scheußliche Kröte schwerfällig davonhüpfen. Voll Ekel und Abscheu ließ ich den Krug fahren. “Aurelie!” stöhnte ich auf in dem Gefühl des namenlosen Elends, das nun über mich hereingebrochen. “Und darum das armselige Leugnen und Lügen vor Gericht? – alle gleißnerischen Künste des teuflischen Heuchlers? – darum, um ein zerrissenes, qualvolles Leben einige Stunden länger zu fristen? Was willst du, Wahnsinniger! Aurelien besitzen, die nur durch ein unerhörtes Verbrechen dein werden konnte? – denn immerdar, lügst du auch der Welt deine Unschuld vor, würde sie in dir Hermogens verruchten Mörder erkennen und dich tief verabscheuen. Elender, wahnwitziger Tor, wo sind nun deine hochfliegenden Pläne, der Glaube an deine überirdische Macht, womit du das Schicksal selbst nach Willkür zu lenken wähntest; nicht zu töten vermagst du den Wurm, der an deinem Herzmark mit tödlichen Bissen nagt, schmachvoll verderben wirst du in trostlosem Jammer, wenn der Arm der Gerechtigkeit auch deiner schont.” So, laut klagend, warf ich mich auf das Stroh und fühlte in dem Augenblick einen Druck auf der Brust, der von einem harten Körper in der Busentasche meiner Weste herzurühren schien. Ich faßte hinein und zog ein kleines Messer hervor. Nie hatte ich, solange ich im Kerker war, ein Messer bei mir getragen, es mußte daher dasselbe sein, das mir mein gespenstisches Ebenbild heraufgereicht hatte. Mühsam stand ich auf und hielt das Messer in den stärker hereinbrechenden Lichtstrahl. Ich erblickte das silberne blinkende Heft. Unerforschliches Verhängnis! es war dasselbe Messer, womit ich Hermogen getötet und das ich seit einigen Wochen vermißt hatte. Aber nun ging plötzlich in meinem Innern, wunderbar leuchtend, Trost und Rettung von der Schmach auf. Die unbegreifliche Art, wie ich das Messer erhalten, war mir ein Fingerzeig der ewigen Macht, wie ich meine Verbrechen büßen, wie ich im Tode Aurelien versöhnen solle. Wie ein göttlicher Strahl im reinen Feuer durchglühte mich nun die Liebe zu Aurelien, jede sündliche Begierde war von mir gewichen. Es war mir, als sähe ich sie selbst, wie damals, als sie am Beichtstuhl in der Kirche des Kapuzinerklosters erschien. “Wohl liebe ich dich, Medardus, aber du verstandest mich nicht! … Meine Liebe ist der Tod!” – so umsäuselte und umflüsterte mich Aureliens Stimme, und fest stand mein Entschluß, dem Richter frei die merkwürdige Geschichte meiner Verirrungen zu gestehen und dann mir den Tod zu geben.

      Der Kerkermeister trat herein und brachte mir bessere Speisen, als ich sonst zu erhalten pflegte, sowie eine Flasche Wein. –“Vom Fürsten so befohlen”, sprach er, indem er den Tisch, den ihm sein Knecht nachtrug, deckte und die Kette, die mich an die Wand fesselte, losschloß. Ich bat ihn, dem Richter zu sagen, daß ich vernommen zu werden wünsche, weil ich vieles zu eröffnen hätte, was mir schwer auf dem Herzen liege. Er versprach, meinen Auftrag auszurichten, indessen wartete ich vergebens, daß man mich zum Verhör abholen solle; niemand ließ sich mehr sehen, bis der Knecht, als es schon ganz finster worden, hereintrat und die am Gewölbe hängende Lampe anzündete. In meinem Innern war ich ruhiger als jemals, doch fühlte ich mich sehr erschöpft und versank bald in tiefen Schlaf. Da wurde ich in einen langen, düstern, gewölbten Saal geführt, in dem ich eine Reihe in schwarzen Talaren gekleideter Geistlicher erblickte, die der Wand entlang auf hohen Stühlen saßen. Vor ihnen, an einem mit blutroter Decke behangenen Tisch, saß der Richter und neben ihm ein Dominikaner im Ordenshabit. “Du bist jetzt”, sprach der Richter mit feierlich erhabener Stimme, “dem geistlichen Gericht übergeben, da du, verstockter, freveliger Mönch, vergebens deinen Stand und Namen verleugnet hast. Franziskus, mit dem Klosternamen Medardus genannt, sprich, welcher Verbrechen bist du beziehen worden?” – Ich wollte alles, was ich je Sündhaftes und Freveliges begangen, offen eingestehen, aber zu meinem Entsetzen war das, was ich sprach, durchaus nicht das, was ich dachte und sagen wollte.

      Statt des ernsten, reuigen Bekenntnisses verlor ich mich in ungereimte, unzusammenhängende Reden. Da sagte der Dominikaner, riesengroß vor mir dastehend und mit gräßlich funkelndem Blick mich durchbohrend: “Auf die Folter mit dir, du halsstarriger, verstockter Mönch!” Die seltsamen Gestalten rings umher erhoben sich und streckten ihre langen Arme nach mir aus und riefen in heiseren, grausigem Einklang: “Auf die Folter mit ihm!” Ich riß das Messer heraus und stieß nach meinem Herzen, aber der Arm fuhr unwillkürlich herauf! ich traf den Hals, und am Zeichen des Kreuzes sprang die Klinge wie in Glasscherben, ohne mich zu verwunden. Da ergriffen mich die Henkersknechte und stießen mich hinab in ein tiefes unterirdisches Gewölbe. Der Dominikaner und der Richter stiegen mir nach. Noch einmal forderte mich dieser auf zu gestehen. Nochmals strengte ich mich an, aber in tollem Zwiespalt stand Rede und Gedanke. – Reuevoll, zerknirscht von tiefer Schmach, bekannte ich im Innern alles – abgeschmackt, verwirrt, sinnlos war, was der Mund ausstieß. Auf den Wink des Dominikaners zogen mich die Henkersknechte nackt aus, schnürten mir beide Arme über den Rücken zusammen, und hinaufgewunden fühlte ich, wie die ausgedehnten Gelenke knackend zerbröckeln wollten. In heillosem, wütendem Schmerz schrie ich laut auf und erwachte. Der Schmerz an den Händen und Füßen dauerte fort, er rührte von den schweren Ketten her, die ich trug, doch empfand ich noch außerdem einen Druck über den Augen, die ich nicht aufzuschlagen vermochte. Endlich war es, als würde plötzlich eine Last mir von der Stirn genommen, ich richtete mich schnell empor, ein Dominikanermönch stand vor meinem Strohlager. Mein Traum trat in das Leben, eiskalt rieselte es mir durch die Adern. Unbeweglich, wie eine Bildsäule, mit übereinandergeschlagenen Armen stand der’ Mönch da und starrte mich an mit den hohlen schwarzen Augen. Ich erkannte den gräßlichen Maler und fiel halb ohnmächtig auf mein Strohlager zurück. – Vielleicht war es nur eine Täuschung der durch den Traum aufgeregten Sinne? Ich ermannte mich, ich richtete mich auf, aber unbeweglich stand der Mönch und starrte mich an mit den hohlen schwarzen Augen. Da schrie ich in wahnsinniger Verzweiflung: “Entsetzlicher Mensch … hebe dich weg! … Nein! … Kein Mensch, du bist der Widersacher selbst, der mich stürzen will in ewige Verderbnis … hebe dich weg, Verruchter! hebe dich weg!” – “Armer, kurzsichtiger Tor, ich bin nicht der, der dich ganz unauflöslich zu umstricken strebt mit ehernen Banden! – der dich abwendig machen will dem heiligen Werk, zu dem dich die ewige Macht berief. – Medardus! – armer, kurzsichtiger Tor! – schreckbar, grauenvoll bin ich dir erschienen, wenn du über dem offenen Grabe ewiger Verdammnis leichtsinnig gaukeltest. Ich warnte dich, aber du hast mich nicht verstanden! Auf! nähere dich mir!” Der Mönch sprach alles dieses im dumpfen Ton der tiefen, herzzerschneidendsten Klage; sein Blick, mir sonst so fürchterlich, war sanft und milde worden, weicher die Form seines Gesichts. Eine unbeschreibliche Wehmut durchbebte mein Innerstes; wie ein Gesandter der ewigen Macht, mich aufzurichten, mich zu trösten im endlosen Elend, erschien mir der sonst so schreckliche Maler. – Ich stand auf vom Lager, ich trat ihm nahe, es war kein Phantom, ich berührte sein Kleid; ich kniete unwillkürlich nieder, er legte die Hand auf mein Haupt, wie mich segnend. Da gingen in lichten Farben herrliche Gebilde in mir auf. – Ach! ich war in dem heiligen Walde! – ja es war derselbe Platz, wo in früher Kindheit der fremdartig gekleidete Pilger mir den wunderbaren Knaben brachte. Ich wollte fortschreiten, ich wollte hinein in die Kirche, die ich dicht vor mir erblickte. Dort sollte ich (so war es mir) büßend und bereuend Ablaß erhalten von schwerer Sünde. Aber ich blieb regungslos – mein eignes Ich konnte ich nicht erschauen, nicht erfassen. Da sprach eine dumpfe, hohle Stimme: “Der Gedanke ist die Tat!” – Die Träume verschwebten; es war der Maler, der jene Worte gesprochen. “Unbegreifliches Wesen, warst du es denn selbst? an jenem unglücklichen Morgen in der Kapuzinerkirche zu B.? in der Reichsstadt? und nun?” – “Halt ein”, unterbrach mich der Maler, “ich war es, der überall dir nahe war, um dich zu retten von Verderben und Schmach, aber dein Sinn blieb verschlossen! Das Werk, zu dem du erkoren, mußt du vollbringen zu deinem eignen Heil.” – “Ach”, rief ich voll Verzweiflung, “warum hieltst du nicht meinen Arm zurück, als ich in verruchtem Frevel jenen Jüngling…” “Das war mir nicht vergönnt”, fiel der Maler ein, “frage nicht weiter! vermessen ist es, vorgreifen zu wollen dem, was die ewige Macht beschlossen. … Medardus! Du gehst deinem Ziel entgegen … Morgen!” – Ich erbebte in eiskaltem Schauer, denn ich glaubte, den Maler ganz zu verstehen. Er wußte und billigte den beschlossenen Selbstmord. Der Maler wankte mit leisem Tritt nach der Tür des