Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E. T. A. Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027209156
Скачать книгу
es und lachte und stöhnte dazwischen. – Endlich rief es leise, leise, aber wie mit häßlicher, heiserer, stammelnder Stimme hintereinander fort: “Me-dar-dus! Me-dar-dus!” – Ein Eisstrom goß sich mir durch die Glieder! Ich ermannte mich und rief: “Wer da! Wer ist da?” – Lauter lachte es nun und stöhnte und ächzte und klopfte und stammelte heiser: “Me-dar-dus… Me-dar-dus!” – Ich raffte mich auf vom Lager. “Wer du auch bist, der du hier tollen Spuk treibst, stell dich her sichtbarlich vor meine Augen, daß ich dich schauen mag, oder höre auf mit deinem wüsten Lachen und Klopfen!” – So rief ich in die dicke Finsternis hinein, aber recht unter meinen Füßen klopfte es stärker und stammelte: “Hihihi … hihihi … Brü-der-lein … Brü-der-lein … Me-dar-dus … ich bin da … bin da … ma-mach auf … auf … wir wo-woilen in den Wa-Wald gehn … Wald gehn!” – Jetzt tönte die Stimme dunkel in meinem Innern wie bekannt; ich. hatte sie schon sonst gehört, doch nicht, wie mich es dünkte, so abgebrochen und so stammelnd. Ja, mit Entsetzen glaubte ich meinen eignen Sprachton zu vernehmen, Unwillkürlich, als wollte ich versuchen, ob es dem so sei, stammelte ich nach: “Me-dar-dus … Me-dar-dus!” Da lachte es wieder, aber höhnisch und grimmig und riet: “Brü-der-lein … Brü-der-lein, hast … du, du mi-mich erkannt … erkannt? … ma-mach auf … wir wo-wollen in den Wa-Wald … in den Wald!” – “Armer Wahnsinniger”, so sprach es dumpf und schauerlich aus mir heraus, “armer Wahnsinniger, nicht aufmachen kann ich dir, nicht heraus mit dir in den schönen Wald, in die herrliche freie Frühlingsluft, die draußen wehen mag; eingesperrt im dumpfen, düstern Kerker bin ich wie du!” – Da ächzte es im trostlosen Jammer, und immer leiser und unvernehmlicher wurde das Klopfen, bis es endlich ganz schwieg; der Morgen brach durch das Fenster, die Schlösser rasselten, und der Kerkermeister, den ich die ganze Zeit über nicht gesehen, trat herein. “Man hat”, fing er an, “in dieser Nacht allerlei Lärm in Ihrem Zimmer gehört und lautes Sprechen. Wie ist es damit?” – “Ich habe die Gewohnheit”, erwiderte ich so ruhig, als es mir nur möglich war, “laut und stark im Schlafe zu reden, und führte ich auch im Wachen Selbstgespräche, so glaube ich, daß mir dies wohl erlaubt sein wird.” – “Wahrscheinlich”, fuhr der Kerkermeister fort, “ist Ihnen bekannt worden, daß jeder Versuch zu entfliehen, jedes Einverständnis mit den Mitgefangenen hart geahndet wird.” – Ich beteuerte, nichts dergleichen hätte ich vor. – Ein paar Stunden nachher führte man mich hinauf zum Kriminalgericht. Nicht der Richter, der mich zuerst vernommen, sondern ein anderer, ziemlich junger Mann, dem ich auf den ersten Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Gewandtheit und eindringenden Sinn weit überlegen sein müsse, trat freundlich auf mich zu und lud mich zum Sitzen ein. Noch steht er mir gar lebendig vor Augen. Er war für seine Jahre ziemlich untersetzt, sein Kopf beinahe haarlos, er trug eine Brille. In seinem ganzen Wesen lag so viel Güte und Gemütlichkeit, daß ich wohl fühlte, gerade deshalb müsse jeder nicht ganz verstockte Verbrecher ihm schwer widerstehen können. Seine Fragen warf er leicht, beinahe im Konversationston hin, aber sie waren überdacht und so präzis gestellt, daß nur bestimmte Antworten erfolgen konnten, “Ich muß Sie zuvörderst fragen”, so fing er an, “ob alles das, was Sie über Ihren Lebenslauf angegeben haben, wirklich gegründet ist oder ob bei reiflichem Nachdenken, Ihnen nicht dieser oder jener Umstand einfiel, den Sie noch erwähnen wollen?”

      “Ich habe alles gesagt, was ich über mein einfaches Leben zu sagen wußte.”

      “Haben Sie nie mit Geistlichen … mit Mönchen Umgang gepflogen?”

      “Ja, in Krakau … Danzig … Frauenburg … Königsberg. Am letztern Orte mit den Weltgeistlichen, die bei der Kirche als Pfarrer und Kapellan angestellt waren.”

      “Sie haben früher nicht erwähnt, daß Sie auch in Frauenburg gewesen sind?”

      “Weil ich es nicht der Mühe wert hielt, eines kurzen, wie mich dünkt, achttägigen Aufenthalts dort auf der Reise von Danzig nach Königsberg zu erwähnen.” “Also in Kwiecziczewo sind Sie geboren?”

      Dies frug der Richter plötzlich in polnischer Sprache, und zwar in echt polnischem Dialekt, jedoch ebenfalls ganz leichthin. Ich wurde in der Tat einen Augenblick verwirrt, raffte mich jedoch zusammen, besann mich auf das wenige Polnische, was ich von meinem Freunde Krcszinski im Seminar gelernt hatte, und antwortete :

      “Auf dem kleinen Gute meines Vaters bei Kwiecziczewo.” “Wie hieß dieses Gut?”

      “Krcziniewo, das Stammgut meiner Familie.” “Sie sprechen für einen Nationalpolen das Polnische nicht sonderlich aus. Aufrichtig gesagt, in ziemlich deutschem Dialekt. Wie kommt das?”

      “Schon seit vielen Jahren spreche ich nichts als Deutsch. Ja selbst schon in Krakau hatte ich viel Umgang mit Deutschen, die das Polnische von mir erlernen wollten; unvermerkt mag ich ihren Dialekt mir angewöhnt haben, wie man leicht provinzielle Aussprache annimmt und die bessere, eigentümliche darüber vergißt.”

      Der Richter blickte mich an, ein leises Lächeln flog über sein Gesicht, dann wandte er sich zum Protokollführer und diktierte ihm leise etwas. Ich unterschied deutlich die Worte: “Sichtlich in Verlegenheit” und wollte mich eben noch mehr über mein schlechtes Polnisch auslassen, als der Richter frug: “Waren Sie niemals in B.?”

      “Niemals!”

      “Der Weg von Königsberg hieher kann Sie über den Ort geführt haben?”

      “Ich habe eine andere Straße eingeschlagen.” “Haben Sie nie einen Mönch aus dem Kapuzinerkloster in B. kennengelernt?” “Nein!”

      Der Richter klingelte und gab dem hereintretenden Gerichtsdiener leise einen Befehl. Bald darauf öffnete sich die Türe, und wie durchbebten mich Schreck und Entsetzen, als ich den Pater Cyrillus eintreten sah. Der Richter frug: “Kennen Sie diesen Mann?” “Nein! … ich habe ihn früher niemals gesehen!” Da heftete Cyrillus den starren Blick auf mich, dann trat er näher; er schlug die Hände zusammen und rief laut, indem Tränen ihm aus den Augen gewaltsam hervorquollen: “Medardus, Bruder Medardus …! um Christus willen, wie muß ich dich wiederfinden, im Verbrechen teuflisch frevelnd. Bruder Medardus, gehe in dich, bekenne, bereue … Gottes Langmut ist unendlich!” – Der Richter schien mit Cyrillus’ Rede unzufrieden, er unterbrach ihn mit der Frage: “Erkennen Sie diesen Mann für den Mönch Medardus aus dem Kapuzinerkloster in B.?”

      “So wahr mir Christus helfe zur Seligkeit”, erwiderte Cyrillus, “so kann ich nicht anders glauben, als daß dieser Mann, trägt er auch weltliche Kleidung, jener Medardus ist, der im Kapuzinerkloster zu B. unter meinen Augen Noviz war und die Weihe empfing. Doch hat Medardus das rote Zeichen eines Kreuzes an der linken Seite des Halses, und wenn dieser Mann” … “Sie bemerken”, unterbrach der Richter den Mönch, sich zu mir wendend, “daß man Sie für den Kapuziner Medardus aus dem Kloster in B. hält und daß man eben diesen Medardus schwerer Verbrechen halber angeklagt hat. Sind Sie nicht dieser Mönch, so wird es Ihnen leicht werden, dies darzutun; eben daß jener Medardus ein besonderes Abzeichen am Halse trägt, – welches Sie, sind Ihre Angaben richtig, nicht haben können – gibt Ihnen die beste Gelegenheit dazu. Entblößen Sie Ihren Hals.” – “Es bedarf dessen nicht”, erwiderte ich gefaßt, “ein besonderes Verhängnis scheint mir die treueste Ähnlichkeit mit jenem angeklagten, mir gänzlich unbekannten Mönch Medardus gegeben zu haben, denn selbst ein rotes Kreuzzeichen trage ich an der linken Seite des Halses.” – Es war dem wirklich so, jene Verwundung am Halse, die mir das diamantne Kreuz der Äbtissin zufügte, hatte eine rote, kreuzförmige Narbe hinterlassen, die die Zeit nicht vertilgen konnte. “Entblößen Sie Ihren Hals”, wiederholte der Richter. – Ich tat es, da schrie Cyrillus laut: “Heilige Mutter Gottes, es ist es, es ist das rote Kreuzzeichen! … Medardus … Ach, Bruder Medardus, hast du denn ganz entsagt dem ewigen Heil?” – Weinend und halb ohnmächtig sank er in einen Stuhl. “Was erwidern Sie auf die Behauptung dieses ehrwürdigen Geistlichen?” frug der Richter. In dem Augenblick durchfuhr es mich wie eine Blitzesflamme; alle Verzagtheit, die mich zu übermannen drohte, war von mir gewichen, ach, es war der Widersacher selbst, der mir zuflüsterte: “Was vermögen diese Schwächlinge gegen dich Starken in Sinn und Geist? … Soll Aurelie denn nicht dein werden?” – Ich fuhr heraus beinahe in wildem, höhnendem Trotz: “Dieser Mönch da, der ohnmächtig im Stuhle