Witiko blieb eine Woche in dem steinernen Hause und bei den Männern von Plan.
Dann ritt er in das Kloster an der Sazawa zu Silvester.
Er fand ihn in dem Garten mit Gemüsepflege beschäftigt.
Als der Greis den Jüngling erblickte, sagte er: »Kömmst du zu mir, Witiko?«
»Ich bin zu Euch gekommen«, antwortete Witiko.
»So sei gegrüßt, und folge mir in meine Stube«, sagte Silvester.
»Ich folge Euch«, sagte Witiko.
Silvester streifte noch einige Erde, die an seinem Gewande klebte, ab, und schlug den Weg gegen die Mauern des Gebäudes ein. Witiko ging hinter ihm her.
Das Gemach Silvesters erreichte man durch einen Gang, welcher von den Beeten des Gartens gerade in das Gebäude führte. Die zwei Männer kamen zuerst in eine kleine Vorhalle mit steinernem Fußboden, in welcher sich nichts befand als ein Wasserbecken von dunkelrotem Marmor, in das ein feiner Strahl aus einer Röhre in der Mauer nieder floß. Aus der Vorhalle traten sie in die Zelle. Sie war nicht groß. In ihr stand das hohe Kreuzbild des Heilandes, welches Witiko, da er in der Sendung Sobeslaws in Prag war, in dem Bischofhause neben der Tür gesehen hatte, durch welche die Bischöfe Silvester und Zdik heraus getreten waren. Sonst standen einfache Geräte da, und die zwei Fenster sahen auf die Bäume und Gesträuche des Gartens hinaus.
»Setze dich auf eines dieser Gesiedel«, sagte Silvester.
Witiko tat es.
Dann setzte sich Silvester auf ein anderes, und sprach: »Ich sage dir noch einmal einen Gruß in dem Herrn, daß du zu mir gekommen bist. Kann ich dir einen Dienst erweisen?«
»Ich bin zu Euch gekommen«, entgegnete Witiko, »weil mich der Dank an Euch bindet, welchen ich damals nur kurz erweisen konnte, als ich von Wladislaw ging, da er den Herzogstuhl bestiegen hatte, und ich bin zu Euch gekommen, weil mich die Liebe an Euch bindet; denn Ihr habt in jener Versammlung auf dem Wyšehrad, heiliger Vater, die besten Worte geredet.«
»Nenne mich nicht einen heiligen Vater«, antwortete Silvester, »es wäre wie Hohn und Spott; ich bin in meinen Werken ein gebrechlicher Mensch, ich konnte die Worte nicht finden, jene Versammlung zu bewegen, und kann meine Klosterbrüder nicht leiten, sie lieben mich, und folgen mir nicht. Die Gemüse gedeihen leidlich, wenn ich sie begieße, und ihnen die gehörige Erde gebe. Ich bin nicht einmal ein rechter Gärtner für den folgsamen Kohl und die gelben Blumen.«
»Ihr habt aber doch alle Vorkommnisse erkannt«, sagte Witiko.
»Ich habe nur erkannt, was gut ist«, antwortete Silvester, »und das hat mir mein Heiland gesagt, und mit dem Guten ist alles andere verbunden, wenn es auch die Augen nicht sehen.«
»Wenn mir undeutlich ist, was ich tun soll«, sagte Witiko, »so erlaubet, daß ich in Euern Garten komme, und Euch um das Gute frage, an welchem das andere dann hängt, ich werde Euch kurz fragen, daß ich Euch die Zeit nicht entziehe, und ich werde doch einer sein, der Euch folgt.«
»Komme, so oft du willst«, antwortete Silvester, »und so oft dein Herz dich mahnt; jeder Mensch muß dem andern helfen, wenn Hilfe not tut, und er muß auch helfen, wenn Hilfe nicht not tut, wenn er aber doch darum gebeten wird, und der Priester muß noch mehr helfen, weil er der Priester ist, und der oberste priesterliche Vater des Landes muß am meisten helfen, weil er der oberste priesterliche Vater des Landes ist, und ich wäre es gewesen, wenn mir Gott nicht durch ein Geschehnis gezeigt hätte, daß ich dieses Land nicht zu dem heiligen Geiste versammeln kann. Ich habe es einem andern überlassen. Zu dem Guten aber, Witiko, tut Hilfe nicht not; denn das weiß ein jeder Mensch.«
»Und warum tut er es denn nicht?« fragte Witiko.
»Weil er gegen das Wissen handelt, wenn ihn die Lust oder die Schlauheit treibt«, sagte Silvester. »Im Nützlichen kann man dem Menschen raten, wenn man es kennt.«
»Und dann befolgt er den Rat nicht«, sagte Witiko.
»Weil er es selber besser zu wissen meint«, entgegnete Silvester, und so kommen die Erfahrungen. Es sind sehr viele Dinge, mit denen die Menschen sich beschäftigen. Wir haben in unserem Klosterbesitze Wälder, die uns vor dem Froste des Winters schützen, von denen wir bauen, die uns die Speisen bereiten helfen, und die uns noch Tiere und Gewächse liefern. Wir pflegen sie. Wir haben Felder und Wiesen, auf denen Dienliches sprosset. Wir warten ihrer sorgsam. Wir haben Untertanen, Grundhörige, Gewerkleute und Volk, die Brüder suchen sie zu lenken. In diesem Garten ist Obst, Gemüse, Blumenwerk, wir hegen es, und teilen den Menschen gerne mit, die um uns sind, und unterrichten sie.«
»Ich bin mit Leuten aus dem Walde, welche in den Krieg gingen«, sagte Witiko, »und welche sich dann meiner Führung anvertrauten, zu dem jetzigen Herzoge Wladislaw gezogen.«
»Wladislaw, der Sohn unseres verstorbenen Herzoges Sobeslaw«, sagte Silvester, »hat nicht geantwortet, als sein Vater auf dem Sterbebette zu ihm gesagt hatte, er solle sich Wladislaw, der jetzt Herzog ist, unterwerfen. Dann hat er sich dem Herzoge von Znaim, Konrad, gegen Versprechungen hingegeben. Den jetzigen Herzog Wladislaw haben viele Herren der Länder Böhmen und Mähren gewählt, und sie haben sich die Macht zur Wahl selber gegeben. Und so ist jetzt überall kein Recht. Seit dem Aufhören der Alterserblichkeit sind die Herzoge durch die Gewalt Herzoge gewesen, und wir haben ihnen gehorcht. Der Herzog Wladislaw ist auch durch die Gewalt Herzog, und die Guten sind zu ihm gegangen. Was Bolemil getan hat, was Lubomir getan hat, und was der rechtschaffene Diwiš getan hat, das hast du auch getan, mein Sohn.«
»Ich meine, Wladislaw handelt wie ein guter Herzog«, sagte Witiko.
»Er hat bisher so gehandelt«, antwortete Silvester, »und ich glaube, daß er auch im Künftigen so handeln wird. Er ist großmütig, wie sein Vater großmütig gewesen ist. Er ist ein besserer Mann als Wladislaw, der Sohn Sobeslaws. In diesem Gedanken hat der ehrwürdige Bischof Zdik gehandelt. Das Gute, das geworden wäre, wenn die Männer auf dem Wyšehrad an dem Rechte gehalten hätten, und das Gott auch mit dem minderen Manne Wladislaw eingeleitet hätte, kann nun nicht mehr werden. Der Herzog Wladislaw wird ein anderes Gute bringen, und er wird das Schlechte, das aus dem Unrechte auf dem Wyšehrad folgen muß, zu vermindern streben, wie er es jetzt schon getan hat. Aber er wird nicht alles vermeiden können, wie er es jetzt nicht vermocht hat. Heiligtümer sind dahin, Menschenleben sind verloren, und Gut ist zerstört. Das Gericht ist viel früher gekommen, als ich gedacht habe, und mancher steht vor Gottes Thron, und muß sagen, was er getan hat. Nacerat, der Höchste, ist erschlagen worden, und sein Sohn, der blühte, ist von einem Manne gefallen, dessen Namen vorher nur die nannten, denen er die Hufe der Rosse beschlagen hatte. Ich bedaure den wohlmeinenden Zdik. Mein Gebet um Schonung ist nicht erhört worden, weil ich sündig bin, und Gott weiser ist. Das Gericht dauert noch fort, viele Lippen werden klagen oder beten oder fluchen. Ich ziehe nicht in den Krieg; aber ich bitte Gott, daß Wladislaw siege.«
»Und wie wird er dann gegen die Herzoge verfahren?« fragte Witiko.
»Wenn sie sich reuig unterwerfen, wird er ihnen verzeihen, und sie noch mit Gnaden begaben. Er wird selbst dem undankbaren Otto nicht nach dem Leben streben.«
»Wenn er doch dem verblendeten Wladislaw verziehe, und den andern Kindern Sobeslaws stets liebevoll wäre«, sagte Witiko.
»Er wird es sein«, sagte Silvester, »wie er es bis jetzt gewesen ist, und wie er ehrerbietig gegen die sanfte Adelheid gewesen ist. Den Knaben Wladislaw, der sich sein eigenes Recht nicht zu erhalten wußte, achtet er nicht hoch, und fürchtet ihn nicht.«
»Ich möchte recht gerne Wladislaw einen großen Dienst tun können«, sagte Witiko, »daß ich das Recht gewänne, für die Kinder Sobeslaws zu bitten.«
»Das Recht hast du auch jetzt schon«, antwortete Silvester, »wie ein jeder. Wladislaw ist für dich gut gesinnt. Er erkennt die Treue, die du Sobeslaw erwiesen hast, und mit der du an ihm halten wirst.«
»Ich werde ihm die Treue bewahren«, sagte Witiko, »wem ich den ersten Dienst tue, dem tue ich auch den zweiten und den dritten, und alle, wenn auch