Da sprengte Odolen durch die Scharen, deckte Witiko mit seinem Leibe, und rief: »Haltet! Er ist nur ein Tor, ich werde ihn zum Gerichte führen.«
Witiko rief: »Männer, hört mich nur einen Augenblick.«
Und da es stiller geworden war, rief er: »Alles wird zur Klarheit kommen. Odolen, ich gebe mich dir gefangen, und übergebe dir den Befehl über meine Leute. Ich werde mit dir gehen, und wenn du kämpfst, werde ich mitkämpfen, und Gott mag verfügen, was ihm gefällt.«
»So ist es gut, Witiko, wie du tust«, rief Odolen, »und ihr, verworrene Männer, ihr habt in euerm Durcheinanderstürmen dem Feinde einen Vorsprung gegeben, wir müssen ihn erreichen, stellt euch in Ordnung. Die Pfleger bleiben bei den Verwundeten und Toten.«
Die Männer machten schnell ihre Reihen, und in dem nächsten Augenblicke ritten sie, was die Pferde zu rennen vermochten, auf dem Wege gegen Prag den Mährern nach, die vor ihnen waren.
Sie sahen den Staub, den sie erregten, und sie erregten selber Staub, und beständig sahen sie auf den Abstand dieser zwei Staubsäulen. Nach einer Stunde erkannten sie, daß der Abstand sich mindere.
Da kamen sie in den Wald von Holaubkau. Sie sahen in dem Walde die Feinde nicht; erkannten aber an dem Staube, daß sie durchgeritten seien. Sie durchritten den Wald. Da sie sein Ende erreichten, brannte vor ihnen das Dorf Holaubkau, und Menschen und Geräte und Wägen und Haustiere waren vor ihnen auf dem Wege, und die Flammen von den hölzernen Häusern wehten über denselben.
Odolen ritt gegen die Menschen, und rief: »Zeigt einen Weg um das Dorf.«
Eine Menge Stimmen antworteten, daß man die Antwort nicht verstehen konnte.
»Der mit den weißen Haaren und dem blauen Gewande antworte allein«, schrie Odolen.
»ES geht kein Weg um das Dorf«, sagte der alte Mann, »die Wege gehen alle von den Wiesen und Feldern in die Häuser.«
»Nur einen festen Grund, einen festen Grund, auch ohne Weg«, rief Odolen.
»Ich zeige einen«, »ich zeige einen«, riefen mehrere Stimmen.
»Fünf Reiter folgen einem jeden, der sich gemeldet hat«, rief Odolen, »und wo sie Boden für die ganze Schar finden, kommen sie zurück, und zeigen es an.«
Die Reiter sonderten sich ab, und folgten den Boten.
Odolen ritt selber mit dem Greise und mit vier Männern rechts an dem Dorfe hin, und forschte. Es waren meist weiche Wiesen, und wo er Boden für die Schar fand, war er wieder unterbrochen, und an dem Greise sah er, daß derselbe nicht wisse, welchen Grund eine Reiterschar brauche. Eine Richtung, die er endlich erkannte, war ein langer Bogen. Er ritt wieder zurück, die Reiter kamen auch, und jeder sagte, wie man es versuchen könne, und jeder sagte, daß man vorüber könne.
»Man kann vorüber«, rief Odolen, »ich habe es selber gesehen, und ich kann euch auch führen; aber Brüder, Freunde, Kampfgenossen, das andere ist auch vorüber. Mehr als eine Stunde ist vergangen, seit wir hier angekommen sind, ihr seht es an dem Niederbrennen des Feuers. Und wenn wir den Abstand von den Feinden in jeder Viertelstunde um tausend Ellen kürzen könnten, erreichen wir sie in fünf Stunden, und sind in der Steinschlucht am Wasser, oder in der Nähe ihres Lagers. Pflegt die Pferde, nehmt Nahrung, ruhet, und wir kehren um.«
Die Männer führten ihre Pferde in die Waldschatten, und bereiteten sich zu dem, was Odolen gesagt hatte.
Witiko blickte in das Feuer, und sprach kein Wort.
Dann ließ er seine Wunde, die gering war, von Jakob verbinden.
Als Menschen und Tiere erquickt waren, ließ Odolen den Vorstand des Dorfes kommen, und sagte, daß er die armen Leute der Gnade des Herzogs empfehlen werde, und dann begann die Schar den Rückweg.
Auf dem Platze des Kampfes fanden sie nichts mehr.
In der Nacht kamen sie in das Lager des Herzogs.
Odolen ging zu ihm, und berichtete ihm den Hergang. Dann besuchte er die Verwundeten, und fragte nach den Toten.
Nach Odolen ging Witiko zu dem Herzoge in das Gezelt, und sagte: »Hoher Herr! du weißt, was geschehen ist. Ich übergebe dir mein Schwert mit dem Bilde des heiligen Petrus, dem ich vertraut habe. Ich bitte dich, lasse mich erst richten, wenn deine Sache entschieden ist. Wenn eine Schlacht sein sollte, so gib mir in deiner Gnade mein Schwert, daß ich in ihr kämpfe, wie ich sonst gekämpft habe. Dann reiche ich es dir wieder.«
»Witiko«, antwortete der Herzog, »behalte dein Schwert, und gebrauche es. Dem Gerichte aber stelle dich.«
»Ich werde es tun, hoher Herr«, sagte Witiko.
Darauf verließ er das Gezelt, und ging auch zu den Verwundeten.
Indes diese Dinge geschahen, war es in Prag, wie es schon viele Tage vorher gewesen war. Das Schleudern gegen die Mauern dauerte, und die Verteidigung dauerte. Die Männer in der Stadt waren weniger, und die Männer vor der Stadt waren auch weniger. Die Mauern zeigten größere Beschädigungen, die Geräte der Feinde waren in geringerer Wirkungskraft, und die auf den Mauern auch.
Am fünften Tage des Brachmonates drängten sich so viele Feinde gegen die Stadt, daß die auf den Mauern meinten, kein einziger Mensch sei in dem Lager zurückgeblieben. Das Werfen aus den Schleuderstücken der Feinde wurde stärker, als es früher gewesen war. Sie schoben Gerüste und Geräte noch näher an die Stadt, obgleich sie da ohne Bergen waren, und harreten bei ihnen während des Werfens gegen sie aus. Diepold sandte an Geschossen in die Feinde, was er zu senden vermochte. Die Mährer änderten ihre Feuerwürfe. Da sie früher nur Branddinge gegen die Krieger auf den Zinnen geschleudert hatten, so ging nun ein brennender Pfeil in hohem Bogen gegen die Gebäude der Stadt. Dem Pfeile folgten bald mehrere, und Feuerballen gingen in die Luft. Die Feinde suchten auch an der schwächsten Stelle der Mauer empor zu klimmen. Diepolds Scharen drängten sich zur Verteidigung heran. Da, als es schon gegen den Abend ging, begann die Kirche des heiligen Veit zu brennen. Der Türmer ließ das große Banner des Herzogs Wladislaw nieder, und rettete es zu Diepold. Darauf faßte das Feuer das ganze Dach, und es ging eine breite Lohe gegen den Himmel empor. Und fast zur nämlichen Zeit begannen das Kloster und die Kirche des heiligen Georg zu brennen, und die Flammen gingen in die Lüfte.
Die Männer auf den Mauern wendeten ihre Angesichter dahin, und es war, als erstarrten sie.
Da sprang Dimut unter den Pfeilen auf eine hohe Stelle der Zinnen, streckte ihren blutenden Arm mit dem Schwerte empor, und rief: »Jetzt kommt der Retter, jetzt kommt der Retter, der Feind weiß es, und sendet uns das Zeichen. Er übt im Aberwitze der Verzweiflung Rache an den Heiligtümern. Unsere Heiligtümer sind nicht verloren, wir werden sie wieder aufbauen, sie werden schöner sein als früher, und mit der Weihe des Erzbischofes wieder hilfreich und gnadenreich; die aber an ihnen gefrevelt haben, werden mit zerrauften Haaren und mit entblößtem Armen auf der Erde liegen, und den Himmel um Barmherzigkeit anflehen, und den irdischen Richter um Gnade, daß er nicht zu hart strafe. Der Retter kommt, der Retter kommt.«
Sie schwang ihr Schwert freudenvoll um das Haupt, und hundert Männer riefen: »Der Retter kommt, der Retter kommt.«
Sie stieg von der Zinne nieder, und zwei Pfeile hingen an ihrem Panzer, und einen trug sie in der linken Hand.
Der Ruf verbreitete sich längs der Mauern.
Die Herzogin sendete Trompeter, die verkündeten: »Der Herzog Wladislaw kommt.«
Jetzt sah man den Bischof Otto mit seinen Priestern in kirchlichem Zuge heilige Kleinodien aus der Kirche des heiligen Veit gegen die Kirche der heiligen Jungfrau Maria tragen.
Da riefen sie: »Laßt uns hinaus gegen sie, laßt uns hinaus.«
Diepold antwortete: »Mit dem Herzoge gehen wir hinaus, jetzt wahrt die Mauern.«
Und die Männer stürzten noch eifriger zur Verteidigung vor.
Er aber ließ das große rosenrote Banner des Herzoges