Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert Stifter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237647
Скачать книгу
alle, die geladen worden waren. Sie reihten sich um den langen Tisch. Da sie geordnet waren, kam der Herzog in einem braunen Gewande und einer dunkelbraunen Haube herein. Seinen Oberkörper zierte ein Waffenhemd, und an seiner Seite hing ein Schwert. Neben ihm ging sein Bruder Diepold. Hinter ihm war das Hofgeleite seiner Krieger. Als die Männer eingetreten waren, schloß sich hinter ihnen die Tür, und das Geleite blieb an derselben stehen. Der Herzog aber ging mit seinem Bruder an das obere Ende des Tisches, und sie setzten sich. Nach einem Augenblicke stand Wladislaw auf, und alle Versammelten erhoben sich. Wladislaw entblößte sein Haupt, grüßte und sprach: »Seid willkommen, Herren des Landes, du, Diepold, der einzige von den Sprossen des Stammes Premysl, welcher hier ist, ihr, Bischöfe, Äbte, Pröpste und Priester, ihr, Lechen, Zupane, Führer, und ihr, meine Kmeten meiner Burgflecken! Ich bitte, setzet euch nieder!«

      Die Männer setzten sich.

      Der Herzog legte seine Haube auf den Tisch, blieb stehen, und sprach: »Es ist endlich dahin gediehen, daß wir über den Entscheid der Sache, die sich in diesen Reichen erhoben hat, beraten, und zu einem Schlusse kommen, der allen lieb ist, und den alle gerne ausführen werden. Ihr habet die Nachrichten vernommen, die über das Land und über die Feinde eingegangen sind, und werdet über dieselben nachgedacht haben. Ich habe den allmächtigen Gott angefleht, daß er mich erleuchte, das vorschlagen zu können, was am sichersten fromme. Ich habe auch mit vielen der weisen einsichtsvollen und guten Männer, die hier versammelt sind, gesprochen. Ihr werdet ebenfalls euer Gemüt zu Gott erhoben, und mit einander geredet haben. Wir wollen nun zum Ende gelangen. Im Hornung des Jahres 1140 bin ich von einer Versammlung der Herren der Länder Böhmen und Mähren auf dem Wyšehrad zum Herzoge dieser Länder erwählt worden. Einige der anwesenden Männer haben mich gewählt, andere nicht, weil sie ihres Versprechens an Sobeslaw gedachten. Sie haben mich aber später anerkannt, und mir gedient. Auch Sobeslaw hat auf seinem Sterbebette seinem Sohne Wladislaw geraten, sich mir zu unterwerfen. So ist das Recht geworden, und so habe ich zwei Jahre ohne Widerrede als Herzog gehandelt. Da hat ein Teil jener Männer, die mich gewählt haben, wieder einen neuen Herzog gewählt. Sie haben eine Kriegsmacht zusammen gebracht, und sind heran gezogen. Wir sind ihnen entgegen gegangen. Auf dem Berge Wysoka konnte es nicht zur Entscheidung kommen, weil sie der Verrat in unseren eigenen Gliedern gehindert hat. Wir sind nach Prag gegangen, und haben uns vor den heiligen Stuhl Premysls gestellt. Sie bauen Geräte aller Art, den Stuhl zu gewinnen. Ich habe gesagt, daß wir mit allen Mitteln, und mit unserer Einsicht und Herzhaftigkeit kämpfen werden, und ihr habt auf dem Berge Wysoka gesagt, daß für das Land der Weg der größten Sicherheit und schnellsten Entscheidung gewählt werden müsse. Ich habe in dieser Stadt gesprochen, daß wir die Mittel beraten werden, wenn wir alles genau wissen. Heute ist nun der Tag, die Mittel zu beraten, und den Weg der größten Sicherheit und schnellsten Entscheidung zu suchen. Schon auf dem Berge Wysoka ist vieles Blut unglücklicher und unschuldiger Leute vergossen worden, jetzt wird vieles Blut in leichtfertigen, freventlichen, unnützen und heftigen Kämpfen vergossen, bis zur Schlacht ist vieles Eigentum vernichtet worden, und wird noch vernichtet. Und es ist gar nicht zu ergründen, was für Elend Wildheit und Zuchtlosigkeit noch kommen kann. Die tapferen und starken Herzen in diesen Mauern werden auf lange Zeit widerstehen, ehe die Feinde in die Stadt kommen. Ja vielleicht müssen die Feinde durch Zeit und Leiden aufgerieben von der Belagerung abstehen, und die Stadt verlassen. Aber der Krieg ist dann nicht beendet, und der Weg der schnellsten Entscheidung ist nicht betreten. Die Zahl der Feinde ist weit größer als die unsrige. Und wie streitbar unsere Schar auch ist, und wenn sie im offenen Felde auch immer siegte, so kann sie schnelle Entscheidung nicht bringen. Mit meinem Bruder Heinrich werden Männer aus dem Lande Budissin kommen; aber ihre Zahl wird nicht hinreichend sein. Wir können in dem Lande werben; aber die Feinde werben auch, und die Zeit des Unheils geht indessen immer fort, weil die Werbezeit lange sein muß. Da ist nun mein Gedanke, daß jetzt Hilfe von außen notwendig ist. Mein Schwager Leopold, der Sohn Leopolds, des Markgrafen von Österreich, würde sie bringen, aber ihr wißt, daß er zu Altaich in Bayern nach dem Kriege, den er gegen den Wittelsbacher so herrlich geführt hat, gestorben ist. Sein Bruder Heinrich, mein anderer Schwager, ist wieder im Kriege um das Herzogtum Bayern. Aber da ist mein Nebenschwager, Konrad, der König der Deutschen, der Stiefbruder meiner Gemahlin Gertrud, die mit ihm von Agnes der Tochter des unglücklichen Kaisers Heinrich abstammt. Diesem Kaiser Heinrich ist auch mein Oheim Boriwoy gegen seinen aufrührerischen Sohn Heinrich zu Hilfe gezogen. Ich habe an den König Konrad gesendet. Er will aus Liebe zu seiner Mutter Agnes, aus Liebe zu seiner Schwester Gertrud, aus Liebe zu seinem Großvater, dem gestorbenen Kaiser Heinrich, und aus Dankbarkeit gegen Böhmen Scharen gewähren, die ergiebig sein sollen. Ihr, geliebten Freunde und Kampfgenossen, bleibt in der Stadt, und haltet den Feind von ihren Mauern zurück; ich gehe mit wenigem Geleite, daß ihr nicht geschwächt werdet, zu Konrad, werbe auf dem Zuge, kehre mit seinen Kriegern und mit denen, die ich aus unserem Lande gezogen habe, zurück, und schlage vor den Mauern hier die Schlacht. Die Feinde können in einigen Tagen vor diesem Berge sein, und unsere Handlungen dürfen nicht zögern. Ich habe gesprochen, und fordere die Herren aus den Ländern auf, ihre Meinung zu sagen.«

      Nach diesen Worten blieb der Herzog noch einige Augenblicke stehen, dann setzte er seine Haube auf, und ließ sich auf seinen Stuhl nieder.

      Es war eine kleine Zeit stille.

      Da erhob sich der Bischof von Prag von seinem Stuhle, und sprach: »Hoher Herr, treuer Sohn der Kirche! Ich glaube, du hast den kürzesten Weg zum Heile und zur Sicherheit angedeutet, wie wir auf dem Berge nach der Schlacht gesagt haben, daß es der kürzeste sein müsse; ich glaube, du sollst diesen Weg wandeln, und Gott segne dich, und seine Himmelsscharen geleiten dich.«

      Und der Bischof setzte sich wieder auf seinen Stuhl nieder.

      Dann erhob sich Zdik der Bischof von Olmütz, und sprach: »Ich glaube, damit das Unheil vermieden werde, das die früheren Nachfolgekämpfe gebracht haben, sei kein anderes Mittel möglich, als welches der erlauchte Herzog ausgesprochen hat.«

      Dann setzte er sich wieder nieder.

      Der Abt von Kladrau sprach: »Möge deine gute Absicht, hoher Herr, eine gedeihliche Vollendung finden.«

      Der Abt Gezo von Strahow sagte: »Wir hoffen, daß der Freund im hinreichenden Maße eintreten wird.«

      Der Abt von Brewnow sagte: »Er wird es tun, wie wir ihm ja auch vor drei Jahren gegen die Sachsen Zuzug geleistet haben.«

      Hierauf sprach kein Priester mehr.

      »Und was sagt mein Bruder Diepold?« fragte der Herzog.

      Diepold erhob sich, und sprach: »Du bist das Haupt unseres Geschlechtes, der Wladyk unseres Stammes, ich unterwerfe mich deinem Willen.«

      Dann setzte er sich wieder nieder.

      Der alte Wšebor mit den weißen Haaren hob beide Arme empor, zum Zeichen, daß er reden wolle. Der Herzog wies mit der Hand gegen ihn hin, die Männer sahen auf ihn, man half ihm, sich empor zu richten, und da er stand, sprach er: »Ich tue Einrede. Das Ansinnen ist ein Fehler, das Vorhaben ist nicht gut. Da wir vor zwei Jahren in dem Saale der Burg Wyšehrad saßen, und ich noch nicht so alt war wie jetzt, und da wir dich, erlauchter Herr, auf den Fürstenstuhl der Länder Böhmen und Mähren wählten, da sprach ein Mann, der älter war als ich, und dem die Gnade des Himmels erlaubt hat, noch heute unter uns zu sein, ein Mann, der viele Dinge gesehen und erlebt hat, ein Mann, dem weise Gesinnungen in dem Haupte sind, und der das Land und die Leute liebt, dieser Mann sprach, daß wir stets in der Gewohnheit haben, in unsern Streitigkeiten die Fremden zu rufen, daß der Fremde kommt, daß er immer mehr Macht bei uns gewinnt, und daß er eines Tages unsern Fürstenstuhl nehmen wird. Ich habe schon viele Fremde hier gesehen, und habe gesehen, wie sie gewaltet haben. Unser verstorbener ruhmreicher Herzog Sobeslaw hat selbst seinen Knaben Wladislaw von dem deutschen Könige Konrad in Bamberg mit der Fahne von Böhmen und Mähren belehnen lassen, von einem Fremden; denn Konrad war noch nicht der Kaiser und noch nicht der Schirmvogt der Christenheit. Wir verlieren die Gewalt über uns, und werden bald nichts mehr haben, worüber wir streiten könnten. Deine Weisheit, Herr, und die Weisheit der Räte, die um dich sitzen, wird ein anderes Mittel ersinnen, das uns hilft, und das uns nicht unser eigenes Eigen raubt.«

      Nach diesen Worten faßte er mit beiden Händen den Rand des Tisches,