Der Bischof sagte: »Es ist vollbracht. Ihm wird das viele belohnt werden, was er Gutes tat, und das wenige verziehen, was er gesündigt hat. An ihm ist viel gesündigt worden.«
Adelheid ging gegen ein großes Kreuz des Heilandes, das in dem Zimmer stand, kniete nieder, und umschlang es mit ihren Armen. Ihr Angesicht war so bleich wie das des Toten, und ihre Augen lagen noch tiefer als die seinigen. Wladislaw stand mit Zügen da, die weißer als die getünchte Wand waren. Die andern Kinder hatte man in eine abgelegene Kammer gebracht.
Witiko entfernte sich, ging in sein Gemach, und ließ den Strom der Tränen aus seinen blauen Augen rinnen.
Ein Eilbote jagte sogleich, nachdem der Herzog die Augen geschlossen hatte, aus dem Tore. Nacerat hatte Leute in der Burg, und an allen Orten zwischen Hostas Burg und Prag hatte er Pferde in Bereitschaft.
So geschah es, daß Wladislaw der Sohn des Herzogs Wladislaw am siebenzehnten Tage des Monates Hornung auf den Stuhl der Fürsten von Böhmen gesetzt wurde.
Wladislaw der Sohn des Herzoges Sobeslaw floh nach Mähren.
Jetzt kamen die vorzüglichsten Männer der beiden Länder nach Hostas Burg: Nacerat, Zdik, Smil mit seinen beiden Söhnen, Ben der Kriegsanführer, Domaslaw, Slawibor, Nemoy, Znata, Milota, Soben, Beneda und andere. Von den umliegenden Zupen kamen die Zupane, und von Prag viele hohe und niedere Leute.
Die Botschaft, welche der Bischof Zdik an den Herzog beantragt hatte, war vor dessen Tode nicht mehr zu Stande gekommen.
Da die Vorbereitungen vorüber waren, wurde der Leib des verstorbenen Herzogs mit Gepränge von Gold schwarzem Sammet und edlen Gesteinen, und mit geschmückten Pferden unter dem Geleite derer, die in der Burg waren, und die sich auf dem Wege anschlossen, nach Prag geführt. Der neue Herzog ging ihm, als er dort angekommen war, entgegen, und geleitete ihn mit seinen Räten seinen Kriegern den Priestern den Herren der Stadt, mit denen, die von ferne herzu gekommen waren, und dem Volke zu der Kirche des heiligen Veit, und dann zu der auf dem Wyšehrad, und endlich zu der letzten Ruhestätte, in der er an der Seite seines Vaters Wratislaw und seiner Mutter Swatawa niedergelegt wurde.
Witiko wohnte der Bestattung bei. Sein Fuß trat noch auf Reste von Tannenzweigen, die bei der Feier der Besteigung des Herzogstuhles verwendet worden waren, und sein Auge sah noch die Spuren im Schnee, wo sich das Volk getummelt hatte, da Münzen ausgeworfen worden waren.
Als die Feierlichkeiten der Erhebung Wladislaws und der Bestattung Sobeslaws vorüber waren, gingen drei Botschaften von Prag ab.
Die erste ging an die verwitwete Herzogin Adelheid, um ihr einen Trostgruß und eine Beileidsbezeugung des Herzogs zu überbringen.
Die zweite ging zu Sobeslaws ältestem Sohne Wladislaw nach Mähren, daß er nach Böhmen kommen möge, er werde freundlich und in Liebe empfangen werden, und eine reichliche Ausstattung erhalten.
Die dritte ging mit hohen Männern in ihren schönsten Gewändern und mit einem Zuge von Pferden, der Gewänder Gold und Kleinodien trug, in die Burg auf dem Kahlenberge bei Wien, um für den böhmischen Herzog bei Leopold dem Markgrafen von Österreich um dessen Schwester Gertrud zu werben.
Witiko wurde zu dem Herzoge beschieden. Er mußte zu ihm auf den Wyšehrad gehen. Wladislaw saß, da er zu ihm in das Gemach geführt wurde, in einem dunkelbraunen Gewande auf einem hölzernen Stuhle an einem hölzernen Tische. Mehrere seiner Freunde saßen in prächtigen Gewändern um ihn. Er war sehr ernst und blaß.
»Witiko«, sagte er, »setze dich auf einen jener Stühle.«
Witiko tat es.
»Siehst du«, fuhr er fort, indem er lächelte, »es ist doch wahr geworden, was mir der Schalk eingegeben hat.«
»Du wirst das Wort nicht im bösen Sinne aufbewahren«, sagte Witiko.
»Ich bewahre es in gutem auf«, sagte der Herzog, »unsere Freundschaft soll sich von Chynow her fortsetzen. Witiko, mein Oheim hat ein Auge auf dich gerichtet, ich will desgleichen tun.«
»Hoher Herr«, entgegnete Witiko, »ich bitte dich, daß du mich jetzt noch meiner Wege gehen lässest.«
»So hältst du mich für einen schlimmen Fürsten, dem du nicht dienen magst, wie du damals sagtest«, entgegnete der Herzog.
»Nein«, antwortete Witiko, »aber ich möchte nur meine Gedanken sammeln.«
»So sei es, wie es ist«, entgegnete der Herzog.
»Wenn ich reden darf, hoher Herr«, sagte jetzt der Sohn des Nacerat, »so würde ich sagen, daß es jetzt ganz anders geworden ist, als wie ich von diesem Manne damals bei Chynow gedacht habe. Er steht gegen dich auf, und sollte vielleicht festgehalten, und wenn er stärker schuldig ist, gestraft werden. Die Sobeslawer sind hartnäckig, und pochen auf Macht. Da ist Bolemil mit seinen mannigfaltigen Söhnen und Enkeln, dann Diwiš und sein Anhang, dann ist der böse Lubomir, der in Daudleb mächtig ist, dann Wšebor, Bozebor, und andere. Diese werden dich verderben, wenn du unserm Rat, die wir dir treu sind, nicht hörest.«
In diesem Augenblicke ging Nacerat in einem sehr schönen weiten Gewande bei der Tür herein. Er sprach einige Worte leise mit dem Herzoge, und entfernte sich wieder.
Dann sagte der Herzog: »Witiko, gehe deiner Wege. Ich befehle, daß ihn niemand beschimpft oder verletzt.«
Witiko erhob sich von seinem Stuhle, verneigte sich, und ging.
Er ritt auf seinem grauen Pferde zu Silvester, der nach der Niederlegung seines Amtes wieder in dem Kloster Sazawa, dessen Abt er früher gewesen war, wohnte, und dankte ihm. Dann ritt er wieder gegen den Mittag des Landes.
4
Es weheten die Banner.
Am sechsten Tage nach der Erhebung Wladislaws war die Bischofswahl in Prag, weil Silvester bei der Niederlegung seines Amtes beharrte. Es wurde Otto der Propst von Prag zum Bischofe über Böhmen gewählt, und es ging eine Botschaft an den Heiligen Vater nach Rom, und eine an den Oberhirten, unter dessen Stabe auch das Land Böhmen stand, an den Erzbischof von Mainz.
Die Leute zerstreuten sich nun von Prag.
Der Leche Bolemil war schon früher mit seinen Söhnen und Enkeln und mit Geleite nach dem Abende des Landes Böhmen gegangen, Diwiš in seine Zupe nach Saaz, Nemoy nach Netolic, Chotimir nach Decin in Mitternacht, Ctibor nach Austi, und Lubomir mit den Seinigen in die Zupe Daudleb, und Zdik begab sich in seinen Bischofsitz Olmütz zurück.
Andere Leute gingen wieder nach Prag. Darunter waren junge Söhne von Herren, Kriegsknechte, dann auch Gewerbmänner, Bildner in allerlei Dingen, Männer des Wissens, Gaukler, Sänger, Sackpfeifer, Juden, Dirnen, Geldwechsler, und ähnliche.
Wladislaw vervollständigte noch die Ämter. Er ließ die Männer, die unter Sobeslaw Dienste geleistet hatten, in ihren Würden. Die nächsten an ihm waren seine Brüder Diepold und Heinrich, und der alte Leche Nacerat.
In kurzer Zeit nach der Bichofswahl ritt Wladislaw mit einem Gefolge junger Männer nach Hostas Burg. In derselben hatte Adelheid die Witwe Sobeslaws das Gemach, in welchem der Herzog Sobeslaw gestorben war, mit dunkeln Tüchern behängen lassen, das Bett mit der Bärendecke und der Schrein, aus welchem er das goldene Kreuzlein für den Bischof Silvester genommen hatte, und das hölzerne Gesiedel, auf welchem sie gesessen war, da sie ihn pflegte, waren stehen geblieben. Das Kreuz, das sie nach dem Tode Sobeslaws umschlungen hatte, war an einen Fensterpfeiler gebracht worden, und davor ein Schemel gestellt. An die Rückwand des Gemaches hatte man ihr ein Bettlein stellen müssen, in welchem sie in den Nächten schlief. Als Wladislaw vor die Mauern der Burg gekommen war, sandte er einen Mann zu Adelheid, um zu fragen, ob er zu ihr kommen dürfe. Sie ließ ihm durch diesen Mann sagen, daß sie ihn erwarte. Der Herzog ging also mit den zwei Männern Welislaw und Odolen in die Burg, und wurde in das dunkle Gemach geführt. Adelheid stand