Eine Zornesröte ergoß sich bei diesen Worten über McGintys Gesicht. Dann brach er in ein schallendes Gelächter aus.
»Bei Gott!« sagte er. »Es sieht so aus, als ob Sie der Stolz unserer Loge werden würden. Wir haben seit Jahren keinen so frechen Burschen mehr bei uns gehabt. – Was in des Teufels Namen wollen Sie hier? Kann man sich denn nicht fünf Minuten mit einem Herrn allein unterhalten, ohne gestört zu werden?«
Ein Mixer stand vor ihm, ganz betroffen.
»Ich bitte um Entschuldigung, Herr Rat, aber Mr. Baldwin ist da und sagt, er müsse Sie dringend sprechen.«
Diese Anmeldung war überflüssig, denn das harte, grausame Gesicht des Angemeldeten blickte bereits über die Schulter des Barmannes. Baldwin schob den Eingeschüchterten hinaus und schloß die Tür hinter ihm.
»Aha!« sagte er mit einem wütenden Blick auf McMurdo. »Sie sind mir zuvorgekommen. Ich möchte mit Ihnen über diesen Mann reden, Herr Rat.«
»Dann sagen Sie, was Sie zu sagen haben, sofort und mir ins Gesicht,« rief McMurdo.
»Ich werde es sagen, wie und wann ich will.«
»Zur Ruhe, meine Herren,« sagte McGinty, indem er sich von dem Faß erhob. »Das kann ich nicht zulassen. Dies hier ist ein neuer Bruder, Baldwin, und es geht nicht an, ihn in dieser Weise zu begrüßen. Geben Sie ihm die Hand, Mann, und machen Sie Frieden.«
»Niemals,« rief Baldwin wütend.
»Ich habe ihm angetragen, mit ihm zu kämpfen, da er glaubt, mir grollen zu müssen,« sagte McMurdo. »Ich bin bereit, mit ihm zu kämpfen, mit meinen Fäusten, oder, wenn ihm das nicht paßt, auf jede andere Weise, die er vorschlägt. Das ist die ganze Sache, und ich bitte um Ihr Urteil, Herr Rat, als das eines Logenmeisters über zwei streitende Brüder.«
»Um was handelt es sich denn?«
»Eine junge Dame. Ich meine, sie kann wählen, wen sie will.«
»So, glauben Sie?« rief Baldwin.
»Jawohl, das ist auch meine Ansicht,« sagte McGinty. »Als Brüder derselben Loge seid ihr gleich.«
»Das ist also Ihre Entscheidung?«
»Sehr richtig, Ted Baldwin,« sagte McGinty, ihn bösartig anstierend. »Wollen Sie vielleicht dagegen Widerspruch erheben?«
»Sie entscheiden also zugunsten eines Mannes, den Sie heute das erstemal sehen, gegen einen, der seit fünf Jahren mit Ihnen durch dick und dünn geht? Sie sind nicht auf Lebenszeit gewählt, Jack McGinty, und bei Gott, wenn es wieder zur Wahl kommt, –«
McGinty sprang wie ein Tiger auf ihn zu. Seine Faust schloß sich um des Anderen Gurgel. Mit der Riesenkraft, deren er fähig war, stieß er Baldwin zu Boden, so daß er über die Fässer fiel. Er hätte ihn zweifellos erwürgt, wenn nicht McMurdo dazwischen getreten wäre.
»Ruhe, Herr McGinty, um des Himmels Willen, bewahren Sie doch Ruhe,« rief er, indem er den Logenmeister von seinem Opfer trennte.
Baldwin hatte sich auf eines der Fässer gesetzt, tödlich erschrocken und verschüchtert. Er rang nach Atem und zitterte an allen Gliedern, wie einer, der dem Tod ins Auge gesehen hat.
»Sie haben das schon lange haben wollen, Ted Baldwin, und jetzt haben Sie es,« rief McGinty, dessen riesenhafte Brust heftig wogte. »Sie glauben wohl, wenn ich bei der nächsten Wahl zum Logenmeister durchfalle, daß Sie dann in meine Schuhe treten würden? Darüber hat die Loge zu entscheiden. Aber das sage ich Ihnen, solange ich der Loge vorstehe, wird kein Mann seine Stimme gegen mich oder meine Entscheidungen erheben.«
»Ich habe nichts gegen Sie,« murmelte Baldwin, seine Kehle betastend.
»Nun gut,« rief der andere, indem er in seine gewohnte Manier brüsker Herzlichkeit zurückfiel, »dann sind wir also alle wieder gute Freunde und damit Schluß.«
Er nahm von einem der Regale eine Flasche Sekt und entkorkte sie.
»Kommt her,« fuhr er fort, indem er drei hohe Gläser füllte, »wir wollen den Versöhnungstoast der Loge trinken. Der löscht, wie ihr wißt, jede Feindschaft aus. Also, mit der linken Hand an der Kehle frage ich euch, Ted Baldwin, um was war der Streit?«
»Die Wolken sind schwer,« antwortete Baldwin.
»Aber sie werden sich auf ewig aufhellen.«
»Und das beschwöre ich.«
Die beiden tranken ihren Sekt, worauf dieselbe Zeremonie zwischen Baldwin und McMurdo wiederholt wurde.
»Nun also,« rief McGinty, sich befriedigt die Hände reibend, »jetzt kein böses Blut mehr, sonst kommt die Sache vor die Entscheidung der Loge, und solche Entscheidungen sind streng hier bei uns, wie Bruder Baldwin bereits weiß und auch Sie, Bruder McMurdo, würden es bald erfahren, wenn Sie Streit suchen.«
»Fällt mir nicht ein,« sagte McMurdo und streckte Baldwin die Hand entgegen. »Ich bin rasch dabei, einen Streit zu beginnen, aber ebenso rasch im Vergeben; wahrscheinlich eine Schuld meines irischen Blutes. Für mich ist die Sache erledigt, und ich hege keinen Groll mehr.«
Es blieb Baldwin nichts anderes übrig, als die gereichte Hand zu ergreifen, denn die drohenden Augen des schrecklichen Meisters ruhten auf ihm. In seinem finsteren Gesicht deutete indessen nichts darauf hin, daß ihn die freundschaftlichen Worte des anderen berührt hatten.
McGinty klopfte beiden auf die Schulter.
»Diese Weibsbilder, diese Weibsbilder,« rief er, »man sollte nicht glauben, was sie für Unfrieden unter meinen Jungen stiften können. Der Teufel soll sie holen. Die letzte Entscheidung in dieser Sache liegt aber bei der Frauensperson. Wir in der Loge befassen uns mit solchen Entscheidungen nicht, und der Herr sei bedankt dafür. Wir haben schon genug mit uns selbst zu tun. Sie müssen in unsere Loge 341 eingeweiht werden, Bruder McMurdo. Wir haben hier unsere eigenen Arten und Methoden, die von denen in Chicago verschieden sind. Sonnabend abend ist unser Sitzungstag, und wenn Sie am nächsten Sonnabend zu uns kommen, werden wir Sie zu einem der Unsrigen machen.«
3. Loge Nr. 341 Vermissa
Am Morgen, der diesem ereignisreichen Tage folgte, verließ McMurdo seine Wohnung bei Jakob Shafter und bezog Quartier bei der Witwe McNamara am Rande der Stadt. Scanlan, seine erste Bekanntschaft, hatte Veranlassung, nach Vermissa zu übersiedeln und zog zu ihm. Die beiden waren die einzigen Mieter, und die Vermieterin, eine leichtherzige, alte Irin überließ sie ganz sich selbst, so daß sie jede Freiheit der Rede und des Handelns genossen, die Leute solcher Art, vereint durch ein gemeinsames Geheimnis, nur wünschen konnten. Shafter hatte so weit nachgegeben, daß er McMurdo gestattete, bei ihm die Mahlzeiten einzunehmen, wenn er wollte, so daß der Verkehr des jungen Mannes mit Ettie keine Unterbrechung erlitt. Im Gegenteil, er wurde im Verlaufe der folgenden Wochen immer enger und McMurdo fühlte sich in seinem neuen Heim so sicher, daß er in seinem Schlafzimmer die Banknotenpresse auspackte und einer Anzahl Logenbrüder unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit gestattete sie zu besichtigen und einige Muster mitzunehmen, die so geschickt nachgeahmt waren, daß sie ohne Gefahr und Schwierigkeit ausgegeben werden konnten. Warum McMurdo, im Besitze einer derartigen Kunst, sich herabließ zu arbeiten, war seinen Gefährten rätselhaft. Er machte ihnen jedoch klar, daß mangels offenkundiger Erwerbsquellen die Polizei bald hinter ihm her sein würde.
Ein Polizeibeamter hatte ihm tatsächlich bereits nachgespürt, aber das Glück wollte es, daß ihm der Vorfall eher nützte als schadete. Nach seiner Einführung in McGintys Gasthaus vergingen wenige Abende, die er nicht dort verbrachte. Es war seine Absicht, sich mit den »Jungens«, mit welchem freundschaftlichen Titel die gefährliche Bande, die diesen Ort bevölkerte, gewöhnlich belegt wurde, näher zu befreunden.