Nach der Legende des Altertums predigte der heilige Thomas in Indien das Evangelium. Gegen Ende des neunten Jahrhunderts wurde sein Grab in der Nähe von Madras von den Gesandten König Alfreds besucht. Eine Ladung Perlen und Gewürze, die sie mitbrachten, belohnte den Eifer des englischen Monarchen, der die ausgedehntesten Pläne für Handel und Entdeckungsreisen hegte. Als die Portugiesen zuerst den Seeweg nach Indien fanden, waren die Christen des heiligen Thomas seit Jahrhunderten an der Küste von Malabar ansässig, und die Verschiedenheit ihres Charakters und ihrer Hautfarbe bezeugte die Beimischung des Blutes eines fremden Stammes. An Waffentüchtigkeit, in den Künsten, vielleicht auch an Tugend übertrafen sie die Eingeborenen von Hindostan. Die Landwirte pflanzten Palmen, die Kaufleute wurden durch den Pfefferhandel reich, die Soldaten hatten vor den Nairen oder Edlen von Malabar den Vorrang, und ihre Vorrechte wurden aus Dankbarkeit oder Furcht von den Königen von Kochin, ja sogar von den Zamorin geachtet. Sie erkannten einen Hindu-Souverän an, wurden aber in Wirklichkeit von dem Bischof von Angamala regiert. Er führte seinen alten Titel eines Patriarchen von Hindostan, seine tatsächliche Gerichtsbarkeit jedoch erstreckte sich über vierzehnhundert Kirchen, und er war mit der Obsorge über zweihunderttausend Seelen betraut. Ihre Religion würde sie zu den festesten und wärmsten Bundesgenossen der Portugiesen gemacht haben, aber die Inquisitoren entdeckten bald in den Christen des heiligen Thomas die unverzeihliche Schuld der Ketzerei und des Schismas. Statt sich als Untertanen des römischen Papstes, des geistlichen und weltlichen Monarchen des Erdballs zu bekennen, hingen sie wie ihre Vorfahren der Kirchengemeinschaft des nestorianischen Patriarchen an. Die Bischöfe, die er zu Mosul ordinierte, trotzten den Gefahren des Meeres und des Landes, um ihren Sprengel an der Küste von Malabar zu erreichen. In ihrer syrischen Liturgie geschah der Namen Theodor und Nestorius fromme Erwähnung; sie beteten die beiden Naturen Christi vereint an. Der Name Mutter Gottes beleidigte ihr Ohr, und sie ließen der Jungfrau Maria, die der lateinische Glaube fast zum Range einer Göttin erhoben hatte, nur wenig Ehren zukommen. Als ihr Bild den Schülern des heiligen Thomas zuerst gezeigt wurde, riefen sie entrüstet aus: »Wir sind Christen, keine Götzendiener!« Bei ihrer einfachen Andacht begnügten sie sich mit der Verehrung des Kreuzes. Ihre Trennung von der abendländischen Welt hatte sie in Unkenntnis der Fortschritte eines Jahrtausends gelassen, und ihre Übereinstimmung mit dem Glauben und der Religion des fünften Jahrhunderts hätte Protestanten wie Papisten in gleichem Grade enttäuscht. Es war die erste Sorge der Diener Roms, allen Verkehr mit dem nestorianischen Patriarchen abzuschneiden; mehrere seiner Bischöfe starben in den Kerkern der Inquisition. Die hirtenlose Herde wurde von den Portugiesen, den intriganten Jesuiten und dem glaubenseifrigen Erzbischof Alexis de Menezes von Goa bei seiner persönlichen Besichtigung der Küste von Malabar angegriffen. Die Synode von Diamper, auf der er den Vorsitz führte, vollendete das fromme Werk der Wiedervereinigung und zwang streng die Lehren und die Einrichtungen der römischen Kirche auf, ohne die Ohrenbeichte, dieses stärkste kirchliche Werkzeug, zu vergessen. Das Andenken Theodors und des Nestorius wurde verdammt und Malabar der Herrschaft des Papstes, des Primas und der Jesuiten unterworfen, die sich des Sitzes von Angamala oder Cranganor bemächtigten. Sechzig Jahre der Knechtschaft und der Heuchelei (1599–1663) wurden geduldig ertragen. Kaum aber war das portugiesische Reich durch die mutigen und tätigen Holländer erschüttert worden, als sich die Nestorianer kräftig und erfolgreich für die Religion ihrer Väter erhoben. Die Jesuiten waren nicht imstande, die Macht zu verteidigen, die sie mißbraucht hatten; die Waffen von vierzigtausend Christen waren gegen sie gerichtet, und der indische Archidiakon betreute die Nestorianer, bis von dem Patriarchen von Babylon eine neue Zufuhr bischöflicher Gaben und syrischer Glaubensboten eintreffen konnte. Seit der Vertreibung der Portugiesen wird der nestorianische Glaube an der Küste von Malabar frei bekannt. Die holländischen und englischen Handelsgesellschaften sind tolerant gegen diesen, wenn aber Unterdrückung minder kränkend ist als Verachtung, so haben die Christen des heiligen Thomas Ursache, sich über die kalte und stille Gleichgültigkeit ihrer europäischen Brüder zu beklagen.
II. Die Geschichte der Monophysiten ist minder reichhaltig und interessant als die der Nestorianer. Unter den Regierungen des Zeno und des Anastasius sicherten sich ihre schlauen Häupter die Vermittlung der Fürsten, usurpierten die Throne des Orients und erdrückten die Schulen der Syrier auf ihrem heimatlichen Boden. Die monophysitische Lehre wurde von dem Patriarchen Severus von Antiochia mit besonderer Klugheit bestimmt; er verdammte in der Sprache des Henotikon die Ketzereien des Nestorius und Eutyches, behauptete entgegen dem letzteren die Wirklichkeit des Leibes Christi und zwang die Griechen zuzugeben, daß er ein Lügner war, der die Wahrheit sprach. Aber Annäherung der Begriffe vermochte die Heftigkeit der Leidenschaft nicht zu zügeln. Jede Partei staunte, daß man über einen so geringfügigen Unterschied streiten könne. Der Tyrann von Syrien erzwang sein Glaubensbekenntnis, und während seiner Regierung wurde das Blut von dreihundertfünfzig Mönchen vergossen, die vielleicht nicht ohne Herausforderung oder Widerstand ihrerseits unter den Mauern von Apamea erschlagen wurden. Der Nachfolger des Anastasius pflanzte im Osten die orthodoxe Fahne wieder auf. Severus floh nach Ägypten und sein Freund, der beredte Xenaias, der den Nestorianern von Persien entronnen war, wurde in der Verbannung von den Melchiten Paphlagoniens erwürgt. Vierundfünfzig Bischöfe wurden von ihren Thronen vertrieben, achthundert Geistliche ins Gefängnis geworfen, und trotz der Gunst der Theodora hätten die orientalischen ihrer Hirten beraubten Herden nach und nach entweder verschwinden oder sich der siegreichen Religion unterwerfen müssen. In dieser geistlichen Not wurde die im Abstieg begriffene Partei durch die Anstrengungen eines Mönches neu belebt, vereinigt und verewigt, und der Name des Jakobus Baradäus lebt in der Bezeichnung Jakobiten fort. Jakobus erhielt von den heiligen Bekennern in ihren Kerkern in Konstantinopel die Vollmachten eines Bischofs von Edessa und Apostels des Ostens, auch die Ordination von achtzigtausend Bischöfen, Priestern und Diakonen fließt aus derselben unerschöpflichen Quelle. Der eifrige Glaubensbote wurde durch die schnellen Dromedare eines frommen Araberhäuptlings befördert; die Lehre und Kirchenzucht der Jakobiten wurde insgeheim in Justianians Gebieten befestigt, und jeder Jakobit wurde gezwungen, die Satzungen des römischen Gesetzgebers zu übertreten und sich seinen Haß zuzuziehen. Die Nachfolger des Severus, ob sie auch in Klöstern oder Dörfern verborgen lagen, ob sie ihre geächteten Häupter in den Höhlen der Einsiedler oder in den Zelten der Sarazenen bargen, behaupteten, ja behaupten noch ihr unverjährbares Recht auf Titel, Rang und Vorrechte eines Patriarchen von Antiochia. Unter der milderen Herrschaft der Ungläubigen residieren sie ungefähr eine Stunde von Merdin in dem angenehm liegenden Kloster Zapharan, das sie mit Zellen, Wasserleitungen und Anpflanzungen verschönt haben. Den zweiten, aber sehr ehrenvollen Platz behauptet der Maphrian, der in seinem Palast in Mosul selbst dem nestorianischen Katholikos, mit dem er um die Oberhoheit über den Orient streitet, trotzt. Unter den Patriarchen und dem Maphrian hat man in den verschiedenen Jahrhunderten der jakobitischen Kirche einhundertfünfzig Erzbischöfe und Bischöfe gezählt; aber die Ordnung der Hierarchie ist erschlafft oder aufgelöst, und der größere Teil ihrer Sprengel beschränkt sich auf die Umgebung des Tigris und Euphrat. Die Städte Aleppo und Amida, die von den Patriarchen häufig besucht werden, haben einige reiche Kaufleute und fleißige Handwerker, die Mehrzahl aber verdient ihren kärglichen Unterhalt durch tägliche Arbeit, und Armut mag ebensowohl als der Glaube der Grund ihrer übertriebenen Enthaltsamkeit sein: Fünf jährliche Fasten, während der Geistliche sowohl als Weltliche sich nicht nur des Fleisches und der Eier, sondern auch des Weines, Öles und der Fische enthalten müssen! Ihre Anzahl schätzt man auf fünfzig- bis achtzigtausend Seelen, die den Rest einer einst volkreichen Kirche bilden, die unter dem Druck von zwölf Jahrhunderten gelitten hat. Doch haben sich in dieser langen Periode einige verdienstvolle Fremde zum monophysitischen Glauben bekehrt; der Vater des berühmten Primas des Ostens,