Der Sieg des Islams. Eduard Gibbon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eduard Gibbon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религиозные тексты
Год издания: 0
isbn: 9788075838438
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       I. Die ketzerische Lehre des unglücklichen Nestorius erlosch sehr schnell sowohl in seinem Geburtslande als in seinem bischöflichen Sprengel. Die orientalischen Bischöfe, die in Ephesus in seiner Gegenwart dem anmaßenden Cyrill Widerstand geleistet hatten, ließen sich durch dessen spätere Zugeständnisse erweichen. Dieselben Prälaten oder ihre Nachfolger unterzeichneten ohne Widerrede die Beschlüsse von Chalcedon; die Macht der Monophysiten söhnte sie mit den Katholiken in Übereinstimmung leidenschaftlichen Fanatismusses, des Eigennutzes und der Toleranz aus, und ihr letztes Widerstreben erlosch bei der Verteidigung der drei Kapitel. Ihre Brüder, die entweder minder gemäßigt oder aufrichtiger waren, wurden durch Gesetze unterdrückt, und schon zur Zeit des Regierungsanfanges Justinians hielt es schwer, eine nestorianische Kirche innerhalb der Grenzen des römischen Reiches zu finden. Jenseits dieser Grenzen hatten sie eine neue Welt entdeckt, wo sie auf Freiheit hoffen und nach Eroberung streben konnten. In Persien hatte trotz des Widerstandes der Magier das Christentum tiefe Wurzel gefaßt, und die Völker des Ostens ruhten in seinem heilbringenden Schatten. Der Katholikos oder Primas residierte in der Hauptstadt; er und seine Metropoliten, Bischöfe und Geistlichkeit stellten den Glanz und die Ehren einer geordneten Hierarchie dar. Sie freuten sich der Zunahme der Proselyten, die sich vom Zendavest zum Evangelium, vom weltlichen zum mönchischen Leben bekehrten, und ihr Eifer wurde durch die Anwesenheit eines schlauen und furchtbaren Feindes angestachelt. Die persische Kirche war von syrischen Glaubensboten gestiftet worden, deren Sprache, Kirchenzucht und Lehren eng mit ihrer ursprünglichen Einrichtung verwoben waren. Der Katholikos wurde von seinen eigenen Suffraganen gewählt, aber seine Sohnesabhängigkeit von den Patriarchen von Antiochia wird von den Canones der orientalischen Kirche bezeugt. In der persischen Schule in Edessa erlernten die kommenden Geschlechter getreulich ihre theologische Sprache; sie studierten die syrische Übersetzung der zehntausend Bände Theodors von Mopsu Hestia und verehrten den apostolischen Glauben und das heilige Märtyrertum seines Schülers Nestorius, dessen Person und Sprache den Völkern jenseits des Tigris gleich unbekannt waren. Die erste unverlöschliche Lehre des Bischofs Ibas von Edessa unterwies sie, die Ägypter zu verfluchen, die auf der Synode von Ephesus die beiden Naturen Christi gottloserweise verschmolzen hatten. Die Flucht der Lehrer und Schüler, die aus dem Athen Syriens zweimal vertrieben wurden, erzeugte eine Schar Missionäre, entflammt durch Religionseifer und Rache. Und die strenge Einheit der Monophysiten, die unter den Regierungen des Zeno und Anastasius auf den Thronen des Ostens saßen, reizte ihre Gegner in einem freien Lande, eher eine moralische als eine physische Einheit der beiden Naturen Christi zu behaupten. Seit der ersten Verkündigung des Evangeliums hatten die sassanidischen Könige mit argwöhnischen Blicken ein Geschlecht Fremder und Abtrünniger betrachtet, welche die Religion der Erbfeinde ihres Vaterlandes angenommen hatten und deren Sache unterstützten. Die königlichen Edikte hatten ihnen oft den gefährlichen Verkehr mit der syrischen Geistlichkeit verboten; diese fortschreitende Spaltung war dem eifersüchtigen, stolzen Perozes willkommen, und er schenkte einem schlauen Prälaten Gehör, der Nestorius als Persiens Freund schilderte und in ihn drang, sich die Treue seiner christlichen Untertanen dadurch zu sichern, daß er den Opfern und Feinden des römischen Tyrannen einen gerechten Vorzug einräume. Die Mehrzahl des Volkes und der Geistlichkeit waren Nestorianer; sie wurden durch die Gunst des Despoten ermutigt und mit dessen Schwerte bewaffnet. Viele ihrer schwächeren Brüder erschraken aber bei dem Gedanken, sich von der christlichen Welt gänzlich loszusagen, und der Tod von siebentausendsiebenhundert Monophysiten oder Katholiken festigte die Einheit des Glaubens und der Verfassung der persischen Kirchen. Ihre kirchlichen Einrichtungen zeichneten sich durch ein freisinniges Prinzip der Vernunft oder wenigstens der Politik aus. Die klösterliche Strenge ließ nach und wurde langsam vergessen. Milde Stiftungen wurden für die Erziehung der Waisen und Findlinge errichtet. Das Gesetz des Zölibates, das die Griechen und Lateiner so dringend empfahlen, blieb von der persischen Geistlichkeit unberücksichtigt, und die Zahl der Vermählten wurde durch die öffentlichen und wiederholten Ehen der Priester, Bischöfe, ja selbst des Patriarchen vermehrt. Unter diese Fahne natürlicher und religiöser Freiheit strömten aus allen Provinzen des morgenländischen Reiches Scharen von Flüchtlingen; die engherzige Bigotterie Justinians wurde durch die Auswanderung seiner fleißigsten Untertanen bestraft. Sie brachten die Kriegskunst, Literatur und Wissenschaften nach Persien, und diejenigen, die würdig waren vorgezogen zu werden, wurden im Dienste eines einsichtsvollen Monarchen befördert. Den Heeren Nushirwans leisteten die verzweifelten Sektierer, die noch in ihren Vaterstädten des Ostens verborgen waren, Beistand mit Rat, Geld und Truppen. Für ihren Eifer wurden sie mit den Kirchen der Katholiken belohnt. Als aber diese Städte und Kirchen von Heraklius wieder erobert wurden, zwang sie ihr offenkundiger Hochverrat und ihre Ketzerei, Zuflucht in dem Reiche ihres auswärtigen Verbündeten zu suchen. Aber die scheinbare Ruhe der Nestorianer wurde oft gefährdet und zuweilen erschüttert. Sie waren in die allgemeinen Übel des orientalischen Despotismus verstrickt; ihre Feindschaft gegen Rom vermochte nicht immer ihre Anhänglichkeit an das Evangelium zu sühnen. Einer Kolonie von dreihunderttausend Jakobiten, den Gefangenen von Antiochia und Apamea wurde erlaubt, einen Altar vor dem Katholikos und im Sonnenglanze des Hofes zu errichten. Justinian hatte in seinen letzten Vertrag einige Bedingungen einfließen lassen, die darauf abzielten, die Duldung der Christen in Persien zu vergrößern und ihre Stellung zu befestigen. Der Kaiser, dem Gewissensbisse fremd waren, vermochte allerdings die Ketzer, welche die Autorität der heiligen Synoden leugneten, weder zu bemitleiden noch zu achten, aber er hoffte, daß sie allmählich die Vorteile einer Vereinigung mit dem römischen Reich und der römischen Kirche einsehen würden, und wenn es ihm auch nicht gelang, ihre Dankbarkeit zu gewinnen, so konnte er doch hoffen, die Eifersucht ihres Souveräns gegen sie zu erregen. In viel späterer Zeit ließ der allerchristlichste König wegen des Glaubens und aus politischen Gründen die Lutheraner in Paris verbrennen und in Deutschland beschützen.

      Der Wunsch, Seelen für Gott und Untertanen für die Kirche zu gewinnen, hat zu allen Zeiten die Tätigkeit der christlichen Priester angespornt. Nach der Eroberung von Persien trugen sie ihre geistlichen Waffen nach dem Norden, Osten und Süden, und das einfache Evangelium wurde mit den Farben der syrischen Theologie bemalt und geschmückt. Im sechsten Jahrhundert wurde nach den Berichten eines nestorianischen Reisenden das Christentum mit Erfolg den Baktrianern, Hunnen, Persern, Indern, Persarmeniern, Medern und Elamiten gepredigt. Vom Persischen Meerbusen bis zum Kaspischen Meere gab es unzählige Kirchen der Barbaren, und ihr neuerworbener Glaube leuchtete durch die Zahl und Heiligkeit ihrer Mönche und Märtyrer. Die Pfefferküste von Malabar und die Inseln des Ozeans, Soctora und Ceylon bevölkerten sich mit einer immer zunehmenden Menge Christen, und die Bischöfe und Geistlichen dieser entlegenen Gegend empfingen ihre Ordination von dem Katholikos in Babylon. In späterer Zeit überschritten die glaubenseifrigen Nestorianer die Schranken, die den ehrgeizigen und neugierigen Griechen und Persern gesetzt waren. Die Missionäre von Balch und Samarkand folgten ohne Furcht den wandernden Tartaren und schlichen sich in die Lager der Imaustäler und an den Ufern der Selinga ein. Sie setzten diesen unkundigen Hirten metaphysische Glaubenslehren auseinander und empfahlen diesen blutdürstigen Kriegern Menschlichkeit und Ruhe. Ein Khan, dessen Macht sie ruhmredig übertrieben, soll sogar aus ihren Händen das Sakrament der Taufe, ja selbst der Priesterweihe empfangen haben, und der Name Priester oder Presbyter Johann hielt lange das leichtgläubige Europa in Atem. Man gestattete dem königlichen Bekehrten den Gebrauch eines tragbaren Altars; aber er schickte eine Gesandtschaft an den Patriarchen, um anzufragen, wie er sich in der Fastenzeit der tierischen Nahrung enthalten und wie er das heilige Abendmahl in einer Wüste, die weder Korn noch Wein hervorbringt, feiern solle. Die Nestorianer betraten bei ihren Reisen zu Wasser und zu Land China durch den Hafen von Kanton und durch die nördliche Residenz von Sigan. Unähnlich den römischen Senatoren, welche die Rolle von Priestern und Auguren mit einem Lächeln übernahmen, sind die Mandarine, die sich öffentlich als Philosophen geberden, in ihren Häusern jeder Art von Aberglauben ergeben. Sie ehrten und vermengten die Götter von Palästina und Indien, aber die Ausbreitung des Christentums weckte die Eifersucht des Staates, und nach kurzer Gunst und Verfolgung kam die fremde Sekte in Vergessenheit. Unter der Herrschaft der Kalifen war die nestorianische Kirche von China bis Jerusalem und Cypern verbreitet, und man berechnete, daß ihre Angehörigen samt den Jakobiten die Zahl der griechischen und lateinischen Gemeinden überstiegen. Ihre Hierarchie bestand aus fünfundzwanzig Metropoliten oder Erzbischöfen, aber mehrere von ihnen waren wegen der Entfernung und den Gefahren, welche die Wege unsicher machten, von